Kulturgeschichte:Die kunstsinnige Preußenprinzessin

Kulturgeschichte: Die Schlossführerin Manuela Steinecke vor dem Schlossporträtbild der Wilhelmine von Bayreuth

Die Schlossführerin Manuela Steinecke vor dem Schlossporträtbild der Wilhelmine von Bayreuth

(Foto: Olaf Przybilla)

Den Ruf als Ort der Hochkultur hat Bayreuth nicht nur Wagner zu verdanken. Markgräfin Wilhelmine hinterließ der Stadt prägende Bauten. Dabei spottet sie anfangs über ihre provinzielle neue Heimat.

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

An diesem Donnerstag wird das Markgräfliche Opernhaus wiedereröffnet, die Stadt bereitet sich auf ein Fest der besonderen Art vor. Im Mittelpunkt der Festreden dürfte Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen stehen, die Hohenzollern-Prinzessin, die sich als Wilhelmine von Bayreuth wie kaum jemand anderer in die Geschichte der oberfränkischen Hauptstadt eingeschrieben hat. Opernhaus, Neues Schloss, Eremitage, Sanspareil - das alles geht mindestens zum Teil auf Wilhelmine zurück.

Kulturbeflissenen ist Bayreuth heute weltweit ein Begriff, Richard Wagner sei Dank. Was gerne vergessen wird: Ohne Wilhelmine wäre Wagner womöglich nie nach Bayreuth gekommen. Es war das von ihr auf den Weg gebrachte Opernhaus, das den Komponisten neugierig machte.

Das stand in den Memoiren der Wilhelmine

Es dürften also huldigende Worte sein, die dieser Tage über Wilhelmine gesprochen werden. Spätestens seit 2012, als das Opernhaus zum Weltkulturerbe erklärt worden ist, hat sich Wilhelmine zu einer Art Zweitikone der Stadt gemausert. Man würdigt die Kunstmäzenin, ehrt die Komponistin des Cembalokonzerts in g-Moll, zollt der bildenden Künstlerin mindestens Respekt und redet gut von den schauspielerischen Leistungen, mit der die Markgräfin ihre Gäste angelegentlich entzückt haben soll. Ja, und auch die Autorin Wilhelmine wird mitunter erwähnt, immerhin pflegte sie einen regen Briefwechsel mit Voltaire, kulturhistorisch von einigem Wert.

Was nicht so ganz im Fokus steht, sind die Memoiren der Wilhelmine, die - wäre es nach ihrem Willen gegangen - wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt wären (und bei ihrer Erstveröffentlichung gute 50 Jahre nach Wilhelmines Tod zunächst für eine plumpe antipreußische Fälschung gehalten wurden; was sie nicht sind). Warum sich dieses Werk Wilhelmines in Bayreuth nicht der allergrößten Verbreitung erfreut, mag daran liegen, dass sich der Leser zunächst durch fast 300 dicht geschriebene Seiten über Politik in Potsdam, den Heiratshandel bei Hofe und die Grausamkeiten preußischer Prinzenerziehung kämpfen muss, ehe Bayreuth in den Mittelpunkt der Erörterungen gerät. Es mag aber auch an den Details über ihre neue Heimat liegen, die Wilhelmine in ihrer - heute noch zu besichtigenden - Schreibstube im Alten Schloss der Eremitage zu Papier brachte.

"Ich wäre der Länge nach hingefallen, hätte der Prinz mich nicht gestützt"

Es ist der 22. Januar 1732, als Wilhelmine abends um sechs die Stadt Bayreuth erreicht, damals ein Flecken von etwa 5000 Einwohnern. Im Neuen Schloss in der Bayreuther Innenstadt hängt ein Porträtbild Wilhelmines als Zweijährige, man sieht sie auf Hermelinmantel und Paradekissen vor einem Thronsessel hocken, und bekommt eine Ahnung davon, dass diese älteste Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. für ganz Großes erkoren ist: Sie soll den englischen Thronfolger ehelichen und die politische Allianz der Königreiche Preußen und England schmieden. Widriger politischer Umstände wegen wird es am Ende nicht der britische, sondern der Bayreuther Hof. Was womöglich eine Rolle gespielt haben mag an jenem Januarabend 1732, als die 22-jährige Prinzessin im fränkischen Markgrafentum eintrifft.

Empfangen wird sie vom regierenden Fürsten, der sich aufs Eifrigste bemüht, den intellektuellen Ansprüchen der Wilhelmine gleichwohl nur in Ansätze zu entsprechen vermag: "Es war die ganze Zeit von Telemach die Rede und von Amelot de Houssayes Römischer Geschichte, die zwei einzigen Bücher, die er gelesen hatte; auch kannte er sie auswendig wie Priester ihr Brevier." Zwei Stunden lang, im Stehen, muss Wilhelmine diese, nun ja, Konversation über sich ergehen lassen, sie ist schwanger in jenen Tagen und notiert: "Es wurde mir übel, und ich wäre der Länge nach hingefallen, hätte der Prinz mich nicht gestützt." Ein Unwohlsein der Leibesfrucht wegen, natürlich.

"Er war ein Narr und bildete sich ein, geistreich zu sein"

Hat man jedoch im Blick, dass Wilhelmines Bibliothek bald 4000 Bände umfasste, einheitlich in braunes Leder gebunden und mit ihrem Monogramm FSW - für Friederike Sophie Wilhelmine - versehen, ahnt man, dass zwei Bücher als Grundbestand eines Wissenschatzes eher nicht comme il faut für eine Preußenprinzessin waren. Antike Historiografie und Philosophie, von Ovid bis Platon, das zumeist in französischer Übersetzung, dazu umfangreiche Bestände in den Abteilungen Theater, Theologie, Reisebeschreibungen - so sah Wilhelmines Bibliothek aus.

Dass sie diese Bände nicht nur dekorativ im Regal stehen hatte, sondern die eigene Feder auch daran schulte, ist zu ahnen, wenn man die Passage vom 22. Januar 1732 weiterliest. Wilhelmine war, wenn's passte, eine begnadete Spötterin, der Züge ins Sarkastische alles andere als fremd waren. Die Gemächer im Alten Schloss zu Bayreuth? "Sie waren so schön, dass ich einen Augenblick bei ihnen verweilen muss." Also: "Es führte ein langer mit Spinnweben überzogener Korridor hin, der so schmutzig war, dass es einem ganz übel wurde. Ich trat in ein großes Zimmer, dessen Decke, obwohl sie altfränkisch war, die Hauptzierde bildete." Der Fürst? "Der Markgraf ließ einen Stuhl für mich herbeirücken. Wir setzten uns alle, um uns zu unterhalten, wobei Telemach und Amelot nicht vergessen wurden." Der Oberstallmeister? "Durfte mit Recht für den größten Tölpel seines Jahrhunderts gelten. Er war ein Narr und bildete sich ein, geistreich zu sein."

Wer wissen will, wie arg Wilhelmine unter ihrer neuen Heimat litt, muss sich von Schlossführerin Manuela Steinecke durchs Alte Schloss der Eremitage führen lassen; oder von der Museumspädagogin Kornelia Weiß durchs Neue Schloss in Bayreuths Zentrum. Hier wie dort hat sich die bildende Künstlerin Wilhelmine mit eigenen Werken und Auftragsarbeiten verewigt. Das Hauptmotiv all dieser Bilder und Wandgemälde ist die Frau in der Historie, die sich für die Sache opfert. So offenbar sah das die Prinzessin aus Potsdam: Die Provinz zu Bayreuth war ihr ein Opfergang. Als sie 1758 starb, hatte sie in ihrer neuen Heimat zahlreiche Bauwerke auf den Weg gebracht oder mitgeprägt, die Bayreuth bis heute dominieren - und den Opfergang deutlich versüßt haben mögen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: