Kultur:Bayreuths Weltkulturerbe macht wieder auf

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth nach der Restaurierung

Glanz der alten Bühne: Das Haus bekommt seine barocke Bühnentechnik zurück, als originalgetreue Nachbauten. Effektmaschinen zeigen, wie einst Regen und Donner simuliert wurden.

(Foto: Schlösserverwaltung)

Die Generalsanierung des Markgräflichen Opernhauses hat fast sechs Jahre gedauert und 30 Millionen Euro gekostet. Der Barockbau zählt zu den bedeutendsten Musiktheatern der Welt.

Von Olaf Przybilla

Wer Wilhelmine war? Darauf gäbe es einige Antworten, berühmt geworden aber ist sie durch das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, das man seit sechs Jahren ohne Übertreibung das Welterbe der Wilhelmine nennen darf. Wilhelmine war die Lieblingsschwester von Friedrich dem Großen, da aber wird's schon heikel: Darf man eine Frau, die selbst Geschichte geschrieben hat, als Verwandte einer anderen historischen Figur vorstellen, nur weil diese noch geschichtsmächtiger war? Schwierig. Eines nämlich war Wilhelmine ohne Frage: Gesamtkünstlerin. Eine Frau, die geschrieben, komponiert, geschauspielert hat, und sich nebenher sozusagen als Kulturmanagerin betätigte, um die Kunst im Markgrafentum Bayreuth - das sie anfangs als eine Art Potsdamer Exil wahrgenommen haben mag - in Gang zu bringen.

Es gäbe also viele Wege, sich der gebürtigen Wilhelmine von Preußen (die wohl fassungslos gewesen wäre, würde man ihr vorausgesagt haben, dass sie eine Topsehenswürdigkeit ausgerechnet des Freistaats Bayern auf den Weg gebracht hat) zu nähern. Der prägnanteste aber dürften zwei Briefe sein, die lange nur Spezialisten bekannt waren. Der Briefwechsel zwischen Friedrich dem Großen und Voltaire ist längst ein Stück Kulturgeschichte, die beiden versicherten sich ihrer Liebe noch, als sie sich anscheinend schon überworfen hatten. Dass auch die Schwester des Preußenkönigs mit dem dichtenden Philosophen korrespondierte, dürfte deutlich weniger bekannt sein. Was schade ist, skizzieren die Briefe doch das Bild einer Frau, der es an wenig mangelte; am wenigsten aber an Geist und Selbstbewusstsein.

1751 hat Wilhelmine den signifikantesten abgeschickt. Gäbe es gut 250 Jahre später eine dezidierte Feministin als Regierungschefin in Europa, und würde diese an den Nationaldichter eines Nachbarstaates so ein Begehren richten wie Wilhelmine an Voltaire - man würde die Luft anhalten ob der Vehemenz. Die Markgräfin wendet sich an "frère Voltaire", wird dann aber unvermittelt deutlich und rügt den Dramatiker für dessen Fixierung auf Männerrollen. Eine Frage hätte die damals 42-Jährige da mal an ihren Brieffreund: "Wäre es nicht möglich, dass Sie eines Ihrer Stücke für uns umschrieben und dort die zwei Hauptrollen an Frauen vergäben?"

Das ist mal ein gendermäßig offensiver Vorschlag, könnte man sagen. Voltaire antwortet ihr, offenkundig verdattert: "Um Himmels willen, versuchen Sie es in Bayreuth nicht, die Männer auszuschließen."

Im Übrigen lehnt er das Ansinnen Wilhelmines rundherum ab. Diese dürfte darüber schon deshalb nicht erfreut gewesen sein, weil sie selbst als Schauspielerin auf die Bühne drängte. Und dafür seit 1748 über die perfekte Spielstätte verfügte: das Opernhaus, von ihr und ihrem Mann, dem Markgrafen Friedrich, ersonnen, und von den italienischen Dekorations- und Theatermalern Guiseppe und Carlo Galli da Bibiena im Innern so exemplarisch spätbarock gestaltet, dass die Unesco das Haus 2012 als Weltkulturerbe auszeichnete.

Was vor sechs Jahren in Bayreuth für Euphorie sorgte, aber auch für Wehmut. Euphorie deswegen, weil die 74 000-Einwohner-Kommune seither offiziell von sich sagen darf, zwei der wichtigsten Opernhäuser der Welt in ihren Stadtgrenzen zu wissen: das Welterbe im Zentrum, Wagners Festspielhaus auf dem Grünen Hügel. Wehmut deshalb, weil schon kurz nach der Kür die Türen verschlossen blieben in Wilhelmines Opernhaus. Wegen Restaurierung.

Endlich erstrahlt dieses Haus wieder

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth nach der Restaurierung

Außen Stein, innen Holz: Für insgesamt 30 Millionen Euro ist das Haus saniert worden. Am 12. April wird es mit der Oper "Artaserse" wiedereröffnet.

(Foto: Schlösserverwaltung)

Diese ist abgeschlossen, am 12. April wird das Haus wiedereröffnet. Danach dürfen sich Besucher auf einiges gefasst machen. Beeindruckend war das Gebäude immer schon, aus der Zeit des Ancien Régime gibt es kein Opernhaus in dieser Größe, das die Jahrhunderte so unbeschadet überstanden hat. Das Logentheater ist im Inneren komplett aus Holz gezimmert, da ahnt man, wie anfällig vergleichbare Bauten für Feuer waren. Wer freilich das Haus 2012 besucht hat, erinnert sich noch einer Innen-Farbe, für die das Wort "Nato-Grün" die Runde machte. Vergleicht man alte Fotos mit heute, bleibt nur die Feststellung: Endlich erstrahlt dieses Haus wieder.

Und bietet das, was der Markgräfin vorschwebte: illusionistische Überwältigungsarchitektur. Auch das war bis 2012 anders, war doch in der Zeit nach Wilhelmine die Bühnenöffnung umgebaut und verkleinert worden zu einer Art Guckkasten. Das wurde nun rückgängig gemacht, der Zuschauer blickt jetzt wieder auf den Bühnenraum in ganzer Breite und glaubt sich vor einem Palast. Wer verstehen will, was illusionistische Theaterkunst vermag, sollte künftig eine Sonderführung in Bayreuth buchen.

Im Gegensatz zum normalen Tagesbesucher darf man als Gast solcher Führungen auch die Bühne betreten und sieht dort, dass man nicht etwa vor einem Palast steht, sondern neben bemalten, ausgeleuchteten Leinwänden; banalen Gegenständen im Grunde. Im Zuschauerraum werden einem die Knie vor Überwältigung weich - auf der Bühne dieser Desillusionierung wegen. "Wir sind sehr zufrieden damit", sagt Thomas Rainer, der zuständige Museumsreferent der Schlösserverwaltung: "Das Haus ist jetzt wieder der Prototyp des illusionistischen Barocktheaters."

Musikalisch bespielt wird das Haus nun auch wieder, allerdings nur im Sommer, mehr als 30 Aufführungen wären für das heikle Klima in dem Bau kaum zu vertreten. Wer alle Geschichten übers Opernhaus nachlesen will, wird sich noch etwas gedulden müssen: Am Museum im benachbarten Redoutenhaus wird erst gearbeitet. Dokumentiert wird dort sicher auch das Material, das der Historiker Martin Ott kürzlich erst entdeckt und so mit der Mär aufgeräumt hat, derzufolge das Haus im 19. Jahrhundert in einen Dornröschenschlaf gefallen ist.

Was die Hochkultur betrifft, mag das so gewesen sein. Dafür war nun Platz für Zirkuskünstler, sogar Seiltänzer und Ringkämpfer bevölkerten die Bühne. Als Krönung brachte der Wiener Impresario Louis Casanova 1858 ein Stück auf die Bühne, in dem Hauptrollen an tierische Primaten vergeben wurden: "Die wilden Affen treten als Soldaten auf, zeigen ihren Pass vor, spielen Geige, schlagen die Becken", notierte ein Rezensent, der aus Leipzig angereist war. Er zeigte sich sehr angetan von "Casanovas Affentheater".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: