Kuhglocken:Viel Gebimmel um nichts

Tierschützer fordern Verbot von Kuhglocken

Presslufthammer oder Halskette? In der Schweiz streiten Freunde und Gegner der Kuhglocken schon länger mit kuriosen Vergleichen.

(Foto: dpa)
  • Bauern, Tourismusverbände und Politiker in Bayern wehren sich vehement gegen ein Verbot von Kuhglocken.
  • Das fordert zwar bisher nur eine Tierschützerin aus der Schweiz. Sie beruft sich dabei aber immerhin auf eine Studie der Universität Zürich.

Von Lisa Schnell

Wer in Bayern angesichts grüner Almwiesen und schroffer Bergspitzen vor blauem Himmel von Disneyland redet, dem zeigt der Bayer vom Land gleich einen Vogel. Und wer an dieser Pracht auch noch etwas ändern will, gar Traditionen durch neumodische Technik zu ersetzen wünscht, der wird gleich dreimal für verrückt erklärt. Die Rede ist von der Kuhglocke. Sie liefert den Soundtrack zum bayerischen Heimatgefühl. Am Montag konnte man ihr Bimmeln aber kaum vernehmen, so laut war der Aufschrei, der durchs Land ging.

Auslöser war eine kleine Meldung: Der Deutsche Tierschutzbund in Bayern habe eine Abschaffung der Kuhglocken gefordert, hieß es. Das klang schlüssig. Schließlich tobt der Kampf um die Kuhglocke schon seit Längerem, vor allem in der Schweiz. Zu laut und zu schwer seien die Glocken für den zarten Kuhhals, meint dort Tierschützerin Nancy Holten.

Was hinter der Diskussion steckt

Für dieses Urteil wird der Holländerin mit einer Vorliebe für Energiekristalle von manchen die wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen. Sie beruft sich allerdings auf eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Die kam zu dem Schluss, dass Kühe mit Glocken weniger fressen und sich seltener ausruhen. Die Leiterin der Studie merkte an, dass eine Glocke mit 100 Dezibel so laut sei wie ein Presslufthammer.

Allerdings räumte sie ein, dass sich so eine Kuh an ihre Glocke gewöhnen könnte. So mancher Anwohner in der Schweiz und in Bayern kann das nicht. Er sorgt sich weniger um das Wohl der Kühe als um den eigenen Schlaf. Im oberbayerischen Holzkirchen wie auch in einem Weiler im Kanton Zürich verpflichteten deshalb Gerichte die Bauern dazu, ihre Tiere nachts ohne Glocken auf die Weide zu schicken. Und jetzt auch noch die angebliche Forderung der bayerischen Tierschützer.

Wie Bauern und Tourismusgesellschaft darauf reagieren

Max Kögel, zweiter Vorsitzender des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu, ist aufgebracht. 70 Kühe und Jungvieh hat er auf der Weide. "Einen Schaden im Kopf" habe die Dame aus der Schweiz. "Die soll mal ins Allgäu kommen und ein Stück Vieh suchen ohne Glock', am besten noch bei Nebel", wettert er los. Den Vorschlag, das alte Geläut durch ein neumodisches GPS-Band zu ersetzen, lehnt er ab. Den Chip müsse man einoperieren, das sei "schmerzlicher" als jede Glocke. Außerdem wären die Glocken nur beim Viehscheid jene fünf Kilo schwer, von denen die Schweizer Studie ausgeht. "Stolz wie eine schöne Frau" präsentierten seine Kühe da ihre Glocken. Von Leid keine Spur.

Ähnlich aufgeregt wie die Alpwirte ist Simone Zehnpfennig von der Tourismusgesellschaft Allgäu. Sie hat Angst, dass sich das Bergidyll ohne Ton nicht mehr so gut verkaufen lässt. Sogar Landwirtschaftsminister Helmut Brunner stimmt ein ins Geläut gegen das Verbot. Bei den ganzen Alarmglocken, die da plötzlich in Bayern bimmelten, ging aber eines völlig unter: Der Deutsche Tierschutzbund in Bayern fordert gar kein Kuhglockenverbot. Präsidentin Nicole Brühl meinte nur, dass sie, falls Kuhglocken erwiesenermaßen gegen den Tierschutz verstoßen würden, dann wohl gegen sie wäre. Erwiesen ist für sie aber noch nichts. Der Journalist, der sie interviewte, hatte sich wohl einfach verhört. Kann ja mal passieren, bei dem Glockenlärm in Bayern.

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