KT Guttenbergs Nachfolgerin:Die Lichtenfelser Korbstadtkönigin

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Baron zu Guttenberg ist Geschichte im Wahlkreis Kulmbach. Seine Nachfolgerin für das CSU-Direktmandat, die 26 Jahre alte Emmi Zeulner, ist sein Gegenentwurf: Wirtstochter, Krankenschwester - und absolut unadelig.

Von Katja Auer

Am Ende reicht es für die CSU nur für den vierten Platz. Faschingsverein, Feuerwehr und Soldatenkameradschaft waren besser im Apfelschnappen und Auf-Bierkisten-Balancieren. Und den Staffellauf in Schwimmflossen hat Emmi Zeulner auch nicht für die CSU entscheiden können. Es ist Kirchweihmontag in Reundorf, und es ist Wahlkampf.

"Der Guttenberg war auch schon bei uns, da war er schon Wirtschaftsminister", erzählt Gerhard Popp, der CSU-Ortsvorsitzende und Moderator der Dorfolympiade, und es klingt ein bisschen ehrfürchtig. Auf der Homepage der Reundorfer CSU sind die Bilder unter "Ministerbesuch" zu sehen: Guttenberg im gut sitzenden Anzug, Guttenberg beim Autogramme-Schreiben, die Limousine mit Blaulicht. Das waren noch Zeiten.

Emmi Zeulner ist mit ihrem Corsa gekommen, hat sich für die Spiele eine Jeans angezogen und viele Hände geschüttelt. Ein Autogramm will niemand.

Reundorf bei Lichtenfels gehört zu dem Landstrich in der oberfränkischen Provinz, auf den sich zwei kurze Jahre lang die Scheinwerfer der Boulevardpresse richteten. Um dann schnell wieder abzuschwenken, als Karl-Theodor zu Guttenberg über seine abgeschriebene Doktorarbeit und der Wahlkreis Kulmbach zurück in die Bedeutungslosigkeit stürzte. Im Kanzleramt hatten sie ihren Baron, der so schön reden konnte, schon gesehen, bis sein kometenhafter Aufstieg im Verteidigungsministerium abrupt endete und Karl-Theodor zu Guttenberg nun doch nur eine politische Sternschnuppe am Himmel über Berlin bleiben wird. Aber in Oberfranken strahlt er immer noch.

Guttenberg posierte auf dem Times Square, Emmi Zeulner besucht Ebensfeld

Das macht es nicht leichter für Emmi Zeulner. Die 26-Jährige will für die CSU in den Bundestag. Eine junge Krankenschwester, die ihre Kindheit nicht im Schloss, sondern im Wirtshaus "Eiserne Hand" verbrachte. Dort hat sie früh mit angepackt, dort hat sie sich früh für die politischen Gespräche am Stammtisch interessiert. Und ist als Brunzkartlerin eingesprungen, wenn einer aus der Schafkopfrunde mal austreten musste. Ihr Adelstitel ist der der Lichtenfelser Korbstadtkönigin.

Nach Berlin will sie, "um etwas für die Region zu erreichen", das sagt sie oft. Guttenberg posierte auf dem Times Square in New York, Emmi Zeulner besucht erst mal das Bauunternehmen Raab in Ebensfeld.

Dort hat man Probleme mit einer geplanten Abfallrichtlinie. Es geht um den Aushub und wo der künftig verfüllt werden darf oder nicht, ein kompliziertes Thema. Acht Männer am Tisch - und Emmi Zeulner. Der Landtagskandidat hebt mit ausladenden Handbewegungen zu einer Wahlkampfrede an, in der es darum geht, dass Bulgarien und Rumänien erstmal so weit kommen müssten, bevor man in Deutschland Abfallgesetze verschärfe. Das soll wahrscheinlich souverän klingen.

Zeulner sagt, sie müsse jetzt noch mal "doof nachfragen", und schreibt die Antwort in ein kariertes Büchlein mit blauem Umschlag. Das klingt offen. Mit 26 Jahren muss sie nicht so tun, als ob sie schon alles wüsste.

Das meint auch der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner. Er ist der CSU-Kreisvorsitzende und Mentor der Kandidatin. "Niemand hatte einen zweiten Guttenberg im Schrank", sagt er. Der Wahlkreis brauchte einen Neustart, und den konnte es seiner Meinung nach nur mit einem Gegensatz geben. Mit einer Frau also, daheim fest verwurzelt, einer, "die noch reinwächst", sagt Meißner. Die Weltpolitik ist jetzt erstmal vorbei im Wahlkreis Kulmbach.

"Die Emmi" kann gut mit den Leuten

Eine Anfängerin ist Emmi Zeulner dabei nicht. Seit 2008 sitzt sie im Stadtrat und im Kreistag. Man kennt "die Emmi", sie kann gut mit den Leuten. Dennoch war es eine Überraschung, als sie sich im Januar bei der Aufstellungsversammlung durchsetzte. Gegen zwei Männer, einer davon der langjährige Büroleiter Guttenbergs, der als Favorit galt.

Das schwierige Erbe des beliebten Barons tritt Zeulner gelassen an. "Ich hätte auch kandidiert, wenn es Guttenberg nicht gegeben hätte", sagt sie. Ein paar Mal sind sie sich begegnet, sie findet bewundernswert, dass er sogar im August ein Bierzelt füllen konnte. Und dass sie nun die viele Aufmerksamkeit seinetwegen bekommt, ist ihr bewusst. "Wenn ich dadurch was für die Region erreichen kann, ist es gut", sagt sie. Das ist ihr Thema. Ihre Heimat.

Eine Gegend, die mit Ausnahme der Universitätsstadt Bamberg vom demografischen Wandel gebeutelt wird, der Fachkräftemangel droht. Beim Bauunternehmen Raab erzählt Geschäftsführer Wolfgang Schubert-Raab, dass er jetzt ein Lehrlingshaus bauen will, um Nachwuchs aus anderen Bundesländern anzuwerben, weil er daheim keine Lehrlinge mehr findet.

Probleme, die am ehesten die CSU lösen kann, glaubt Zeulner, weil sie den Menschen Eigenverantwortung überlasse und nicht alles staatlich regeln wolle. Sie vertritt die Zielgruppe, die die CSU sonst schwer erreicht. "Jung, weiblich - und deswegen in der CSU", sagt sie selber. Die Nähe zum konservativen Lager zeigte sich schon früh, sie mochte Helmut Kohl, "weil der so einen dicken Bauch hatte wie mein Papa".

Sie ist getroffen, wenn jemand ihr beim Basteln Schummelei vorwirft

Sie ist gelernte Krankenschwester, machte das Abitur nach und studiert nebenbei European Economic Studies in Bamberg. Aber zurzeit ist der Wahlkampf wichtiger. Ihre Termine organisiert sie selber, sie sei überall, sagt sie, "ich bin ja froh, wenn ich als Kandidatin eingeladen werde". Zwischen zwei Terminen schnell in die CSU-Geschäftsstelle nach Lichtenfels, wo auch Monika Hohlmeier ihr Büro hat. Post ist da, eine Anfrage auf dem Anrufbeantworter. Im Fotostudio nebenan müssen die Bilder für das Wahlplakat ausgesucht werden, Emmi Zeulner ist kritisch mit sich. "Ich häng mich voll rein, mit meiner ganzen Kraft, mit allem, was ich hab", sagt sie.

Sogar beim Rohrleitung-Basteln auf der Reundorfer Kirchweih. Das CSU-Team bekommt nur wenig Beifall, Schummelei vermutet gar jemand. Das trifft die junge Politikerin, so abgebrüht ist sie noch nicht. Deswegen hat sie auch "überhaupt kein Verständnis" für die Verwandtenaffäre im Landtag, weil so etwas die Politikverdrossenheit befördere.

Der Stimmung in Reundorf tut es ganz gut, dass die CSU nur Vierte wird. Bei der Bundestagswahl will Zeulner mehr. Guttenberg holte im traditionell schwarzen Wahlkreis zuletzt das Rekordergebnis von 68,1 Prozent der Erststimmen. Für einen Erfolg reicht Emmi Zeulner auch weniger. Es sind neue Zeiten im Wahlkreis Kulmbach. Normalzustand.

© SZ vom 29.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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