Krisenkonferenz :Asylproblematik in Niederbayern spitzt sich zu

Krisenkonferenz : Für die kommunalen Jugendämter sind vor allem die vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eine große Herausforderung.

Für die kommunalen Jugendämter sind vor allem die vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eine große Herausforderung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kommunen schlagen wegen der ständig wachsenden Zahl unbegleiteter Minderjähriger Alarm - Erstaufnahmeeinrichtung in Deggendorf schon überbelegt

Von Dietrich Mittler

Bayern will die Asyl-Problematik auf ganz großer Bühne lösen. Nach der Kabinettssitzung vom Dienstag traten die bayerische Europaministerin Beate Merk und Gerd Müller, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gemeinsam vor die Fernsehkameras, um ihre Geschlossenheit zu demonstrieren. Gemeinsam forderten die beiden CSU-Politiker, dass Europa einen solidarischen Verteilungsschlüssel für die Verteilung der Flüchtlinge brauche, dass auch Russland operativ eingebunden werden müsse, um den Mittelmeer-Raum wirtschaftlich wie politisch zu stabilieren - und dass man Italien angesichts der vielen Bootsflüchtlinge jetzt verstärkt unter die Arme greifen müsse.

Während die Staatsregierung den Fokus auf die Weltpolitik richtet, gärt es jedoch in Niederbayern - und zwar so gewaltig, dass Regierungspräsident Heinz Grunwald die niederbayerischen Oberbürgermeister und Landräte zu einer Krisensitzung nach Landshut einbestellen musste. "Die Situation bei den Zugangszahlen von unbegleiteten Minderjährigen ist dramatisch", teilte Grunwald mit. Seit Oktober 2014 hat sich die Zahl jugendlicher Asylbewerber, die ohne die Begleitung ihrer Eltern oder anderer Verwandter in Niederbayern eingereist sind, mehr als verdoppelt - auf derzeit 489. "Es müssen dringend weitere Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden", so lautet Grunwalds Fazit. Und wenn das nicht auf freiwilligem Wege klappe, dann so der unüberhörbare Wink der Regierung von Niederbayern, dann seien "auch Zwangszuweisungen möglich."

Insbesondere Passau ächzt unter der Belastung. Die Stadt musste im ersten Quartal 2015 bereits 216 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge in Obhut nehmen. Aufs Jahr hochgerechnet bedeute das einen Zugang von 800 bis 1000 unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen, um die sich das städtische Jugendamt kümmern soll. Das "vergleichsweise kleine Jugendamt" sei mit der Aufgabe aber "völlig überfordert", heißt es in einem schriftlich fixierten Notruf, den Passau an den Bayerischen Städtetag absetzte. Es müsse viel mehr Personal eingestellt werden, um der Lage Herr zu werden. Aber der Freistaat Bayern weigere sich, die entstehenden Kosten zu ersetzen.

Mit diesem Vorwurf hatte Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) auch Sozialministerin Emilia Müller (CSU) öffentlich konfrontiert, was diese umgehend zurückwies: "Wir lassen die Kommunen nicht allein - auch nicht bei den Verwaltungskosten."

Am Dienstag versuchten der OB und die Ministerin, den Konflikt durch ein persönliches Gespräch zu entschärfen. Spätestens da wurde Müller - zurück vom weltpolitischen Exkurs im Kabinett - wieder in politische Niederungen zurückkatapultiert. "Auch Herr Dupper hat kein Interesse, da irgendetwas eskalieren zu lassen", hieß es aus dem Ministerium. Und es sei zwar klar, dass der Unterhalt der Jugendämter eben eine kommunale Aufgabe darstelle. Gleichwohl sei man bereit zu helfen.

Neben Passau ist es vor allem Rosenheim, das - allein durch die Fluchtrouten bedingt - viele unbegleitete jugendliche Flüchtlinge aufnehmen und betreuen muss, sobald diese auf bayerischem Boden aufgegriffen werden. In Rosenheim indes hat sich die Lage etwas entspannt, weil die jungen Leute relativ rasch an andere bayerische Kommunen weitergeleitet werden. Für Niederbayern aber galt bisher nach Aussage des Sozialministeriums eine Sonderregelung: Hier wurden die in Passau eintreffenden jugendlichen Flüchtlinge lediglich auf Gemeinden im Regierungsbezirk verteilt. Und genau das ist das Problem von Regierungspräsident Grunwald: Es fehlt an Unterbringungsplätzen.

Zumindest eine vorläufige Entlastung brachte jetzt das Treffen von OB Dupper mit der Ministerin: Ein Teil der Jugendlichen werde nun doch über Niederbayern hinaus landesweit verteilt, hieß es im Ministerium.

Aber: Es sind aber nicht allein die jugendlichen Flüchtlinge, die Grunwald Sorgenfalten ins Gesicht treiben. "Auch die Zugangszahlen von erwachsenen Asylbewerbern in Niederbayern sind dramatisch", lässt die Regierung wissen. Derzeit seien 8300 Asylbewerber unterzubringen. "Es wird bei den Zugängen eine weitere Zuspitzung erwartet", hieß es. Daher seien Landratsämter und kreisfreie Städte aufgerufen, Plätze zu schaffen. Auch die neue Erstaufnahme-Einrichtung in Deggendorf - zu Jahresbeginn noch als große Entlastung gefeiert - ist nach Angaben der Regierung längst an der Belastungsgrenze angelangt. "Aufgrund der hohen Zugangszahlen reichen die Kapazitäten in der Erstaufnahme-Einrichtung bei weitem nicht aus", ließ Grunwald wissen.

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