Urkundenfälschung:Wie Bayern gegen gefälschte Papiere vorgeht

Bundeskriminalamt in Wiesbaden BKA Informationssammlung Urkunden ISU Datei zum Erkennen von

Gerade bei ausländischen Papieren ist es nicht so einfach festzustellen, ob diese wirklich echt sind - neben Materialien und Farben kommt es auf zahlreiche individuelle Sicherheitsmerkmale an.

(Foto: imago/photothek.net)
  • Für 2016 weist Bayerns Kriminalstatistik bei Urkundenfälschungen ein starkes Plus auf.
  • Dokumentenprüfgeräte der Bundesdruckerei können Behörden helfen, gefälschte Dokumente zu erkennen.
  • Doch die flächendeckende Einführung der Geräte ist noch nicht absehbar.

Von Johann Osel

Verdacht erregen wird gleich ein rumänischer Ausweis, oben die Farben der Landesflagge, blau-gelb- rot, darunter die Daten, links das Foto des Besitzers - ein ernst blickender Mann mit Schnauzbart. Eben der wartet am Schalter des Einwohneramts Nürnberg, will sich in der Stadt anmelden. Die Mitarbeiterin bringt den Ausweis kurz hinter eine Wand. Da steht ein kantiges, hellgrünes Ding: ein Dokumentenprüfgerät der Bundesdruckerei.

Seit dem Frühjahr hat das Amt zwei in Betrieb; unscheinbar sehen sie aus, ein Aufklappfach, ein Scanner im Inneren. Spektakulär ist die Software: Sie erkennt Dokumente aus aller Welt, aus fast allen Staaten. Spanische Pässe, Ausweise vom Balkan, Führerscheine arabischer Länder; sie prüft die Merkmale, die das Dokument jeweils hat. Oder auch nicht - im Falle einer Fälschung. Die Dame vom Amt schiebt also die rumänischen ID-Karte hinein. Dort, wo eben noch der Bildschirmschoner war, die Silhouette der Nürnberger Altstadt, läuft das Prüfprogramm. Sekunden später ein rotes Kreuz. Warnung! Der Pass hat Mängel.

Für 2016 weist Bayerns Kriminalstatistik bei Urkundenfälschungen ein starkes Plus auf - was dafür verantwortlich ist, zeigen Detaildaten, die das Innenministerium auf Anfrage bereitstellt: Missbrauch von Ausweisen und Verschaffen gefälschter Dokumente. Knapp 3000 solcher Fälle registrierten die Behörden, in weniger als einem Fünftel waren Deutsche tatverdächtig. Die Dunkelziffer an Fälschungen dürfte viel höher sein. Das Magazin "ZDF Zoom" zeigte neulich, wie einfach es ist, falsche Papiere zu erwerben, in Serbien oder in der Türkei.

Wenige hundert Euro, ein Tag Warten - in dem Fall für einen imitierten französischen Ausweis. Und die Reporter zitierten einen hochrangigen Kriminalbeamten, wonach Hunderttausende falsche Identitäten bundesweit im Umlauf seien. Es gibt Flüchtlinge, die mit gefälschten Pässen einreisen oder Geburtsdaten abändern; mit falschen Identitäten kann man aber grundsätzlich Behörden überlisten, Sozialhilfe kassieren, illegale Geschäfte planen. Oder sich allerlei Vorteile verschaffen.

Zwei Beispiele aus jüngster Zeit: In Freilassing flog ein Iraker auf, der einen falschen griechischen Pass nutzte, um trotz Asylverfahrens durch Europa zu reisen; in Neu-Ulm meldete sich ein Ukrainer mit unechtem rumänischen Pass bei der Stadt an, um arbeiten zu können. Für Straftaten aller Art können Kriminelle, unabhängig von der Nationalität, falsche Papiere nutzen, um etwa Verträge abzuschließen. Als polizeilich gemeldete Bürger. Wer im Meldeamt nicht auffliegt, wird nicht hinterfragt.

Olaf Kuch, Dienststellenleiter in Nürnberg, sagt: Verdachtsschwerpunkt sind EU-Pässe, sie gehen nicht über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) oder Botschaften und Ausländerbehörden. "Die tauchen erstmals bei uns auf - und oft nur bei uns." Für die Registrierung von Flüchtlingen ist das Bamf zuständig. Man darf davon ausgehen, dass es gründlichst alle Papiere prüft, auch wenn es diesbezüglich bereits Klagen gegeben hat. Dazu heißt es aus dem Innenministerium diplomatisch: Man begrüße, dass das Bamf eine lückenlose Dokumentenüberprüfung auf hohem technischem Niveau "gewährleisten möchte".

Unabhängig davon bleiben also Meldeämter als mögliches Einfallstor. "Es gibt sicher zahlreiche Meldebehörden, die personell und technisch nicht in der Lage sind, eine erste Prüfung vorzunehmen", sagt Kuch. Es gebe zwar Schulungen, Mitarbeiter kennen Materialien, Farben, Wappen; es gebe einen Draht zur Polizei. Kuch aber wollte Prüfgeräte für den Amtsalltag, mietete sie über den lokalen Etat. Wenn das Haus voll ist, die Leute in Schlangen anstehen, kann nicht bei jedem Pass einer mit der Lupe anrücken. Mal drei, mal fünf, mal mehr Verdachtsfälle auf Fälschung zählt man jetzt allein im Nürnberger Amt pro Woche.

Urkundenfälschung: Die Software des Prüfgeräts wird laufend aktualisiert, weil sich auch die Pässe weltweit ändern.

Die Software des Prüfgeräts wird laufend aktualisiert, weil sich auch die Pässe weltweit ändern.

Vor dem Einsatz der Geräte seien es weniger gewesen, es wurden wohl weniger erkannt; nach dem Start sei die Zahl kurz nach oben geschnellt. Kuch vermutet "Verdrängungseffekte" ins Umland. Das Aufrüsten spreche sich herum, zumal bei organisierten Fälscherbanden. "Wer Böses will, meidet das Risiko." Oft spüre die Polizei im Umfeld überführter Betrüger weitere Fälschungen auf. Bayernweit gibt es mehr als 2000 Meldeämter. Der Dienststellenleiter glaubt, die Geräte sind "die absolute Ausnahme". Eine Stichproben-Umfrage der SZ untermauert das.

Daten zur Abdeckung der Gemeinden mit Geräten liegen nicht vor, teilt das Ministerium mit. Der Einsatz moderner Prüftechniken werde "grundsätzlich begrüßt". Auch hätten Kommunen die Möglichkeit, auf eine Datenbank zuzugreifen und Echtheitsmerkmale einzusehen; zudem werden Seminare angeboten, und da wäre noch die Polizei. Ob das reicht?

Wenn sich ein Verdacht erhärtet, wird die Polizei gerufen

Die Bundesdruckerei bewirbt die Geräte so: Selbst wenn alle Mitarbeiter geschult wären und Routine hätten, sei die "umfassende Prüfung aller Fälschungsmerkmale schlichtweg nicht möglich". Oft sei die Zeit knapp, das Gerät biete eine schnelle, einfache Lösung "zur Abwehr krimineller Aktivitäten". Behörden ohne Geräte und ohne geschulte Mitarbeiter rufen oft gleich die Polizei, falls sie auf einen Anfangsverdacht stoßen - da gibt es aber womöglich eine gewisse Hemmschwelle. Die Landespolizei verfügt über gut 100 Prüfgeräte.

In Nürnberg gehören die grünen Kästen zum Inventar. Bei nicht-deutschen EU-Pässen gibt es den Check meistens, bei Verdacht sowieso. Sonst Stichproben. Wer vorne am Schalter steht, weiß nicht, was da stattfindet hinter der Wand. Der Mann mit dem Schnauzer wartet noch. Was genau nicht stimmt bei dem Pass, zeigt der Bildschirm nicht an; im Regelfall werden die konkreten Mängel aufgelistet. Ein Mitarbeiter nimmt die ID-Karte in die Hand, lässt sie auf den Tisch fallen, hört hin. Klack-klack-klack, es klingt, wie es klingen soll, sagt er.

Dann UV-Licht, leuchtende verwinkelte Symbole sind auf dem Pass zu sehen. "Sieht gut aus." Noch mal Befühlen. "Das Gerät ist so eingestellt, dass es lieber einmal zuviel anschlägt als zu wenig", weiß der Mitarbeiter. Schon Abnutzungsspuren können Alarm schlagen. Der Pass aber ist echt, "99 Prozent". Die Kollegin geht zum Schalter, der Mann mit dem Schnauzbart wird zum Nürnberger.

Hätte sich der Pass als mutmaßliche Fälschung entpuppt, hätten sie die Polizei gerufen, heimlich. Die Mitarbeiterin hätte geschauspielert, den Mann hingehalten. Keine Konfrontation und ja keine Eskalation - nicht umsonst gibt es im Behördenkomplex Einlasskontrollen. Dass Amtstermine heute zuweilen mit Messern absolviert werden, beweist die Kiste zeitweilig konfiszierter Dinge.

Die Polizei wird aber in jedem Fall gerufen, wenn sich ein Verdacht erhärtet. "Außer bei offensichtlichen Fälschungen würden wir uns hüten, felsenfest etwas als falsch zu bezeichnen", sagt Kuch. So gebe es Länder, in denen Ausweise dezentral fabriziert werden, mit Abweichungen. An diesem Nachmittag wird in Nürnberg kein Betrüger vorstellig, das Gerät setzt stets einen Haken.

Würde der Freistaat überall Prüfgeräte vorschreiben, müsste er das bezahlen. Im Innenministerium heißt es: Beschaffung und Betrieb seien "mit nicht unerheblichen Aufwänden verbunden". Man stehe in Kontakt mit dem Bund und den anderen Ländern, "um eine möglichst kostengünstige Beschaffung auch auf Länderebene zu gewährleisten". 2000 Euro kostet ein Gerät, gut 150 im Monat das Leasing. Die Berliner Innenbehörde, meist nicht als Klassenprimus der deutschen Sicherheitspolitik bekannt, will Medienberichten zufolge bis Mitte 2018 alle Bezirke versorgen.

"Das Bewusstsein für die Lücke ist da, in größeren und mittelgroßen Städten auf jeden Fall - dort, wo Zuwanderung stattfindet und sichtbar wird bei Behörden," sagt Kuch. So meldet etwa Ingolstadt den Einsatz solcher Geräte. In wenigen Städten, zeigt die Umfrage, erwägt man das. Und alle Ämter? Es wäre "aus Sicherheitsgründen sicher wünschenswert", wenn auch kleinere Gemeinden derart modern ausgestattet wären, meint ein Sprecher des Bayerischen Gemeindetags. Da man ja das Passwesen für den Bund erledige, müsste aber dieser Geld oder gleich die Geräte bereitstellen.

Gemeinden dürften allerdings, rechnet die Bundesdruckerei vor, mit einem einzigen verhinderten Sozialbetrugsfall die Kosten gedeckt haben. Gleichwohl hört man in Kommunen, wo es statt Schalterhallen Büros gibt, Zweifel; und das offenbart ein Dilemma. "Was passiert, wenn wir Prüfgeräte hätten und falsche Pässe entdecken", fragt der Sprecher einer Kleinstadt. "Dann müssten wir auch einen Sicherheitsdienst einstellen - oder gleich als Sachbearbeiter nur Zwei-Meter-Männer."

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