Kriminalität:Bei Anruf Betrug

Das LKA warnt vor der "Nigeria Connection", die vorwiegend älteren Menschen mit fingierten Lotteriegewinnen viel Geld aus der Tasche zieht.

Manfred Hummel

Bei Katharina Müller klingelt das Telefon. Die Frau, deren Namen wir geändert haben, schaut in einer Mischung aus Angst und Nervosität auf den Apparat. Soll sie drangehen? Schließlich ringt sie sich durch und nimmt den Hörer ab. "Ja, hallo", sagt sie zaghaft in die Muschel, ohne ihren Namen zu nennen. Doch diese Vorsichtsmaßnahme hat längst keinen Sinn mehr. Denn der Mann am anderen Ende weiß ganz genau, wen er da am Hörer hat.

Mal meldet er sich mit Chavez, ein andermal heißt der Anrufer Wawo oder Klint. Allen gemeinsam ist, dass ihre Namen falsch sind. Sie gehören der berüchtigten "Nigeria Connection" an, Banden aus Nigeria, die seit Mitte der 1980er Jahre gutgläubigen, meist älteren Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Inzwischen agieren sie aus Spanien, England, Kanada und den Niederlanden. Weil das "Geschäft" so gut läuft, sind sie sogar dabei, eine "Filiale" in Deutschland zu gründen.

Die Tricks der Afrikaner lassen sich unter dem Begriff "Vorauszahlungsbetrug" einordnen. Das geschieht beispielsweise mittels der "Euro Milliones Loteria Primitiva", um nur einen der zahlreichen Phantasienamen zu nennen. Von Barcelona und Madrid aus gaukeln die wortgewandten Betrüger Rentnern per Telefon, Fax oder E-Mail einen Millionengewinn in besagter Lotterie vor.

1.231.620 Euro sollen es laut Fax bei Katharina Müller sein. Das Geld sei in drei Tagen auf ihrem Konto, locken die Anrufer. Die "Gewinnerin" müsse nur noch vorab "Transfer-Gebühren" oder "Bankprovisionen" nach Spanien überweisen. Dabei handelt es sich meist um Beträge von mehreren tausend Euro. Sie solle auch mit niemandem darüber reden, sonst gefährde sie ihren "Gewinn".

"Irgendwie hat der Mann uns am Telefon so überzeugt und es so glaubhaft rübergebracht", sagte Horst M. (Name geändert) im Bayerischen Fernsehen, "dass wir immer davon ausgegangen sind, dass uns der Mensch nicht betrügt."

In Wirklichkeit ist das Geld weg und der Millionengewinn nicht mehr als ein schöner Traum. Doch die Aussicht auf einen hohen Gewinn scheint viele Menschen leichtsinnig und leichtgläubig zu machen.

"Die Leute sind gierig, das ist ein geschickter Trick", sagt Petra von Rhein, Juristin der Verbraucherzentrale Bayern. Dabei müsste eigentlich jeder wissen, dass einem heutzutage nirgendwo etwas geschenkt wird. Seit Mitte des Jahres verzeichnet das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) 102 einschlägige Delikte, dabei kam es in 44 Fällen zu Überweisungen an die Gangster. Der Schaden liegt bei 370.000 Euro. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. "Nur ein Bruchteil der Leute meldet sich bei uns", sagt LKA-Sprecher Ludwig Waldinger, "weil sie sich schämen."

Für die Beamten ist es schwierig, den Betrügern auf die Spur zu kommen. Telefoniert wird von ständig wechselnden Kartenhandys. Und das Geld der Rentner fließt auf Nummernkonten, die, wie in einem Fall in Bad Wörishofen, eine Stunde nach Eingang der Überweisung geräumt werden.

Die Betrüger bewegen ihre Opfer außerdem dazu, die Vorauszahlungen über die "Western Union Bank" zu tätigen, bei der es keine Deckung für die Überweisung gibt.

Trotzdem sind der Polizei Schläge gegen die "Nigeria Connection" gelungen. So seien im vergangenen Jahr in Spanien 19 Mitglieder festgenommen und verurteilt worden, berichtet der LKA-Sprecher. Sie hätten einen Millionenschaden angerichtet. Es habe aber keinen Sinn, einzelne Täter zu verfolgen. "Wir wollen den Kopf der Bande."

Deshalb sammle die Polizei alle deutschen Fälle und gebe sie an Europol oder Interpol weiter. Von dort würden die spanischen Behörden informiert, die dann die Ermittlungen aufnähmen. Allerdings ist das noch keine Geld-zurück-Garantie. "Wenn der Täter nichts hat, ist auch nichts zu holen", sagt Waldinger.

Kritische Stimmen behaupten gar, die spanische Polizei kooperiere nicht sehr gut und auch Europol lasse den nötigen Elan vermissen. Die Festnahmen von 2006 seien ein Erfolg dieser Zusammenarbeit, hält jedoch der LKA-Mann dagegen.

Ihre Opfer finden die Betrüger über Adressbücher, über Gewinnspiele im Internet sowie über Lotterien, die per Post in den Briefkasten flattern. Wer teilnimmt und seine Adresse angibt, wird hineingezogen in den Strudel der aggressiven Geschäftemacher. Die Adressen werden weiterverkauft und gelangen so in Umlauf.

Am Freitag warnte das LKA vor der neuesten Masche: Hintermänner der Connection eröffnen unter falschen Namen und Hoteladressen Bankkonten in Bayern und besorgen sich Scheck-Vordrucke. Die füllen sie mit hohen Beträgen aus und schicken sie den Opfern als "Beweis" für den Gewinn. Dazu gibt es den Hinweis, dass die Schecks gesperrt würden, wenn man nicht sofort 10.000 Euro überweise.

Ältere Menschen, die alleine leben, durchschauen diese psychologischen Tricks oft nicht mehr und geraten so in einen Teufelskreis.

Mit 2000 Euro geködert

Wie die 80-jährige Katharina Müller. Die Connection hat sie mit 2000 Euro "angeködert", heißt es im Kriminal-Jargon. Aus Angst, den großen Gewinn zu verlieren, folgte Überweisung auf Überweisung. Dazwischen meldeten sich die Anrufer aus Spanien und wickelten ihr Opfer immer mehr ein.

Fast 17.000 Euro hat die Rentnerin so im Verlauf von eineinhalb Jahren geschickt, vom Millionengewinn aber bis heute nichts gesehen. Genauso wie eine 67-jährige Frau aus Kaufbeuren im Ostallgäu. Sie hat 44.000 Euro nach Spanien transferiert. Nachdem sie an einer australischen Lotterie teilgenommen hatte, kam ihr der Gewinn zunächst nicht spanisch vor.

Die Juristin vom Verbraucherschutz nennt auch den Fall eines wohlhabenden Pensionärs. Als der Sohn den Vater in ein Pflegeheim bringen wollte, stellte sich heraus, dass kein Geld mehr da war. Der Senior hatte Vorauszahlungen in Höhe von 180.000 Euro geleistet. Es ist auch schon vorgekommen, dass Geschädigte nach Spanien fuhren, um ihr Geld zurückzuholen. "Sie wurden zusammengeschlagen und konnten froh sein, dass sie überlebt haben", berichtet Petra von Rhein.

Im Fall von Katharina Müller schöpfte die Leiterin jener Bankfiliale Verdacht, bei der die Seniorin ihr Konto hat. Sie alarmierte die Polizei. So wurden weitere Zahlungen an die "Nigeria Connection" verhindert. Katharina Müller wird aber immer noch nervös, wenn das Telefon klingelt.

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