Kreuzberg:Weiberwirtschaft

Angelika Somaruga betreibt Gaststätte und Brauerei des Franziskaner-Klosters auf dem Kreuzberg in der Rhön. Als erste Frau seit 1731. Das hat anfangs nicht jedem gefallen. Trotzdem: Inzwischen sieht man ihre Handschrift im ganzen Betrieb

Von Katja Auer, Kreuzberg

Drinnen an der Schänke holen die Gäste ihr Bier. Dunkel und süffig und nicht überall zu bekommen, weil die Klosterbrauerei nur in Fässer abfüllt. Um die Ecke bestellen sie Grillhaxen und Linseneintopf und manchmal eine Kerze. Oder eine Messe. Denn die Klosterwirtschaft am Kreuzberg ist eben doch keine ganz normale Gaststätte.

"Glauben und genießen", heißt der Slogan und er beschreibt recht genau, was die Menschen auf den Kreuzberg treibt. Die Wallfahrt gibt es schon viele hundert Jahre, 686 soll der heilige Kilian, einer der drei Frankenheiligen, ein Kreuz auf dem Berg errichtet haben. Ende des 17. Jahrhunderts ließ der Würzburger Fürstbischof das erste Kloster bauen und die Franziskaner zogen auf den Berg. 1731 kam schon die Brauerei dazu. Es ist ein wichtiges Datum für den Kreuzberg, da macht sich längst niemand mehr etwas vor. Das Bier gehört genauso zum heiligen Berg der Franken wie die Klosterkirche und die drei Kreuze auf fast 1000 Meter Höhe.

Kreuzberg: Die erste Frau seit Jahrhunderten an der Spitze der Klosterbetriebe auf dem Kreuzberg: Angelika Somaruga.

Die erste Frau seit Jahrhunderten an der Spitze der Klosterbetriebe auf dem Kreuzberg: Angelika Somaruga.

(Foto: Matthias Hoch)

1901 schrieb der spätere Kardinal Faulhaber ins Gästebuch: "Den Kreuzberg herauf kam ein endloser Zug, die einen zur Kirche, die anderen zum Krug." So ist es immer noch. Bis zu 700 000 Besucher kommen jedes Jahr auf den Berg in die Rhön. Viele Wallfahrer sind darunter und viele Gäste aus der Umgebung. Der Kreuzberg gehört zu der Gegend wie der Dom zu Köln, sogar ein Lied wurde auf ihn gedichtet.

Angelika Somaruga kennt den Berg von klein auf und heute ist sie die Chefin oben. Sie leitet den Wirtschaftsbetrieb, als erste Frau in der Geschichte des Kreuzbergs. Das hat nicht jedem gefallen, schließlich hatten zuvor immer die Patres selbst die Geschicke der Brauerei und der Wirtschaft gelenkt. Nun kümmern sich die verbliebenen fünf Franziskaner um das geistliche Wohl der Besucher und Angelika Somaruga ist für den Wirtschaftsbetrieb mit den 70 Mitarbeitern verantwortlich. "Das ist mein Traumberuf", sagt sie, auch wenn sie sich manche Kritik anhören musste. "Weiberwirtschaft", hat ein Gast geschimpft, aus der Klostergaststätte sei eine Weiberwirtschaft geworden. Aber Angelika Somaruga hat es ausgehalten. Anderthalb Jahre ist sie schon die Chefin auf dem Berg und seitdem hat sich einiges geändert. "Man sieht es schon", sagt sie. Die Dekoration ist anders geworden, ein bisschen liebevoller vielleicht, sie achtet mehr auf die Details. Auch das hat nicht allen gefallen, weil es halt schon immer so war. In der alten Wirtschaft will Somaruga vorsichtig die Bausünden der 1960er Jahre beseitigen. Den Fürstensaal hat sie schon renovieren lassen, statt der Styropor-Fliesen hängt jetzt Stuck an der Decke. Von der Wand blicken die Fürst-Äbte vergangener Tage und König Ludwig I. Nicht, weil sie den in Unterfranken besonders verehren, aber immerhin war es der König, der den Fortbestand des Klosters sicherte, nachdem in der Säkularisation die Wallfahrt verboten worden war. Heutzutage ist die Tradition längst wieder etabliert, bis zu 80 Wallfahrten kommen jedes Jahr auf den Kreuzberg.

Kreuzberg: Unterstützt wird Angelika Somaruga von ihrem Bruder Wolfgang, der in der Backstube arbeitet.

Unterstützt wird Angelika Somaruga von ihrem Bruder Wolfgang, der in der Backstube arbeitet.

(Foto: Matthias Hoch)

Als nächstes will sich Angelika Somaruga die Toiletten vornehmen, der Zugang "sieht aus wie ein U-Bahnhof", sagt die Geschäftsführerin. Tatsächlich verbreitet der gekachelte Vorraum wenig Charme, sie will den Gasthof nun Stück für Stück in seinen früheren Zustand zurückversetzen. Das Geld dafür muss der Betrieb selbst erwirtschaften.

Die Zimmer allerdings, in denen Gäste übernachten können, die sind immer noch sparsam eingerichtet, ohne Fernseher. Das will die Chefin auch so lassen. Schließlich suchen viele die Ruhe, die herauf kommen auf den Kreuzberg. Einmal hat sich ein Gast beklagt über "diese Bude", der wusste allerdings nicht, dass er mit der Geschäftsführerin sprach, als er der Dame vor der Tür sein Leid wegen der Einrichtung klagte. Viele stört das nicht. Es gibt Stammgäste, die schon seit 30 Jahren kommen.

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In der Backstube im Gasthof Elisäus, dem zweiten Wirtshaus am Kreuzberg, der seit ein paar Jahren zum Klosterbetrieb gehört, steht Bruder Wolfgang. Er ist der einzige Franziskaner, der noch in der Gaststätte mitarbeitet. Vor fast 30 Jahren ist er in den Orden eingetreten, seitdem hat er in verschiedenen Klöstern als Koch und Konditor gearbeitet. "Das ist hier etwas besonderes", sagt er. Weil die Wirtschaft eben dazu gehört. Draußen auf der Theke stehen schon Kirschkuchen und Schokosahne und eine Mandarinen-Pistazien-Torte. Es gibt einige Besucher die wegen der Kuchen von Bruder Wolfgang auf den Kreuzberg kommen.

Und natürlich wegen der Kirche. Ein Gnadenbild gibt es zwar nicht auf dem Kreuzberg, aber die Pilger kommen dennoch mit ihren Anliegen. In der kleinen Kapelle brennen immer ein paar Kerzen.

Drinnen im Gasthof sitzen am Mittag schon die ersten Gäste, obwohl es draußen so neblig ist, dass die schöne Aussicht in die Rhön im weißen Flaum verschwindet. Wanderer sind darunter und vielleicht auch ein paar Pilger. Das erste Bier wird gezapft. So wie es immer schon war auf dem Kreuzberg.

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