Kreuth:Was Seehofers Gesundheitsprobleme für die CSU bedeuten

Das kurze Wanken des Ministerpräsidenten ruft der CSU in Erinnerung, dass bald zwei Spitzenposten besetzt werden müssen. Nur von wem?

Von Wolfgang Wittl, Kreuth

War da was? Horst Seehofer steht in der Eingangshalle im Tagungszentrum Wildbad Kreuth, draußen naht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, einer der Gäste der CSU-Landtagsfraktion. Seehofer gibt sich drinnen schon wieder locker: Mit Verwunderung habe er gelesen, er sei gestern umgekippt, sagt der bayerische Ministerpräsident am Mittwoch.

Tatsächlich hat Seehofer einen kleinen Schwächeanfall erlitten, musste auf seinen Platz geführt werden, redete aber weiter und setzte die Teilnahme an den Sitzungen fort. Die Berichte über ihn? "Alles ballaballa." Kein Problem, alles wieder in Ordnung, signalisiert Seehofer - auch an die eigene Partei. Denn geschockt reagierten die CSU-Abgeordneten, nicht der Chef. Seehofer hatte laut Angaben von Teilnehmern eine seiner besten Reden gehalten. Umso größer war die Aufregung, als Seehofer kurz wankte. Alle Konzentration galt zwar dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel.

Doch der Vorfall hat manchen zum Nachdenken gebracht, wie es bis zum Ende der Amtszeit des Ministerpräsidenten 2018 weitergehen könnte. Ein Ausblick.

2016

Es ist schon erstaunlich: Horst Seehofer gehörte nie zu den Lieblingen der Partei, mit der Fraktion gerät er in letzter Zeit immer häufiger aneinander. Doch als er nun kurz zusammensackte, brach in der CSU fast schon Panik aus. Die Reaktion beweist: Seehofer ist unverzichtbar für die CSU, in der Flüchtlingspolitik und im Bund gibt es keinen anderen, der die Interessen seiner Partei besser vertreten könnte. Daher ist nicht davon auszugehen, dass irgendjemand ein Interesse entwickeln könnte, schon in diesem Jahr am Thron des noch Allmächtigen zu rütteln.

Ein sicheres Indiz: Selbst spätabends und in kleiner Runde wurden keine Nachfolgedebatten angezettelt, obschon kein Ort besser dafür geeignet wäre als Kreuth - jene Stätte, an der die CSU es vor neun Jahren wagte, ihren jahrelang unumstrittenen Herrscher Edmund Stoiber zu stürzen. Niemand wolle diese Diskussion führen, weder jetzt noch in den nächsten Tagen, versichern Abgeordnete. Doch wäre die CSU auch vorbereitet für den Fall, dass Seehofer von sich aus hinwirft? Er hatte sich 2002 eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung zugezogen und stellt seinen Verbleib im Amt des Ministerpräsidenten stets unter einen gesundheitlichen Vorbehalt.

In diesem Fall wäre die Situation wohl klar: An Markus Söder führt derzeit kein Weg vorbei. Der Finanzminister ist deutlicher Favorit der Landtagsfraktion sowie in allen Umfragen, als Ministerpräsident wäre er wohl gesetzt. Vor zwei Jahren wäre für eine schnelle Lösung vielleicht noch Innenminister Joachim Herrmann infrage gekommen. Damals hätte er als lachender Dritter eine Chance gehabt, wenn sich Söder und seine Rivalin Ilse Aigner gegenseitig neutralisieren.

Doch deren Patt hat sich inzwischen zugunsten des Franken verschoben - und Herrmann zeigt ohnehin keine Ambitionen mehr.

2017

Diesen Zeitpunkt könnte man sich in der CSU schon eher für einen Wechsel vorstellen, insbesondere die Anhänger Söders. Der würde gerne mit einem Amtsbonus in die Landtagswahl 2018 starten, doch so einfach wird er es wohl nicht bekommen. Im Moment liegt Söder zwar vorne, er weiß aber auch, dass sich die Zeiten in der Politik schnell ändern können. Darauf hoffen seine Gegner. Die ersten Vorentscheidungen werden fallen: Die Frage, wer die Bundestagsliste 2017 anführt, könnte sich auch auf die Statik in Bayern auswirken.

Angenommen, der Spitzenkandidat erhielte ein überzeugendes Ergebnis, so würde sein Einfluss in der Partei erheblich zunehmen. Spannend wird es im Herbst 2017: Seehofer hat angekündigt, dann nicht mehr als CSU-Chef anzutreten. Söder würde gerne zugreifen, seine Widersacher werden es zu verhindern versuchen - im Moment wohl mit eher geringen Chancen. Gehandelt werden der Europapolitiker Manfred Weber und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, ihnen wird großes strategisches Geschick nachgesagt.

Die jüngsten Umfragen haben aber gezeigt: Bei der Bekanntheit können sie es mit Söder nicht aufnehmen. Bei Dobrindt kommt hinzu: Aufgrund seiner distanzierten Art genießt er in der Partei weniger Rückhalt, obwohl er als Generalsekretär lange an der Basis unterwegs war. Immerhin beweist er durch seine verstärkte Interview-Präsenz im Moment Kampfgeist. Ob es reicht? Weiterer Vorteil Söders: In der CSU herrscht traditionell die Meinung vor, übrigens auch bei Seehofer, nur mit der Bündelung von Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt lasse sich im Bund Durchschlagskraft erzielen. Söders Gegner halten eine Trennung für sinnvoll, um beide Lager in der Partei zufrieden zu stellen.

2018

In diesem Jahr wird Horst Seehofer als Ministerpräsident abtreten, das hat er mehrmals bekräftigt - auch wenn er kokettiert, dass viele Bürger sich wünschten, er solle weitermachen. Umfragen bescheinigen dem 66-Jährigen hohe Sympathiewerte. Die wird er nutzen wollen, um bis ins selbst gesteckte Ziel zu kommen. Er hatte bei der Landtagswahl 2013 nämlich versprochen, die ganze Legislaturperiode durchzuhalten, und damit ist es ihm offenbar ernst. Zudem wirkt in der CSU bis heute das Trauma vom Stoiber-Sturz nach, in dessen Folge die Partei die absolute Mehrheit verlor und für fünf Jahre in eine Koalition mit der FDP gehen musste. Wer aber bestimmt dann über die Nachfolge?

Söder sammelt seine Truppen in der Fraktion, dem Kraftzentrum der CSU. Andere glauben, der Weg in die Staatskanzlei führe nur über die Partei. Die aber wird kaum am Willen der Bevölkerung vorbei entscheiden können. Der aussichtsreichste Kandidat wird also zum Zug kommen. Seehofer-Vertraute beteuern unabhängig davon: Der Chef werde garantiert bis zum letzten Tag seiner Amtszeit Ministerpräsident bleiben. Es sei denn, es kommt etwas dazwischen.

Aktuelles Lexikon: Schwächeanfall

Die Knie werden weich, dann sacken sie ganz weg. Gleichzeitig wird es schwarz vor Augen. Wer die Symptome früh genug bemerkt, kann sich abstützen oder hinsetzen. Gründe für einen Schwächeanfall gibt es mindestens so viele, wie es Landespolitiker gibt. Herzrhythmusstörungen, niedriger Blutdruck, neurologische Ausfälle, aber auch Infekte, Allergien, langes Stehen und Flüssigkeitsmangel in der Hitze oder bei schlechter Luft können das schummrige Gefühl auslösen. Was bei Horst Seehofer dazu geführt hat, ist ungewiss. Einer gründlichen ärztlichen Untersuchung hat er sich nach dem Zwischenfall in Wildbad Kreuth ja nicht unterzogen. Eine andere häufige Ursache für die plötzliche Schwäche ist psychischer Natur: Bei großer Anspannung, Nervosität und Überforderung kann Körper und Geist alles zu viel werden. Der kurze Kollaps ist dann eine kleine Auszeit von den Anstrengungen des Lebens. Manchmal weist ein Schwächeanfall aber auch auf schwerere Erkrankungen hin, etwa eine Unterversorgung des Herzmuskels bei verengten Kranzgefäßen, die zum Infarkt führen kann oder eine Durchblutungsstörung im Gehirn als Vorbote eines Schlaganfalls. Auf jeden Fall ist aus ärztlicher Sicht dringend eine Obergrenze geboten - für das Tagespensum von Politikern, die sich und ihrer Gesundheit in der Kombination aus Schlafmangel, Gezänk und Redemarathons nichts Gutes tun. Werner Bartens

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