Kratzers Wortschatz:Mit tiefem Ausschnitt in die Klosterschule

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Sperl

In Straubing sind vor einiger Zeit zwei Schulmädchen zufällig mit dem gleichen Kleid in die Schule gefahren. Wie es heute üblich ist, waren die Gewänder oben etwas offenherzig geschnitten. Frohgemut strebten die Mädchen ihren Erziehungsanstalten entgegen, die eine besuchte das Gymnasium der Ursulinen, die andere die Realschule der Ursulinen. Noch ahnte niemand, dass an diesem Tag das Mundartwort Sperl (Stecknadel, Sicherheitsnadel) und seine Verbform sperln eine große Bedeutung bekommen würden. Bei dem einen Mädchen, "da hat se nix gfeit", erzählt dessen Vater. Das Gymnasium legte eine liberale Haltung an den Tag, das Mädchen mit luftiger Oberbekleidung durfte im Unterricht sitzen, ohne ermahnt zu werden. In der von Klosterschwestern geführten Realschule aber regierten Anstand, Zucht und Sittsamkeit. Das andere Mädchen wurde deshalb wegen ihres Ausschnitts erst getadelt. Dann kam in der Pause eine Schwester und zog den Stoff des Kleids oben mit einer Sicherheitsnadel (Sperl) notdürftig so zusammen, dass die sündige Haut flächiger verdeckt war als vor dem Eingriff. "Jetzt hamses zuagsperlt", lautete das Urteil eines Beobachters über das Spannungsfeld von modernem Dresscode und strenger Klosterschule.

Dackl

Der 73-jährige Schauspieler Fritz Wepper hat sich einer Schönheitsoperation unterzogen. Leider ignorierte er, dass ein vom Alter gegerbtes Gesicht viel interessanter wirkt als ein geglättetes, unnatürliches Gfries aus der Retorte. Auf dem Land nennt man ein bejahrtes Mannsbild, das von der Eitelkeit geplagt wird, etwas abschätzig einen oidn Dackl. Häufig kommt dieser Titel dann ins Spiel, wenn der oide Dackl trotz sinkenden Testosteronspiegels immer noch den jungen Frauen nachspäht. Das furchige Gesicht hat Wepper gut gestanden. Wollen wir hoffen, dass er künftig nicht daherkommt wie die einst wunderschöne Frau Versace nach monströsen Lifting-Aktionen. Manche Medien lästern seither, sie sei aus irgendeiner Rocky Horror Show entsprungen.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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