Kratzers Wortschatz:Ich besitze kein Giletwestenleiberl nicht

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Im Bairischen kann man einen Satz doppelt und dreifach verneinen, im Notfall sogar öfter...

no nia ned nix anders ned

Eine Privatbrauerei aus Markt Schwaben hat extra zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebots ein Helles gebraut. Es klingt lustig, wie es auf Plakaten beworben wird: "Mia ham no nia ned nix anders ned drunga!" Das klingt, als habe der Werbetexter an grammatischer Insuffizienz gelitten. Auf den zweiten Blick ist an dem Spruch aber nichts auszusetzen, mag er auch die bairische Sprachlogik auf die Spitze treiben. Tatsächlich kann man im Bairischen einen Satz doppelt und dreifach verneinen, im Notfall sogar öfter. In der alten Literatur begegnet man dem oft, und manchmal auch noch im Alltag. Ludwig Thoma formulierte die mehrfache Verneinung zum Beispiel in den "Lausbubengeschichten": "Ich fragte ihn, ob er keine Zigarre nicht will, aber er sagte nein, weil er keine so starken nicht raucht." Der Sprachwissenschaftler Hans Ulrich Schmid sagt, die einzelnen Negationswörter höben sich im Bairischen nicht gegenseitig auf, sondern sie stützten einander. Das Phänomen gründe in der Sprachgeschichte. Das Wort kein (bairisch: koa) diente demnach früher nicht zur Negation, sondern als unbestimmtes Pronomen, ähnlich dem heutigen irgendein. Ein Satz wie "I hob koa Geld ned dabei" bezeugt also ein altes Sprachrelikt. "Vater, i will den Mann nie-nindert-nit und nimmer wiedersehn", sagt die Bernauerin in einem Stück von Carl Orff. Unter all den verneinenden Adverbien ist "nit" die primäre Negation. Die anderen Wörter beziehen sich laut Schmid stützend und präzisierend auf Ort und Zeit. Wer dessen eingedenk ist, wird nie keinen Fehler nicht machen.

Gilet

Im Kreuzworträtsel der SZ wurde kürzlich nach dem Wort Gilet gefragt. Es stammt erkennbar aus dem Französischen und bezeichnete einst auch in Bayern eine Weste. Wie bei der doppelten Verneinung neigt der Bayer auch hier zur Verstärkung. So hängte er den französischen und den deutschen Begriff zur Giletweste zusammen. Es gibt noch das Leiberl als weiteres Synonym. Deshalb hat die Weste mitunter eine dreifache Naht: "Ach bring mir doch mein Giletwestenleiberl!" In Ludwig Thomas Stück "Die Eigentumsfanatiker" kommt sogar die Giletleiblwestentasche vor.

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