Kratzers Wortschatz:Allerseelenwecken heben das Lebensgefühl

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Es sind nicht so sehr die Flüchtlinge, die unser Land verändern. Schon heute weiß kaum einer, was Allerseelen bedeutet

Allerseelenwecken

Unser Land werde sich durch die Flüchtlingszuwanderung stark verändern, heißt es. Allerdings verändert sich Bayern schon seit dem Krieg. Viele Traditionen lösen sich in Luft auf. Schon weiß die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr, was Allerseelen bedeutet, jener Totengedenktag am 2. November. Zudem findet man kaum noch Bäckereien, die Allerseelenwecken herstellen. Die Bäckerin Rosi Sproß aus Velden rührt dafür einen Biskuitteig an. Später füllt sie den Kuchen mit einer feinen Vanille- oder Schokocreme sowie mit Marmelade. In der Mitte des rautenförmigen Seelenweckens prangt eine Marzipanrose. Ein solcher Brauch hebt das Lebensgefühl. Andreas Zaupser erwähnte 1789, dass die Paten dem Kind am Allerseelentag einen Seelenwecken schenken. Früher war der Seelenwecken ein Brot in Form eines Haarzopfes, denn man vermutete den Sitz der Seele in den Haaren. Als die Menschen noch stark im Aberglauben verhaftet waren, dachten sie, die Seelen der Verstorbenen kehrten an Allerseelen zurück und deshalb hängten sie Seelenwecken ans Grabkreuz. Nutznießer waren aber auch die Armen, die von Hof zu Hof zogen und einen Seelenwecken erbaten. Später schenkte der Taufpate seinem Patenkind einen Seelenwecken in Form eines Kuchens. Heute gibt es oft noch einen Geldschein dazu. Trotzdem hat der Brauch keine Zukunft mehr.

Anten (Nachtrag)

Nach der Erörterung des Wortes Antn (Ente) argumentierten neulich einige Leser, der Ortsname Antenfressen leite sich vom Lateinischen her (ante forestam). Daraufhin schaltete sich Wolf-Armin von Reitzenstein ein, der beste Kenner der bayerischen Ortsnamen überhaupt. Sein Expertentum wird belegt durch die Tatsache, dass ihm vor kurzem der Bayerische Verdienstorden verliehen wurde. Reitzenstein hält die lateinische Herleitung von Antenfressen für einen "blühenden Unsinn". Ihm zufolge liegt diesem Ortsnamen eine Person Antfrist oder Anterfrister zugrunde, die sich zum Antenfresser wandelte und schließlich zum Ortsnamen Antenfressen.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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