Kratzers Wortschatz:Die Streif und der Kristl

Von Hans Kratzer

Kristeln

Am Samstag haben sich in Kitzbühel wieder Dutzende Abfahrtsläufer die Streif hinuntergestürzt. Die Streif ist eine der gefährlichsten Skirennpisten der Welt. Selbst nach dem Zieleinlauf halten die Zuschauer den Atem an, müssen die Rennläufer doch mit einer Geschwindigkeit von 140 Kilometer schnellstmöglich zum Stehen kommen. Das geht nur mit harten Schwüngen, was mit zitternden Oberschenkeln schwierig genug ist. Früher, als die Kinder mit einfachen Holzbrettln den Dorfbuckel hinuntersausten, mussten sie ebenfalls gach abschwingen, man umschrieb dies mit dem Verb kristeln. Der Autor Valentin Reitmajer schildert diese Technik bildkräftig in seinem Buch "Kindheit in Niederbayern": "Wir sausten ohne Bögen zu fahren den Steilhang hinunter und beendeten unten die Höllenfahrt mit einem sogenannten Kristl. Der bestand darin, dass man durch einen einmaligen, kraftvollen Abschwung zum Stehen kam, wobei die Höhe des aufstiebenden Schnees den Grad der Fahrkunst und des Mutes des Fahrens signalisieren sollte."

Das Wort hat eine interessante Herkunft. Ursprünglich war der Kristl ein Schwung, den man mit parallelen Skiern quer zum Hang ausführte. Zehetners Lexikon weist aus, dass diese Technik Christiana-Schwung hieß, nach dem früheren Namen der norwegischen Hauptstadt Oslo. Die Kurzform lautete Christl/Kristl. Die Sprache ändert sich aber so schnell wie die Skilauf-Technik. Außer dem Kristl ist auch das Wedeln ausgestorben, jener elegante Parallelschwung, der früher als der Inbegriff skifahrerischen Könnens galt.

Dullacke

Schnee, Reif und glatte Straßen führen zurzeit zu vielen Unfällen. Zum Glück überwiegen Blechschäden. Mit Blick auf die Dellen im Lack hat Kollege S. neulich das lautmalerische Wort Dullacke/Dullackn erwähnt, ein Synonym zu den Dialektbegriffen Dulln und Duin. Der Sprachwissenschaftler Anthony Rowley verweist dazu auf das althochdeutsche durla (Narbe, Beule, Vertiefung). Und es sei von der Wortwurzel her mit dem Wort Tal verwandt, jene Vertiefung, in der jede Skifahrt ihr Ende nimmt.

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