Flüchtlingsunterkünfte:"Auf dem privaten Wohnungsmarkt wären die Gebühren als Mietwucher zu betrachten"

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"Fehlbeleger" sind anerkannte Asylbewerber, die weiter staatlich untergebracht sind - oft mangels Alternativen. (Foto: Robert Haas)
  • Joachim Enßlin will gegen die willkürlichen und zu hohen Mietpreise in Flüchtlingsunterkünften vorgehen.
  • Entspräche das Gericht der Klage, müsste der Freistaat die Gebühren neu festlegen.

Von Johann Osel, München/Eching

Wegen seiner Ansicht nach willkürlicher und zu hoher Mietpreise in Flüchtlingsunterkünften hat der frühere Bürgermeister der Gemeinde Eching bei Freising, Joachim Enßlin, vor dem Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen den Freistaat erhoben. Konkret geht es um Flüchtlinge, die arbeiten und in staatlichen Unterkünften leben.

Dazu zählen sogenannte Fehlbeleger, die als Asylbewerber anerkannt sind, aber weiter staatlich untergebracht sind - oft mangels Alternativen. Sie müssen dafür bezahlen. 2016 wurde der zuvor kommunal organisierte Gebühreneinzug reformiert, die Beträge stiegen - seitdem ist die Bezirksregierung von Unterfranken bayernweit zuständig. Peu à peu arbeitet sie auch Rückstände ab und stellt Flüchtlingen Nachforderungen zu.

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Als Beispiel ist in der Klage ein Quadratmeterpreis von 34,75 Euro kalt genannt. Mit dem Betrag sei in Eching ein Iraker, der mit vier weiteren Personen in einem Raum in einem früheren Schulhaus wohne, anteilig belastet geworden. Für die Unterbringung solle er 311 Euro im Monat zahlen. Die ortsübliche Kaltmiete für eine Altbauwohnung betrage acht bis neun Euro pro Quadratmeter. Bei dem Mann, als Küchenhilfe tätig, seien "Mietschulden" von gut 4000 Euro aufgelaufen.

Es handele sich um Gebühren, "die auf dem privaten Wohnungsmarkt wohl als Mietwucher zu betrachten" wären, heißt es in einer Erklärung der Münchner Anwälte des Ex-Bürgermeisters. Enßlin selbst sagte der Freisinger SZ: "Dass Leute, die arbeiten dürfen, Miete bezahlen sollen, ist klar. Aber das ist nicht angemessen." Die SZ hat mehrmals über ähnliche Fälle und den Unmut von Flüchtlingshelfern berichtet: Arbeitende Flüchtlinge würden vom Staat dafür bestraft, dass sie schnell für sich selbst sorgten.

Jeder neu anerkannte Flüchtling erhalte eine Aufforderung, "in absehbarer Zeit aus der staatlichen Unterkunft auszuziehen", hieß es damals von der Staatsregierung, man schicke aber "niemanden in die Obdachlosigkeit". Flüchtlingshelfer halten dagegen, dass "Fehlbeleger" oft auf dem freien Markt nur schwer Buden fänden.

Entspräche das Gericht der Klage, müsste der Freistaat die Gebühren neu festlegen und die entsprechende Asylverordnung ändern. Eine Stellungnahme der Staatsregierung gegenüber dem Verfassungsgerichtshof steht noch aus.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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