Korruptionsaffäre:Schaden für Stadt und Amt

Die Landesanwaltschaft suspendiert den Regensburger Oberbürgermeister Wolbergs vorläufig vom Dienst. In der ersten Stadtratssitzung nach seiner Verhaftung gilt das Thema als Tabu, die CSU rebelliert

Von Andreas Glas, Christian Sebald und Wolfgang Wittl, Regensburg

Keine 20 Minuten nach der Mitteilung, auf die alle gewartet hatten, kam schon die Reaktion der Stadt Regensburg. Man sei "nicht überrascht" gewesen, schreibt Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD). Der Zweiten Bürgermeisterin ging es wie den meisten Regensburgern, die Landesanwaltschaft hatte ja längst durchblicken lassen, dass sie Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) vorläufig suspendieren wird, der seit vergangener Woche in Untersuchungshaft sitzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen dringendem Korruptionsverdacht. Seit Freitag also, seit 12.48 Uhr, steht offiziell fest, was jeder schon wusste.

Bemerkenswerter als die Suspendierung ist ohnehin, wie die Regensburger Stadträte nun mit der Korruptionsaffäre umgehen. Joachim Wolbergs hatte das Thema ja immer weggebügelt, wenn einer im Stadtrat auf die Idee kam, seine Rolle in der Affäre zu hinterfragen. Und jetzt?

Die Haft des OB, seine mutmaßlich illegalen Absprachen, sein Verhältnis zum ebenfalls unter dem Verdacht der Bestechlichkeit stehenden Vorgänger Hans Schaidinger (CSU), seine Zukunft: Über nichts wird in Regensburg derzeit mehr gesprochen - nur komischerweise im Stadtrat nicht. In der ersten Sitzung seit Wolbergs' Verhaftung sollte am Donnerstag alles seinen normalen Gang gehen, zumindest nach Wunsch von Maltz-Schwarzfischer, die nun Wolbergs' Amtsgeschäfte leitet und damit auch die Stadtratssitzungen. Man müsse die Kirche schon im Dorf lassen, sagte die Bürgermeisterin, es handle sich um eine Sitzung wie jede andere. Nicht der Stadtrat sei von der Affäre betroffen, der Stadtrat habe vielmehr seine Arbeit und seine Pflicht zu tun.

Die CSU dagegen sah Gesprächsbedarf: "Glauben Sie wirklich", fragte der Stadtrat Christian Schlegl die Bürgermeisterin, "dass Sie hier sagen können, da ist jetzt der Wolbergs mehr oder weniger schuld, der sitzt jetzt da unten in der JVA und wir alle haben nichts damit zu tun?" In einem Eilantrag forderte die CSU die anderen Fraktionen auf, die künftigen Entscheidungen im Stadtrat unabhängig von Bündnissen und möglichst einvernehmlich zu treffen. Darauf wollte sich die Koalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP nicht einlassen. Die Freien Wähler warfen der CSU "parteipolitische Spielchen" und "Scheinheiligkeit" vor.

Schlegl zeigte sich am Freitag, kurz nach Wolbergs' Suspendierung, immer noch fassungslos. Die Stadt stecke in einer ihrer größten politischen Krisen, doch der Stadtrat debattiere lieber darüber, in welcher Farbe Zäune gestrichen werden sollten. Er könne nur "hoffen, dass sich diese Einstellung nicht fortsetzt". Die Reaktion der Stadt auf die Suspendierung klingt allerdings so: "Ich möchte nochmals betonen, dass die Arbeit in der gesamten Stadtverwaltung ohne Beeinträchtigungen weitergeht", schreibt Maltz-Schwarzfischer.

Korruptionsaffäre: In Regensburg läuft derzeit alles schief, nun fliegen auch im Stadtrat die Fetzen: Die Koalition will weiterarbeiten, als wäre nichts geschehen. Der protestierenden CSU wirft sie "Scheinheiligkeit" vor.

In Regensburg läuft derzeit alles schief, nun fliegen auch im Stadtrat die Fetzen: Die Koalition will weiterarbeiten, als wäre nichts geschehen. Der protestierenden CSU wirft sie "Scheinheiligkeit" vor.

(Foto: Stephan Rumpf)

Derweil steht immer noch eine Entscheidung aus - und zwar darüber, ob Wolbergs damit rechnen muss, dass die Hälfte seine Gehalts bis zum Ende des Verfahrens einbehalten wird. Die Landesanwaltschaft hat dem OB eine Frist bis Anfang Februar eingeräumt, in der er sich zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen erklären soll. Wolbergs' vorläufige Suspendierung hat auch keine rasche neue OB-Wahl in Regensburg zur Folge. Eine Wahl kann erst stattfinden, wenn Wolbergs endgültig aus seinem Amt entfernt worden ist oder doch noch von sich aus zurücktritt. Auch bei Schaidinger prüft die Landesanwaltschaft disziplinarische Maßnahmen.

Die Suspendierung von Wolbergs begründet sie auch damit, dass die Korruptionsaffäre nicht nur das Amt des OB massiv beschädigt habe, sondern auch das Ansehen der Stadt Regensburg. Mit der Suspendierung wolle man weiteren Schaden vom Amt und der Stadt abwenden, erklärte Sprecher Robert Kirchmaier. Eine Aussage, die wohl bedeutet, dass Wolbergs unbedingt an seinem Amt festhalten wollte - welche Gründe er dafür nennt, dazu teilt die Landesanwaltschaft nichts mit.

Joachim Wolbergs

Der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD), der seit vergangener Woche in Untersuchungshaft sitzt.

(Foto: A. Weigel/dpa)
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