Korruptionsaffäre:Eine Frage des Genres

Joachim Wolbergs

Der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) sieht sich als Opfer einer großen Verschwörung.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs tritt in einer Regensburger Buchhandlung auf - unter Ausschluss der Presse

Von Andreas Glas, Regensburg

Wenn Ulrich Dombrowsky in seine Buchhandlung lädt, dann kriegt das Publikum etwas geboten, dafür ist Dombrowsky bekannt. Viele namhafte Schriftsteller waren schon da, haben dem Publikum vorgelesen, mit den Besuchern geplaudert, und hinterher haben sie ihren neuesten Krimi signiert, ihren Gedichtband, ihre Autobiografie oder irgendein anderes Genre, das in der Regel recht klar definiert war. Wenn Dombrowsky am 12. Mai wieder in seine Buchhandlung lädt, wird dagegen nicht so ganz klar sein, welches Genre dargeboten wird. Es wird ja auch kein Schriftsteller auftreten, sondern der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen dringenden Korruptionsverdachts ermittelt.

Müsste Buchhändler Dombrowsky den Wolbergs-Auftritt genremäßig einordnen, er würde wohl am ehesten die Kategorie Politikrimi wählen. In Politkrimis geht es ja oft um Verschwörungen und eine Verschwörung wittert Dombrowsky offenbar auch gegen SPD-Politiker Wolbergs. Die Medienberichte zur Regensburger Korruptionsaffäre empfindet er als "Vorhaben, an Wolbergs und der Stadt einen Rufmord zu begehen", so steht es in der Einladung zum Wolbergs-Auftritt, die Dombrowsky an einen ausgewählten Kreis geschickt hat. Diese Theorie, schreibt er, sei "weit wahrscheinlicher als ein korrupter Oberbürgermeister". Spätestens nachdem ihn Wolbergs neulich eingeladen habe, um ihm "seine Sicht der Dinge zu erläutern", sei er sich mit dieser Einschätzung sicher. Um Wolbergs nun die Chance zu geben, einem breiteren Kreis "seine Version der Zusammenhänge und Erlebnisse zu erläutern", bittet er also von 12. Mai an zu "kleinen Treffen" mit dem OB in seine Buchhandlung. Die Presse ist natürlich ausgeschlossen, so breit muss der Kreis dann doch nicht sein.

Aber zurück zur Genrefrage, da gibt es ja durchaus unterschiedliche Auffassungen in Regensburg. Die Stadträtin Tina Lorenz von der Piratenpartei zum Beispiel würde die Veranstaltung wohl eher so in der Kategorie Fantasyerzählung verorten. Über den angekündigten Wolbergs-Auftritt twitterte sie: "Wer denkt, dass Staatsanwälte was erfinden, um Unschuldige in den Knast zu bringen, hat sich gedanklich aus dem Rechtsstaat verabschiedet."

Politkrimi? Fantasyerzählung? Der Chef des Bayerischen Journalistenverbandes, Michael Busch, hätte da noch einen anderen Vorschlag. "Wenn der Protagonist in einer solchen Geschichte bereit ist, seine Version ohne Öffentlichkeit in einem ausgesuchten Kreis darzulegen, kann das nur zum Himmel stinken", sagte er der Mittelbayerischen Zeitung. Wäre die Wolbergs-Darbietung also Literatur, sie wäre für Busch wohl eindeutig ein Schelmenroman.

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