Konzert vor 7000 Gästen im Vatikan:Beethoven, Beckstein und der Papst

Das BR-Symphonieorchester spielt für Benedikt XVI. - und auch der bayerische Ministerpräsident ist beeindruckt.

Hans Kratzer

Selbst in der Sixtinischen Kapelle, einer Herzkammer des Katholizismus, bringt der Weltenlauf Licht und Schatten mit sich. Weil die Besucher schon in aller Herrgottsfrüh verbotenerweise die Fotoapparate zücken und, überwältigt von Michelangelos Gemälden, wie entfesselt blitzen, müssen die Schweizergardisten des Vatikan die Gäste häufig maßregeln.

Wenn gar nichts mehr hilft, dann lenken sie ihre Blicke vielsagend auf das Bildnis des heiligen Bartholomäus an der Stirnseite der Kapelle, dem gemäß Michelangelos Darstellung ein schlimmes Los widerfuhr. Trägt doch der Bedauernswerte seine eigene Haut, die ihm Schächer vom Leibe gezogen haben, wie einen gefalteten Mantel in der Hand spazieren.

Dem Chefdirigenten Mariss Jansons hat am Samstag ebenfalls die Haut ein Malheur beschert, und zwar zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Während Jansons zusammen mit dem Symphonieorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks (BR) in der Audienzhalle des Vatikan vor 7000 Gästen und Papst Benedikt XVI. Beethovens neunte Symphonie vortrug, justament in diesen erhabenen Minuten also platzte dem Dirigenten eine Schnittwunde im Gesicht auf und der bedauernswerte Jansons musste seine Aufgabe heftig blutend vollenden. Und das vor laufenden Kameras, denn das Konzert wurde live im Bayerischen Fernsehen übertragen.

Schweizergardisten verweigern BR-Intendant den Eintritt

Vermutlich sind solche Misslichkeiten bei einem Mammutprojekt wie diesem unvermeidlich. Die Komplexität des Ereignisses offenbarte sich auch am Eingangstor, wo der BR zwar problemlos 2000 mitgereiste Zuhörer durch die Sicherheitsschleusen lenkte, aber ausgerechnet sein Intendant Thomas Gruber erst in letzter Sekunde eingelassen wurde, da er keine Eintrittskarte bei sich führte und die Schweizergardisten ihn nicht sogleich als rechtmäßige Hauptperson identifizierten.

Wenigstens konnte Gruber noch rechtzeitig vor Konzertbeginn den Papst begrüßen. Schließlich wäre noch die Akustik der päpstlichen Audienzhalle zu erörtern, die eher den Charme des DDR-Palasts der Republik verströmt und eben nicht für Konzerte solchen Kalibers gebaut wurde. Die Musikkritiker wussten deshalb am Ende des Konzerts nicht so recht, wie sie reagieren sollten. Zweifellos: Für die Gäste war es ein faszinierendes Ereignis, das durchaus Gänsehaut erzeugte. Und doch schluckte die Akustik unüberhörbar so manche Feinheit des Vortrags.

Für den BR war das Konzert im Vatikan trotzdem eine Sternstunde. Jahrelang hatten die Vorbereitungen gedauert, bereits 2001 hatte der damalige Intendant Albert Scharf die ersten Verhandlungen für ein Konzert des Rundfunk-Symphonieorchesters beim Papst geführt. Nach dem Amtsantritt Joseph Ratzingers wurde das Projekt noch drängender.

Bis es jetzt gleichsam als verspätetes Geschenk zum 80.Geburtstag des Papstes vorgetragen wurde. "Wir wissen, dass Sie ein Liebhaber und profunder Kenner klassischer Musik sind", sagte BR-Intendant Gruber zum Papst. "Die einfühlsame und mitreißende Interpretation von Beethovens neunter Symphonie wird noch lange in mir nachklingen", entgegnete der Pontifex nach der Aufführung.

Beckstein nach Privataudienz "tief beeindruckt"

Zum Auftakt hatte der Chor die Motette "Tu es Petrus" des Renaissance-Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina vorgetragen und dabei so manchen Ratschlag des Papst-Bruders und Palestrina-Kenners Georg Ratzinger beherzigt, der schon bei der Probe, als er fast allein im Auditorium saß, hochkonzentriert hinhörte.

Zu den Gästen gehörte auch der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein. Der neue Regierungschef war zuvor vom Papst in einer Privataudienz empfangen worden. Zwar hatte er dort wie erwartet den Namen des neuen Münchner Erzbischofs nicht erfahren, dennoch kehrte er tief beeindruckt zurück.

Der Protestant Beckstein bezeugte seinen "großen Respekt vor dem Katholizismus" und würdigte Benedikt XVI. als großartige geistliche und geistige Autorität. 40 Minuten lang, so berichtete der Ministerpräsident hernach, habe er mit dem Papst über Themen wie die Familienpolitik oder die Integration junger Menschen und Migranten in das Wertesystem des Abendlandes gesprochen. Er habe eine große Übereinstimmung seiner Grundeinstellung mit der BenediktsXVI. erkannt, sagte Beckstein.

Für den BR hat sich der gewaltige finanzielle und personelle Aufwand wohl gelohnt. Immerhin waren neben den 90 Chor- und 120 Orchestermitgliedern auch noch Dutzende Techniker und Journalisten beschäftigt. Jedenfalls waren am Sonntag viele strahlende Gesichter zu beobachten, wozu sicher auch die Quote von mehr als zehn Prozent bei der Live-Übertragung beigetragen hatte.

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