Konkurrenz für Dobrindt:Wer den Schaden hat

CSU-Chef Horst Seehofer nutzt die Affäre Strepp, um die Machtverhältnisse in der Parteizentrale neu zu ordnen. Generalsekretär Dobrindt wird an den Rand gedrängt - denn längst halten ihn nicht mehr nur Kabarettisten für einen intellektuellen Tiefflieger.

Peter Fahrenholz und Mike Szymanski

CSU-Landesgruppe in Kreuth

Intellektueller Anstrich dank gängiger Brillenmode: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Leider, so ist in der CSU zu hören, habe er den Imagewechsel nicht mit einer politischen Renovierung verbunden.

(Foto: dpa)

Die CSU-Landtagsfraktion tagt gleich. Es ist früher Nachmittag im bayerischen Landtag und Parteichef Horst Seehofer erklärt Journalisten gerade die große Politik. Seehofer hat eigentlich schon fast alles gesagt. Aber er will jetzt noch nicht rein zu den Abgeordneten. Er schaut sich um, blickt den Journalisten der Reihe nach herausfordernd ins Gesicht. Und dann landet er bei einem sehr vertrauten Gesicht: "Ahhh", hebt Seehofer an: "Der Herr Sprecher".

Nur einen Schritt weit vom ihm entfernt steht Jürgen Fischer, ein kleiner, schmaler immer etwas zappeliger Mann. Er passt auf, was Seehofer gerade so erzählt. Das ist seit dem Wochenende seine Aufgabe. Der 52-Jährige ist der neue Sprecher der CSU, nachdem Hans-Michael Strepp wegen seines Drohanrufs beim ZDF diesen Job verloren hatte.

Seehofer: "Alles in Ordnung?"

Fischer: "Alles okay!"

Seehofer: "Hast' heute schon ein paar angerufen?"

Fischer kommt gar nicht dazu, zu antworten, weil sofort alle in der Runde loslachen. Und am meisten Spaß haben Seehofer und Fischer.

Die Szene zeigt nicht nur, wie schnell der Parteichef offenbar den Trennungsschmerz von Strepp überwunden hat. Sie zeigt auch: Von jetzt an hat Seehofer nicht nur einen Angestellten der Landesleitung als ständigen Begleiter an seiner Seite, sondern einen wirklich vertrauten Mensch.

Die Personalie Fischer geht weit über die reine Besetzung eines Sprecher-Postens in der CSU hinaus. Knapp ein Jahr vor der Landtagswahl in Bayern, der Mutter aller Schlachten, wie Seehofer sie nennt und der Bundestagswahl hat der Parteichef die Affäre um Strepp genutzt, noch rasch die Machtverhältnisse in der Parteizentrale neu zu ordnen. Generalsekretär Alexander Dobrindt, laut Stellenbeschreibung eigentlich Seehofers engster Mitarbeiter, bekommt Konkurrenz.

Mehr als 20 Jahre, mehr als 20 Kilo

Fischer und Seehofer kennen sich schon mehr als 20 Jahre. Als Journalist von Seehofers Heimatzeitung, dem Donaukurier, war Fischer immer ganz nah dran an Seehofer - zum Schluss seiner journalistischen Laufbahn sogar zu nah. Die Zeitung trennte sich von Fischer, Seehofer holte ihn in die CSU-Zentrale. Bislang wirkte Fischer als Berater und Redenschreiber im Hintergrund. Jetzt rückt er in die erste Reihe auf. Für Kenner der Landesleitung steht fest, wer künftig in Seehofers Entourage den Ton angeben wird: Fischer.

Dobrindt steht unter Druck. Die vergangenen Monate sind wirklich nicht gut für ihn gelaufen. Der 42-Jährige hat sich zwar optisch runderneuert, mehr als 20 Kilo abgespeckt, eine Intellektuellen-Brille verpassen lassen, schicke Anzüge und moderne Schuhe gekauft. Leider, so ist in der CSU zu hören, habe er den Imagewechsel nicht mit einer politischen Renovierung verbunden. Im Inneren ist Dobrindt der Schützenkönig aus dem oberbayerischen Peißenberg geblieben, der auch in der politischen Auseinandersetzung eher drauflosballert.

Den Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi schmähte er als Falschmünzer, er brüskierte öffentlich Kanzlerin Merkel bei der Euro-Rettung, befeuerte die Debatte um die Nebeneinkünfte von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, obwohl vor allem CSU-Abgeordnete in ihrer Freizeit zu den Spitzenverdienern gehören. Vor knapp zwei Jahren hat Dobrindt mit einem peinlichen Videoclip gegen die Grünen bundesweites Hohngelächter ausgelöst. Von dem Filmchen wusste außer ein paar Eingeweihten niemand. Würde so ein Flop kurz vor der Wahl passieren, könnte das die CSU womöglich den Sieg kosten, fürchten Parteifreunde. Längst halten nicht mehr nur Kabarettisten Dobrindt eher für einen intellektuellen Tiefflieger.

Seehofers Frühwarnsystem

In der Partei hat sich ein gewisses Unbehagen breit gemacht, dass ausgerechnet Dobrindt in seiner Funktion als Generalsekretär der Hauptverantwortliche für die anstehenden Wahlkämpfe ist. "Als politischer Stratege ist er nicht anerkannt", sagt einer, der die Verhältnisse in der Landesleitung und in der Partei gut kennt. "Es gibt ein Gegrummel." Andererseits hat Seehofer in der Vergangenheit alle Gelegenheiten verstreichen lassen, Dobrindt auszutauschen. Und jetzt, nicht einmal mehr zwölf Monate vor der Wahl, sei es spät, "ihm die Schuhe vor die Tür zu stellen", wie es einer beschreibt.

Dabei war Dobrindt nie Seehofers erste Wahl. Er hatte eigentlich den Europapolitiker Manfred Weber als Generalsekretär haben wollen. Als dies jedoch zu früh publik wurde, machte Seehofer Weber für die Indiskretion verantwortlich und entschied sich für Dobrindt. Seither steht er zu ihm, egal was Dobrindt sich auch leistet.

In Talkshows macht sich der ungelenke Generalsekretär regelmäßig zum Gespött. Breite Anerkennung bekommt er aber dafür, wie er die Partei intern nach der Wahlniederlage 2008 reformiert hat. Er hat höhere Beiträge durchgesetzt und neue Veranstaltungsformate ausprobiert: Um als CSU besser bei Frauen anzukommen, lädt die CSU nun häufiger zu Aperol Sprizz in Cafés ein als zu Weißwürsten ins Hinterzimmer. Dobrindt gibt bei diesen Gelegenheiten den spendablen Womanizer.

Aber kann er auch die Partei durch insgesamt vier Wahlkämpfe 2013 und 2014 mit Kommunal- und Europawahl steuern? Ein einflussreiches Vorstandsmitglied sagt: "Dobrindt lebt in seinem eigenen Kosmos." In Parteikreisen wird deshalb die Idee ventiliert, für den Wahlkampf eine eigene Kampa nach SPD-Vorbild zu schaffen, wo alle Beteiligten in einem Raum sitzen. Das würde das Risiko von eigenmächtigen Aktionen Dobrindts deutlich senken.

Seehofer geht jedenfalls schon mal auf Nummer sicher: Von jetzt an wird Fischer bei allen wichtigen Runden mit am Tisch sitzen. Er wird Seehofers Frühwarnsystem sein. Und anders als Dobrindt, der als Bundestagsabgeordneter viel Zeit in Berlin verbringen muss, kann Fischer sich weitgehend auf Bayern konzentrieren. Das ist sein Vorteil.

Fischer weiß mittlerweile auch wie die Landesleitung funktioniert, wie schwerfällig dieser Apparat sein kann. Das Hauptquartier der CSU gleicht eher einer Behörde als einer kreativen Ideenwerkstatt. Und Fischer fühlt sich nur einem Befehlshaber verantwortlich: Seehofer. Deshalb soll jetzt noch ein zweiter Sprecher gesucht werden, der für Dobrindt und dessen Termine zuständig ist. Damit sich Fischer voll auf sein Idol Seehofer konzentrieren kann.

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