Kommunalwahlen:Der Verführer mit den einfachen Parolen

In Augsburg führt CSU-Kandidat Gribl, weil OB Wengert zu wenig auf die Befindlichkeit der Bürger geachtet hat.

Mike Szymanski

Die Charme-Offensive hat begonnen. Seine Wahlkampfberater haben Oberbürgermeister Paul Wengert noch schnell die Manteltaschen mit Gummibärchen-Tüten vollgestopft, ihm gesagt, ein wenig Demut zeigen wäre jetzt ganz hilfreich, und ihn dann zum Straßenwahlkampf in die Augsburger Fußgängerzone geschickt.

Kommunalwahlen: CSU-Kandidat Kurt Gribl und Parteichef Erwin Huber im Augsburger Straßenwahlkampf.

CSU-Kandidat Kurt Gribl und Parteichef Erwin Huber im Augsburger Straßenwahlkampf.

(Foto: Foto: dpa)

Wenig später beugt sich Wengert schon über einen Kinderwagen und sagt dann zu der Mutter: "Wenn Sie wollen, dass ich Ihr Oberbürgermeister bleibe, bitte ich um Ihre Stimme."

Es geht für Wengert und die Sozialdemokraten in Augsburg in diesen Tagen um alles. Bis zum Sonntag wollen die Genossen die "Ärmel hochkrempeln". Das hatte Wengert am Wahlabend des 2.März gefordert, als er feststellen musste, dass er nur Zweiter geworden war.

CSU-Herausforderer Kurt Gribl zwang ihn in die Stichwahl. Wengerts Bündnis aus SPD, Grünen und Splitterparteien ist abgewählt. Das bürgerliche Lager von CSU, Pro Augsburg, FDP und Freien Wählern hat künftig die Mehrheit im Stadtrat.

Niemand hatte diese Niederlage kommen sehen. Denn Wengerts Jahre in Augsburg waren durchaus gute Jahre für die Stadt. Seit 2002 hat er Straßen gebaut, Schulen saniert, Grundsteine für eine Bücherei und ein neues Fußballstadion gelegt und trotzdem Schulden abgebaut. "Was soll ich denn noch machen?", fragte der OB seine Genossen.

Vielleicht liefert dieser Straßenwahlkampf Erklärungen. Der 55-Jährige ackert, wie man es von ihm gewohnt ist. Er diskutiert gerade mit einem Taxifahrer darüber, dass er die vielen Autos aus der Innenstadt verbannen will. Wengert erzählt von Statistiken und Messwerten. Er ist ein Zahlen- und Faktenmensch. In der Verwaltung sagen sie, sie hätten noch nie einen Chef gehabt, der sich in den Themen so gut auskennt. Wengert redet meist nicht, er referiert. Das kam nicht immer überall gut an.

Einfache Parolen

Es dauert nicht lange, bis sich auch die Süßigkeiten-Verteiler der CSU in der Fußgängerzone blicken lassen. Kurt Gribl, 43, führt sie an. Die Gefolgschaft hat Mühe, mit dem einsneunzig großen Kandidaten Schritt zu halten. Er stellt sich einer Rentnerin in den Weg und sagt: "Am 16. März nochmal wählen gehen." Bevor er weiterläuft, steckt er ihr einen Müsli-Riegel zu. "Power-Gribl" steht auf der Verpackung.

Die SPD-Leute, die Zeuge werden, staunen. Gribl setzt auf einfache Parolen: "Bürgernähe statt Bürgerbegehren", "Tunnel statt Chaos", "Bäume statt Pflaster", "Parken statt Strafzettel". Wengerts Parteigänger, Sozialreferent Konrad Hummel, sagt: "Wer würde das nicht unterschreiben. Er verführt die Leute." Die Genossen dachten, so kann man keine Wahl gewinnen. Schon gar nicht Gribl, der immer so spröde wirkt und auf seinen Plakaten mit dem provinziellen Slogan wirbt: "Zeit für den Augsburger".

Die Pose des Enttäuschten

Doch dann kam die Diskussion zur Verkehrspolitik. Der OB wollte den Hauptbahnhof modernisieren und neue Straßenbahnen durch Augsburg führen. Es wäre ein Jahrhundertprojekt für die Stadt geworden. Den aufkommenden Widerstand örtlicher Architekten und Stadtplaner, die sich bei den Planungen übergangen fühlten, tat Wengert als Nörglerei ab. Gribl aber setzte das Thema auf seine Agenda. Die CSU zettelte mit den Freien Wählern ein Bürgerbegehren an und versprach Autotunnel und grüne Welle. Bei der Abstimmung im November durchkreuzten 24.600 Bürger Wengerts Verkehrspläne.

Das Ergebnis des Bürgerentscheids nahm der OB persönlich. Am Abend saß er, die Arme vor der Brust verschränkt, im Rathaus und schimpfte, die Bürger hätten nicht verstanden, worum es geht. In dieser Pose konnte man Wengert auch am Abend der Kommunalwahl im Ratskeller beobachten. "Die Leute sind zufrieden und deshalb nicht zur Wahl gegangen." Vor laufenden Kameras übte er Wählerschelte. Das zeigte nur, dass Wengert nichts verstanden hatte.

Rumoren in Augsburg

Denn kurz vor der Wahl beschäftigten die Augsburger gleich drei Bürgerbegehren - in der Stadtgesellschaft rumorte es. Bei vielen war der Eindruck entstanden, Wengert regiere über ihre Köpfe hinweg. Kontrahent Gribl verlieh diesem diffusen Gefühl einen Namen: "Basta-Politik".

Die mächtige Lokalzeitung trug dieses Unbehagen bereitwillig in die Augsburger Haushalte. Seit einem Zwist in Wengerts Anfangsjahren kann die Augsburger Allgemeine nichts Gutes an der Arbeit des Rathauschefs finden. Im SPD-Lager galt die Zeitung im Wahlkampf deshalb als Gegner. Nach der Schlappe vom Wahlsonntag machten die Genossen ihrem Unmut Luft.

Bei einem von der Zeitung organisierten Rededuell buhten die SPD-Anhänger die Journalisten lautstark aus. In diesen Tagen ist jetzt viel von einer Denkzettel-Wahl die Rede. Auf der Straße sagen die Leute Wengert ins Gesicht: "Herr Oberbürgermeister, wir sind doch nicht dumm." Wengert räumt Fehler ein: "Vielleicht haben wir die Bürger nicht ausreichend mitgenommen." Diese Einsicht kommt womöglich zu spät.

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