Kommunalwahl in Bayern:Hier regiert künftig Grün

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Hier in Miesbach regiert bald ein Grüner (Foto: Manfred Neubauer)

"Ein historischer Abend": Erstmals stellen die Grünen in Bayern zwei Landräte. Im Affären-Landkreis Miesbach setzt sich Wolfgang Rzehak durch. In Miltenberg am Main gewinnt Jens Marco Scherf. Die Konkurrenz von der CSU ist fassungslos.

Von Olaf Przybilla und Christian Sebald

Damit dürfte im Landkreis Miesbach wohl kaum einer gerechnet haben - die Region, in der die CSU stets Traumergebnisse von 60 Prozent plus holt, wird nun von einem Grünen-Landrat regiert. Der 46 Jahre alte Wolfgang Rzehak gewann die Stichwahl am Sonntag souverän mit 53,5 Prozent. So freudig überrascht waren Rzehak und seine Miesbacher Parteifreunde, dass erst einmal keiner von ihnen ans Handy ging.

Sie feierten wohl unter sich. Immerhin, die Grünen-Landeschefin Sigi Hagl meldete sich sofort zu Wort. "Für uns Grüne ist das ein historischer Abend", sagte sie. "Das erste Mal stellen wir Landräte, und das sogar in zwei Landkreisen." Die Partei hatte in einem Bündnis mit SPD und Parteifreien überraschend auch im unterfränkischen Miltenberg den Landratsposten geholt. In Miesbach galt eigentlich Rzehaks Konkurrent Norbert Kerkel (Freie Wähler), als klarer Favorit. Er kam auf 46,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag immerhin bei 43,6 Prozent.

Natürlich könnte man es sich jetzt leicht machen und sagen, die Miesbacher haben halt denjenigen Kandidaten gewählt, der ihnen als das kleinere Übel erschienen ist. Denn nach dem Abgang ihres Affären-Landrats Jakob Kreidl (CSU) konnte man überall in der sehr konservativen Region hören, die beiden verbliebenen Bewerber Rzehak und Kerkel seien gewiss sehr sympathische Männer.

Aber das fachliche Rüstzeug, den Landkreis Miesbach in eine gute Zukunft zu führen, das habe in Wirklichkeit doch weder der eine noch der andere. Etliche CSUler, darunter auch gestandene Bürgermeister und andere Mandatsträger, sollen deshalb in so massive Gewissensnöte geraten sein, dass sie zum ersten Mal überhaupt in ihrer Vita ernsthaft überlegt haben, einer Wahl fern zu bleiben.

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Seit 18 Jahren gehört Rzehak dem Miesbacher Kreistag an

Doch damit wird man Wolfgang Rzehak nicht gerecht. Und zwar nicht nur, weil der 46-jährige Grüne, der mit seiner Familie in Gmund am Tegernsee lebt, als Diplom-Verwaltungswirt bei der Stadt München sich sehr wohl in allen intimen Details von Kommunalverwaltungen auskennt. Sondern auch, weil er seit fast 20 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv ist.

Bereits seit 18 Jahren gehört Rzehak dem Miesbacher Kreistag an, seit zwölf Jahren sitzt er im Gmunder Gemeinderat. Und in beiden Gremien mischt er immer an vorderster Front mit - als Experte für die Kreis- und Kommunalfinanzen genauso wie als Sozialfachmann oder Naturschützer, der gegen den immensen Flächenfraß am Tegernsee wettert. Dabei ist der Grüne so wertkonservativ, dass er sogar unter vielen Bauern im Oberland Sympathien genießt.

Vor allem aber ist Rzehak, dessen Namen ganz weich "Schehak" ausgesprochen wird, ein integrer Mann. Also genau so einer, wie ihn die Miesbacher nach Kreidl jetzt dringend gebrauchen. Kreidl taumelte über ein Jahr von Affäre zu Affäre - vom plagiierten Doktortitel, über jahrelange Beschäftigung seiner Ehefrau als Mitarbeiterin in seiner Zeit als Landtagsabgeordneter bis hin zu seinem 120 000 Euro teuren Geburtstagsfest und einem Schwarzbau -, bis es sogar der CSU zu viel wurde und sie ihm zum Abtritt zwang.

Unter Rzehak sind solche Zustände nicht vorstellbar. Im Gegenteil: Wer, wenn nicht Rzehak und seine Grünen, sind die Garanten dafür, dass der Sumpf um den noch amtierenden Affären-Landrat Kreidl trockengelegt werden kann. Und zwar so, dass auch die schwer angeschlagene CSU dabei mitmachen kann. Denn bei aller Konsequenz ist Rzehak ein sehr verbindlicher Mann, der moderat auftritt.

Mit seinem einnehmenden Wesen hat er sich über die Jahre hinweg sogar Anerkennung und Respekt bei CSU-Hardlinern erworben, von denen es in der Partei im Oberland nach wie vor nicht eben wenige gibt. Rzehak weiß genau, er wird sich als Landrat nicht gegen die örtliche CSU Respekt und Anerkennung verschaffen können, sondern nur mit der Partei.

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Ähnlich groß wie in Miesbach fällt die Sensation für die Grünen im Landkreis Miltenberg aus. Dort hat sich der Grünen-Politiker Jens Marco Scherf mit 40 Stimmen gegen den CSU-Bewerber Michael Berninge durchsetzen können. Der Schulrektor Scherf, er wurde von SPD, Grünen und der ÖDP aufgestellt, ist genauso sprachlos wie die meisten anderen, als das Ergebnis feststeht.

Miltenberg, dort hatte 28 Jahre der CSU-Landrat Roland Schwing regiert, und man kann sagen, dass er den Kreis dominierte. 60 plus x Prozent waren die Regel in Miltenberg, in diesem prosperierenden Kreis am Rand des Rhein-Main-Gebiets. Dass Berninger, ein etablierter Kommunalpolitiker, überhaupt in die Stichwahl musste in Miltenberg, war schon eine Überraschung. 47 Prozent hatte Berninger im ersten Wahlgang, Scherf hatte etwas mehr als 33 Prozent.

Was ist da in der Zwischenzeit passiert? So ganz kann es Scherf auch nicht sagen, so kurz nach der Wahl. "Ich habe unermüdlichen Straßenwahlkampf gemacht", sagt er, 2500 Haushalte habe er besucht. Natürlich, Scherf ist auch ein etablierter Kommunalpolitiker, für die gemeinsame SPD- und Grünen-Fraktion sitzt er im Stadtrat in der Stadt Wörth am Main.

Aber ein Sieg als Landrat? Nein, darauf getippt hätte der vierfache Familienvater auch nicht. "Aber eine Chance habe ich immer irgendwie gesehen", sagt der 39-Jährige. Er habe einfach signalisiert, keine Berührungsängste zu haben, "nicht zur Industrie und nicht zur Freiwilligen Feuerwehr". Seit 20 Jahren ist er Grüner, und dass er jetzt Landrat ist: Ja, ein bisschen unheimlich ist ihm das schon noch so kurz nach der Wahl.

Joachim Bieber, der CSU-Bürgermeister von Miltenberg, ist sprachlos. 28 Jahre CSU-Herrschaft, "und so viel auf den Weg gebracht in der Zeit", sagt Bieber. "Straßen gebaut, Brücken gebaut" - und dann das. Natürlich, Scherf gilt als scharfzüngig und eloquent, alle hätte ihn ernst genommen im Wahlkampf. Das Problem war wohl, vermutet Bieber, dass sich alle zu sicher waren. "Aber ehrlich gesagt ist mir das Ganze unerklärlich", sagt er.

© SZ vom 31.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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