Kommentar:Eine Stadt geht in die Knie

Coburg gibt dem Drängen des Unternehmers Michael Stoschek nach und benennt eine Straße nach dessen Großvater um. Das sieht stark nach einem gekauften Beschluss aus

Von Katja Auer

In Coburg wird es bald eine Max-Brose-Straße geben. Das ist nun keine Überraschung, die Mehrheit im Stadtrat hatte sich längst abgezeichnet. Wie das Gremium die Sache allerdings abhandelte, in Zeiten, in denen weltweit des 70. Jahrestags des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten gedacht wird, ist ignorant. Coburg hätte mehr Sensibilität im Umgang mit seiner Geschichte gut zu Gesicht gestanden: Dort hatten die Nazis schon 1929 eine Mehrheit im Stadtrat, und 1931 stellten sie den ersten NSDAP-Oberbürgermeister Deutschlands.

Josef Schuster hat sich zu Wort gemeldet, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, der nicht als Haudrauf bekannt ist. Seine Einwände gegen die Umbenennung wurden ebenso ignoriert wie jene der evangelischen Kirche und der Gewerkschaften. Bedenken von Wissenschaftlern, die eine gründliche Untersuchung fordern, wurden weggewischt. Die Sache sei entscheidungsreif, hieß es. Weil die umfassende historische Aufarbeitung aber fehlt, die eine Entscheidung - mit welchem Ergebnis auch immer - für jedermann nachvollziehbar machen könnte, muss sich der Stadtrat den Vorwurf gefallen lassen, er unterwerfe sich Michael Stoschek. Der will seinen Großvater geehrt wissen und stoppte deswegen die Spenden an soziale Einrichtungen. Das sieht fatal nach einem gekauften Beschluss aus. Wie die Befürworter im Stadtrat argumentierten, bleibt verborgen, denn die Debatte fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Weil das Persönlichkeitsrecht von Max Brose beachtet werden müsse, hieß es. Das klingt fadenscheinig angesichts der Ausführlichkeit, mit der seit Wochen öffentlich über die Umbenennung diskutiert wird. Der Stadtrat wollte die Sache offenbar endlich vom Tisch haben. Ruhe wird deswegen nicht einkehren, denn nun will sich die Stadt ihrer Vergangenheit stellen. Die Aufarbeitung soll angegangen werden. Endlich. Das hätte allerdings der erste Schritt sein müssen. Nun hat die Stadt schon Schaden genommen.

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