Kommentar:Eine Stadt unterwirft sich

So macht sich Demokratie angreifbar: Nachdem ein mächtiger Unternehmer sozialen Einrichtungen die Spenden gekappt hatte, entschuldigt sich die Stadt Coburg für einen Beschluss, der dem Firmenchef nicht passte.

Von Olaf Przybilla

Die CSU hat es immerhin klar benannt in der Coburger Stadtratsdebatte. Max Brose habe schließlich den Grundstein gelegt für ein Weltunternehmen, eine Firma mit allein 3600 Mitarbeitern am Stammsitz in Coburg. Man muss der CSU danken für dieses sehr offene Argument. Denn genau darum geht es. Und darum, den seit mehr als zehn Jahren zürnenden Enkel des Firmengründers zu besänftigen.

Dass Michael Stoschek, der Hauptgesellschafter des Unternehmens, für die Ehre seines Großvaters kämpft, ist sein gutes Recht. Stoschek darf auch persönlich gekränkt sein darüber, dass nicht immer alles, was er sich wünschen würde, umgesetzt wurde in der wohlhabenden Stadt Coburg. Und es steht auch völlig außer Frage, dass ein sehr großer Teil des Wohlstands dieser Stadt auf den Automobilzulieferer Brose zurückgeht.

Keinesfalls in Ordnung aber ist es, wenn ein demokratisches Gremium sich selbst untergräbt. Wenn es, damit endlich Ruhe ist im schönen Städtchen, sich in einer Demutsgeste ergibt. Wenn ein Stadtrat sich würdelos für sich selbst entschuldigt. Wenn eine Debatte nach wenigen Wortmeldungen abgewürgt wird. Wenn kaum zehn Minuten über eine der wichtigsten Grundsatzentscheidung einer Stadt diskutiert wird. So macht sich Demokratie angreifbar. Und so setzt eine Kommune ihr Ansehen aufs Spiel.

Würde sie das tun, wenn das Unternehmen sich nicht entschieden hätte, sozialen Einrichtungen der Stadt keine Spenden mehr zukommen zu lassen, solange sich der Stadtrat nicht entschuldigt? Würde sie das tun, wenn Michael Stoschek nicht als einer der wohlhabendsten Unternehmer Deutschlands gelten würde?

Sie würde es sicher nicht tun. Und das macht die Causa Coburg so fatal: Diese Stadt gibt zu verstehen, auf was es wirklich ankommt. Und wer dort eigentlich bestimmen darf, was passieren soll.

Kein relevanter Vertreter der Stadt hat, soweit zu erkennen ist, den Firmengründer Max Brose einen über die Maßen bösen Nazi gescholten. Das wäre tatsächlich falsch und verwerflich gewesen. Der Stadtrat hat sich 2004 lediglich erlaubt festzuhalten, dass man Straßen nach Vorbildern benennen sollte. Dafür hat er sich jetzt entschuldigt. Das ist eine Farce.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: