Kötztinger Pfingstritt:Männer und Pferde, sonst nichts

Kötztinger Pfingstritt

Die Reiterprozession in Bad Kötzting zählt zu den ältesten Brauchtumsveranstaltungen in Bayern.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Nur sie dürfen seit Jahrhunderten beim Kötztinger Pfingstritt mitmachen. Die Unesco hätte das gerne anders - aber bevor Frauen mitreiten dürfen, verzichtet man lieber auf den Titel immaterielles Kulturerbe.

Von Hans Kratzer, Bad Kötzting

Auf jenen bayerischen Fluren, die nicht zugepflastert sind, finden sich durchaus noch Kapellen und Feldkreuze. Auf den dortigen Votiven und Inschriften begegnet einem häufig der Mensch in seiner existenziellen Not sowie in seiner Errettung aus großer Gefahr. Ähnlich verhält es sich mit den Wallfahrten und Prozessionen, aus denen der Pfingstritt in Bad Kötzting schon wegen seines hohen Alters herausragt. Er zählt zu den ältesten Bräuchen in Bayern und zu den größten Reiterprozessionen in Europa. Logischerweise wurde der Pfingstritt im vorigen Jahr in das bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Dass dies keineswegs selbstverständlich war, stellte sich einige Monate später heraus. Die nächste Hürde, die Aufnahme in das Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes, schafften zwar schon viele bayerische Traditionen, aber ausgerechnet für den Pfingstritt erwies sie sich als zu hoch. Die Ablehnung der Kultusministerkonferenz, die auf dem Ratschlag des nationalen Expertenkomitees der Deutschen Unesco-Kommission basiert, überraschte nicht nur den Kötztinger Stadtrat. Eingeweihte hatten damit allerdings gerechnet.

Tatsächlich widersprechen sich die Ideale der Bad Kötztinger und die Vorstellungen der Unesco-Kommission fundamental. Während die Unesco beim Kulturerbe großen Wert auf eine "offene, inklusive und partizipative Traditionspflege" legt, halten die Bad Kötztinger eisern an ihrer Männerwallfahrt fest. Dass künftig auch Frauen am Pfingstritt teilnehmen dürfen, wie es die Unesco gerne sehen würde, kommt für sie nicht in Frage. "Wir regen uns über die Ablehnung nicht auf", sagt Sepp Barth, der leitende Zugordner des Kötztinger Pfingstritts. "Als wir uns beworben haben, war uns schon klar, dass wir wenig Chancen haben. Wir passen eben nicht in dieses Schema." Barth sieht nicht ein, warum Jahrhunderte alte Regeln verändert werden sollen. Ganz im Gegenteil: "Wir wollen sie pflegen und weitergeben."

Der Pfingstritt ist seit jeher eine katholische Männerwallfahrt. Der Legende nach wollte im Jahr 1412 ein Priester einem Sterbenden die Sakramente nach Steinbühl bringen. Mutige Burschen sollen ihn aus den Fängen von Wegelagerern befreit haben. Nach der glücklichen Rückkehr gelobten die Männer, den Ritt jährlich zu wiederholen. Deshalb ziehen seit mehr als 600 Jahren Reiter auf geschmückten Pferden von der Pfarrkirche Sankt Veit in Bad Kötzting in die sieben Kilometer entfernte Kirche in Steinbühl und wieder zurück.

Für Bad Kötzting ist der Pfingstmontag der Festtag des Jahres. Viele kommen an diesem Tag in ihre alte Heimat zurück, manche sogar regelmäßig aus Wien und aus Bangkok. 800 Reiter, bis zu 30 000 Besucher - ein Spektakel sei es trotzdem nicht, sagt Barth. "Es ist eine Prozession, ein Glaubensbekenntnis zu Pferde." 2004 machte der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller per Dekret den Pfingstritt zu einer eucharistischen Prozession. Nach 135 Jahren durfte wieder das Allerheiligste mitgeführt werden, nachdem dies 1869 verboten worden war.

Die Unesco will lebendige Bräuche

Während es Barth für einen "Schmarrn" hält, einen 600 Jahre alten Brauch zu verändern, erwartet die Unesco nichts anderes: Ein Kulturgut müsse sich anpassen und für alle zugänglich sein. Elmar Walter, Mitglied der Bundesjury, sagt, bei den Kötztingern sei keinerlei Bereitschaft zur Öffnung des Brauchs feststellbar, im Gegenteil: "Sie sind zur Reflexion der Rollenverteilung nicht bereit." Die Kötztinger Männerwallfahrt entspreche nicht dem, was man heute erwarte.

Michael Ritter vom Landesverein für Heimatpflege rät zu einer historischen Einordnung: "Pfingstritte wurden ja nie ausgerichtet, damit sie einmal in eine Kulturerbeliste aufgenommen werden." Es gebe mehrere Bräuche mit geschlechterspezifischem Charakter. Heischebräuche wie der Wasservogel in Mittelschwaben und der Pfingstl im Bayerischen Wald würden von der männlichen Dorfjugend praktiziert, weil sie auf das männlich dominierte Hirtenwesen zurückgehen. Immerhin seien beim Wasservogel inzwischen auch Mädchen zugange.

Bezüglich des Pfingstritts verweist Ritter auf die einstige große Bedeutung des 1. Mai. "Seit dem 8. Jahrhundert war dieser Tag der Termin der Heeresversammlungen, verbunden mit Ritterturnieren und Reiterspielen. Die Kirche versuchte, solche Termine in ihren Festzyklus zu übernehmen." Ritter hält die alte Heeresversammlung für eine weltliche Wurzel des Pfingstritts. Ob so oder so, Sepp Barth will den Brauch unverfälscht in die Zukunft überführen. "Das Bundesverzeichnis brauchen wir dazu nicht."

Dieser Text ist am 18. Mai 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschienen.

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