Koalitionsstreit zwischen CSU und FDP:"Die CSU hat den Vertrag gebrochen"

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FDP-Fraktionschef Thomas Hacker über die Stimmung in der Koalition und Seehofers Denken im Freund-Feind-Schema.

Frank Müller

Erst wochenlanger Streit um den Atomausstieg, dann eine folgenreiche Abstimmungspanne in der letzten Landtagssitzung vor den Ferien: Das Bündnis aus CSU und FDP zeigt sich in Inhalten und im Stil angegriffen. Mitten im Sturm: FDP-Fraktionschef Thomas Hacker. Die SZ sprach mit dem 43-jährigen Bayreuther über Atmosphärisches.

FDP-Fraktionschef Thomas Hacker glaubt an die Koalition. (Foto: dapd)

Wie geht's der schwarz-gelben Koalition gerade, lebt sie noch?

Wir haben viele Erfolge, etwa in der Wirtschafts- und Bildungspolitik, und arbeiten weiter gut und effizient zusammen. Aber wir sehen, dass die CSU auch nach zweieinhalb Jahren noch nicht in allen Bereichen in einer Koalition angekommen ist. Da müssen wir gelegentlich noch Unterstützungsarbeit leisten.

Aber die beiden Koalitionschefs, Horst Seehofer und Martin Zeil, behandeln sich fast schon feindschaftlich.

Wie Menschen miteinander umgehen, ist sehr unterschiedlich. Wir als Liberale wollen keine personalisierten Auseinandersetzungen, auch wenn andere die gerade suchen. Das lässt sich nicht übersehen.

Reden beide noch miteinander?

Ich bin nicht Mitglied im Kabinett. Aber Kommunikation findet schon statt, auch bei der jüngsten Kabinettssitzung. Auch zwischen Seehofer und mir gibt es eine gute Gesprächsatmosphäre. Das öffentliche Handeln von Horst Seehofer ist ja nicht nur gegen Liberale gerichtet, sondern immer wieder auch gegen seine CSU-Kollegen.

Setzt Seehofer seinen Freunden härter zu als seinen Gegnern?

Ich habe bis jetzt kein Schema entdeckt, nach welchen Kriterien die Gunst oder die Missgunst verteilt wird.

Das heißt: Seehofer ist unberechenbar.

Das sind Urteile, die andere zu treffen haben, nicht ich.

Für die FDP im Landtag waren das schwierige Wochen. Was lief falsch?

Die Entscheidung, nach Fukushima schnell aus der Kernenergie auszusteigen, ist gemeinsam getroffen worden. Martin Zeil hat als Energieminister ein 90-seitiges Konzept dazu vorgelegt. Das hat das Kabinett einvernehmlich beschlossen, es gab dann nur noch den Ausstiegstermin als offene Frage. Wir hätten uns einen offenen Zeitkorridor gewünscht und keine Fixierung auf das Jahr 2022. Das konnte die FDP-Bundesspitze in Berlin nicht durchsetzen. Letztendlich wird es nicht darauf ankommen, ob wir 2021, 2022 oder 2023 aussteigen. Sondern darauf, dass wir dann keinen Atomstrom aus dem Ausland importieren, sondern erneuerbare Energie zu vernünftigen Preisen selbst produzieren.

Hält die Koalition überhaupt noch so lange, um das voranzutreiben? Kurz vor Pfingsten wäre sie beinahe geplatzt.

Es gab eine Abstimmungspanne bei einem SPD-Antrag zur Müllpolitik. Da gab es Desorientierung bei der CSU: Ein Drittel hat mit der SPD gestimmt, ein Drittel mit uns, ein Drittel enthielt sich.

Die FDP zerfiel auch in zwei Teile.

Bei uns gab es Enthaltungen. Aber keine Stimmen für den SPD-Antrag. Es geht doch darum, dass eine Koalition auch dann gut zusammenarbeitet, wenn es für einen Partner schwieriger wird. Deswegen haben wir einen Vertrag. In dem steht: Wenn eine Fraktion einem Oppositionsantrag nicht zustimmen kann, stimmen beide mit Nein. Das hat die FDP oft genug gemacht. Aber ich werte das alles als Ungeschicklichkeit der CSU, nicht als Provokation.

Es gibt verschiedene Versionen davon, was Sie selbst gesagt haben. Haben Sie vom Ende der Koalition gesprochen?

Ich habe getan, was meine Aufgabe ist: den Koalitionspartner mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass er die Verträge gebrochen hat. Das ist schwerwiegend. Dass ich dann eine Stunde mit meinem CSU-Kollegen Georg Schmid diskutiert habe, zeigt, dass die Sache ernst war.

Den Satz "Das war's jetzt" - haben Sie ihn gesagt?

Ich weiß nicht, wer das erzählt. Ich habe darauf hingewiesen, dass die CSU die Regeln der Koalition gebrochen hat. Nicht wir.

Also gab es ein paar Minuten, in denen die Koalition scheintot war?

Es war eine Panne. Dass die Koalition mehr als zwei Jahre ohne eine solche durchkam, ist übrigens ein Beleg dafür, wie gut die Zusammenarbeit ist.

Und doch fragen sich jetzt viele: Wie nervös und labil ist diese Koalition?

Wir hatten schon öfters schwierige Phasen. Wir wussten, dass es mit dem Koalitionspartner nicht einfach wird, dass wir einen Ministerpräsidenten haben, den die CSU noch ein Jahr zuvor nicht wollte. Deswegen ist die FDP so wichtig: als stabiles und verlässliches Element.

Macht Sie eigentlich der schwarz-grüne Flirt nervös? Seehofer und die Grünen scheinen sich immer mehr anzunähern.

Eines ist klar, nur mit einer starken FDP wird es die Fortsetzung einer bürgerlichen Regierung in Bayern geben. Dass Schwarz-Grün nicht funktioniert, hat Hamburg ja gezeigt und dazu geführt, dass die Union dort nicht länger regiert. Ob das die richtige Strategie für die CSU ist, wage ich zu bezweifeln.

Interview: Frank Müller

© SZ vom 16.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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