Koalitionskrach wegen Schlecker:Vom Spaß zum Ernstfall

Erst war es nur eine leichte Anspannung, dann ein offener Streit zwischen Ministerpräsident Seehofer und seinem Vize Zeil über den Fall Schlecker. Und nicht nur die Chefs behakeln sich, auch Fraktions- und Parteispitzen von CSU und FDP attackieren sich heftig. Die SPD spricht bereits von "Endzeit-Chaos" in der Koalition.

Frank Müller

"Martin!" Es ist erst ein paar Tage her, dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) seinen Vize Martin Zeil (FDP) in der Landtags-Lobby herbeizitierte - im Spaß natürlich, der bei Seehofer immer auch Ernst ist. Und umgekehrt. Zeil hatte gerade ein Interview gegeben. "Martin", rief Seehofer, "keine Interviews gegen die Staatsregierung!"

Seehofer kritisiert FDP-Kurs in Schlecker-Debatte

Zwei Duzfreunde auf Entfremdungskurs: Zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer (links) und seinem Vize Martin Zeil kracht es gehörig.

(Foto: dapd)

Zu diesem Zeitpunkt knirschte es schon zwischen CSU und FDP. Beide Seiten stritten darüber, wer das jüngste Ausbauprogramm für das Breitbandnetz erfunden hatte. Seehofer spielte den Unwissenden und fragte Zeil konziliant, wie er die Urheberschaft sehe. "Das war mein Vorschlag und unser gemeinsamer dann", sagte Zeil, "ja, so war's." Und beide lächelten sich an, wie es Krokodile tun: die Zähne bleckend, herausfordernd, bissbereit. "Na", setzte Zeil noch eins drauf, "jetzt hast Du Dich ja wieder erinnert."

Seehofer liebt solche kleinen Szenen aus dem improvisierten Polittheater, Zeil spielt sie mittlerweile souverän mit. Sie sind immer auch Zeichen dafür, dass etwas köchelt. Das kann sich dann abkühlen oder hochkochen, aus Spaß kann ganz schnell Ernst werden und aus Ernst wieder Spaß.

Diesmal wurde es ernst, ohne Spaß.

Während der Breitbandkrach noch schwelte, kam blitzschnell ein ganz anderes Thema über die Koalition: Schlecker. Das war von stärkerem Kaliber als die abstrakte Debatte um Internet-Geschwindigkeiten. Die Tränen der Verkäuferinnen im Fernsehen riefen Seehofer auf den Plan und seinen Finanzminister Markus Söder gleich mit. Noch am Dienstag hatte das Kabinett in Anwesenheit Seehofers, Söders und Zeils einvernehmlich beschlossen, dass sich Bayern an einer vorübergehenden Rettung der Arbeitsplätze beteiligt, vorausgesetzt, alle anderen Bundesländer tun dies auch.

Ab dann gingen die Linien von CSU und FDP auseinander. Am Mittwoch setzten sich Seehofer und Söder schon leicht von dem Beschluss ab, im Lauf des Donnerstags kam es zum offenen Streit. Während Zeil Beschlusstreue anmahnte, verlangte Seehofer flexibles Handeln, um eine Transfergesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten auch ohne eine Beteiligung aller Länder durchzusetzen.

Zum Showdown kam es dann wohl am Nachmittag. Da sollte eine paritätische Koalitionsrunde am Telefon zusammengeschaltet werden, doch in der Hektik wurde es nur ein Dreier-Telefonat: Seehofer, Zeil und Söder. Zeil blieb beim Nein. Seehofer und Söder akzeptierten widerwillig, verzichteten aber auf den ganz großen Knall, den Koalitionsbruch.

"Keine Kurzschlussreaktion"

Seitdem läuft das Koalitionsscharmützel auf breiter Front. Nicht nur Seehofer und Zeil behakeln sich, auch Fraktions- und Parteispitzen attackieren sich heftig. "Keine Kurzschlussreaktion", gibt Seehofer als Parole an sich selbst aus, kurz nach den Verhandlungen in Berlin. Dann greift er Zeil an: "Das gehört eigentlich zu uns in Bayern, dass wir die Menschen nicht alleinlassen, sondern uns um ihr Schicksal kümmern", sagt er im BR. "Aber leider hat der Wirtschaftsminister Zeil nicht zugestimmt."

Zeil schießt zurück: "Wir hatten eine eindeutige gemeinsame Grundlage, und es war auch am Donnerstagvormittag noch klar, dass es dabei bleibt", sagt er der SZ. Es sei nicht akzeptabel, dass sich Seehofer nun "aus dem Staub macht". Die SPD diagnostiziert schon "schwarz-gelbes Endzeit-Chaos". "Demonstrativ hilflos" wirke Seehofer in seiner "Führungsschwäche" neben Zeil, sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Am Freitag trafen die Streithähne wieder aufeinander bei einem Termin bei EADS. Eigentlich wollten sie das Schlecker-Thema ausklammern, doch dann sagte Seehofer doch einen Satz: Es sei ja Frühling, und "die ganze Woche war gut - mit Ausnahme von gestern". Seehofer macht schon wieder Spaß. Das kann sich ändern.

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