Koalition aus CSU und FDP:Treueschwüre auf der Regierungsbank

Lesezeit: 3 min

Horst Seehofer war für Attacken auf den Koalitionspartner FDP immer gerne zu haben. Doch nun sieht es aus, als sei Bayerns Ministerpräsident der inoffizielle Vorsitzende des Martin-Zeil-Fanclubs. Seehofer nimmt Zeil und seine gebeutelte FDP sogar gegen die eigene Partei in Schutz. Und der sonst so betuliche Zeil wird zur Wahlkampfmaschine.

Frank Müller

"Das ist nicht unser Stil." Horst Seehofer ist erkennbar geladen und spricht leise, kühl und vor allem ironiefrei - bei ihm ein besonderes Alarmsignal. Seehofer macht weiter: "Wir haben einen gewissen Stil des Umgangs miteinander, und da gehört so etwas nicht dazu."

Kommt seit Monaten ohne Attacken gegen den Koalitionpartner FDP aus: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (rechts) mit seinem Wirtschaftsminister Martin Zeil. (Foto: dpa)

So etwas: Das ist jene Form von Eigentor, die der Ministerpräsident einfach nicht mehr sehen will in diesen Vorwahlkampfzeiten. Dass nämlich aus den eigenen Reihen Querschüsse kommen, dass Aktionen der eigenen Leute Seehofers sorgsam ausgeklügelte Koalitionschoreographie durcheinanderbringen.

Es ist die unglückliche Junge Gruppe der CSU-Fraktion, über der sich an diesem Mittwoch der Donner des Chefs entlädt. Die Gruppe von Nachwuchsparlamentariern gilt als Führungsreserve, ihr Sprecher, der Münchner Abgeordnete Markus Blume, ist jetzt Chef der CSU-Wirtschaftskommission und gilt als Mann von dem man noch viel hören wird.

In dieser Woche freilich hätte er besser geschwiegen. Blume hatte ein paar Sätze gesagt, dass er sich von der Wirtschaftspolitik des Freistaats zusätzliche Dynamik und eine Vorwärtsstrategie wünschen würde. Das Problem daran: Er sagte sie unmittelbar im Vorfeld einer für diesen Mittwoch mit großer Akribie von Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) vorbereiteten Regierungserklärung zur wirtschaftlichen Spitzenstellung Bayerns.

Der Eindruck war von Blume vielleicht nicht beabsichtigt, aber dennoch da: Mit ein paar gezielten Nadelstichen wird in der CSU versucht, Zeil die Butter vom Brot zu nehmen, wieder einmal.

Ironischerweise war Seehofer selbst für kleinere und größere Attacken auf seinen Vize Zeil noch vor wenigen Monaten gern zu haben. Doch ein halbes Jahr ist in der bayerischen Politik eine Ewigkeit. Schon seit Wochen ist Seehofer der inoffizielle Vorsitzende des Martin-Zeil-Fanclubs.

Wann immer der gerade Unterstützung braucht, ist Seehofer zur Stelle. Das ging soweit, dass Seehofer gegen den Willen eines großen Teils der eigenen CSU-Fraktion bei einer Kabinettsklausur den Einstieg in das kostenfreie Kindergartenjahr durchsetzte: Weil Zeil und die FDP es so wollten.

So kommt es, dass sich die Seehofer-Schere bei diesem vorletzten Plenumstag vor Weihnachten ganz besonders weit öffnet: Im Saal treibt er seine Parteifreunde von der Jungen Gruppe für jeden sichtbar in eine Ecke im Plenarsaal und pfeift sie zusammen. Deutlich sei er geworden, sagt Seehofer selbst danach, "das kann man sagen".

FDP-Mann Zeil dagegen kann sich über Vorzugsbehandlung freuen. Noch vor der Sitzung telefoniert Seehofer mit ihm. Ebenfalls auf offener Landtagsbühne geht Seehofer dann nach Zeils Regierungserklärung zu diesem hin, klopft ihm männerfreundschaftlich auf die Schulter und startet später vor dem Saal noch ein paar Hosianna-Rufe auf Zeil: Dessen Regierungserklärung sei genauso gewesen, "wie man sich's wünscht", lobt Seehofer. "Ich weiß nicht, was man hätte noch besser machen können."

Das hohe Lob liegt wohl daran, wie der früher häufig als zu betulich verspottete Zeil sich zur Überraschung vieler als Wahlkampfmaschine entpuppt. Zeil lobt nicht nur den Freistaat als "das Chancenland in ganz Europa", das eine glänzend laufende Wirtschaft und in weiten Teilen Vollbeschäftigung biete. Er sagt auch, woran das liegt: "Es kommt darauf an, wer ein Land regiert", ruft Zeil ungewohnt engagiert. "Bayern steht so gut da, weil CSU und FDP dieses Land regieren."

Und dann zerpflückt er noch die Opposition und den nicht anwesenden SPD-Kandidaten Christian Ude. Die Regierung wisse, was sie für die einzelnen Regionen Bayerns tue, sagt Zeil und ätzt: "Und wir wissen vor allem, wo sie sind.

Das unterscheidet uns von einem Spitzenkandidaten außerhalb dieses Hauses", so Zeil unter Anspielung auf den mittlerweile berühmten Lapsus von Ude, "der Aschaffenburg mal eben nach Oberfranken verlegt". Kurz darauf gibt Zeil Ude nochmal eins mit und wirft ihm vor, sich nicht genügend für die zweite Stammstrecke ins Zeug zu legen.

So etwas gefällt Seehofer. Denn intern lautet die CSU-Parole zum Jahresende, im neuen Jahr sollten die Attacken verschärft werden. Der Kampf um 2013 wird härter, spätestens seit dieser Regierungserklärung hat der Wahlkampf auch im Landtag begonnen. Der erste Punktsieg geht dabei ausgerechnet an die gebeutelte FDP, ausgerechnet am Tag des Rücktritts ihres Generalsekretärs Christian Lindner.

Die Opposition bleibt dagegen blass: Der häufig brillant streitende SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher findet den richtigen Gang nicht, sein Grünen-Kollege Martin Runge verzettelt sich in Eurodebatten und für die Freien Wähler findet Alexander Muthmann auch nur einen in Erinnerung bleibenden Satz: Immer rede alles von München, von der dritten Startbahn und der zweiten Stammstrecke, klagt er. "Wir wären in anderen Teilen Bayerns schon froh um einen Bus."

So kommt es, dass Seehofer sich zum Jahresausklang weniger vor der Opposition fürchten muss und mehr vor dem eigenen Lager. Dort landet derzeit vorwiegend der Zorn des Ministerpräsidenten, das zeigt nicht nur der Fall Junge Gruppe. Sondern auch der gewaltige Krach mit dem Obersten Rechnungshof. Nicht die Opposition, sondern diese Freistaatsbehörde hat sich zum härtesten Kritiker der aktuellen Haushaltspolitik entwickelt, das ist bemerkenswert.

Am Vorabend der Plenardebatte trafen Seehofer und ORH-Präsident Heinz Fischer-Heidlberger bei einem Landtagsempfang aufeinander. Der wurde mit Gejohle begrüßt. Doch zu einem Gespräch zwischen beiden kam es nicht.

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: