Ausstellung im Kloster Banz:"Das ist völlig daneben. So behandelt man keine Menschen"

In Kloster Banz zeigt die Hanns-Seidel-Stiftung eine Ausstellung

Die ethnologische Sammlung brachte Herzog Max mit nach Bayern.

(Foto: Lutz Mükke)

Das Kloster Banz zeigt die orientalische Sammlung des Vaters von Kaiserin Sissi - samt Mumienköpfen. Und missachtet damit Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes.

Von Lutz Mükke

Die ganze Geschichte böte Stoff für gleich mehrere Filme. Ob man daraus eine bitterböse Komödie, eine Tragödie oder einen spannenden Dokumentarfilm machen sollte, lässt sich schwer entscheiden. Es geht um Herzog Maximilian, Kaiserin Sissis Vater, um seine Orientreise im Jahr 1838 und um sein Kuriositäten-Kabinett, das in seiner ganzen Zwiespältigkeit bis heute im Kloster Banz, hoch oben über dem Maintal, zu sehen ist.

Es geht auch um den Umgang mit Toten. Denn unten in den Gewölben des ehemaligen Klosters werden zwischen Krokodilen, exotischen Reiseskizzen, Buckelschild, ausgestopften Vögeln und Speeren auch eine zerfledderte Mumie und drei verdorrte Menschenköpfe zur Schau gestellt. Das wilde Sammelsurium brachte Herzog Max von seiner achtmonatigen Reise durch Ägypten, Nubien und durchs Heilige Land mit nach Bayern.

Passend zur Ausstellung trägt eine Museumsführerin eine rasante Melange aus dem umtriebigen Landesvater Herzog Max, dem altem Ägypten, "suppenden Mumien-Gehirn" und nachwachsenden Krokodilzähnen vor. Dicht gedrängt und gebannt lauschen etwa 15 Besucher. Sie stehen um die Vitrine mit einer gefledderten Mumie herum, die als Hauptattraktion zentral in der "Orientalischen Sammlung" positioniert ist.

Unter und neben einem durchsichtigen schmalen Tuch sind ihr Gesicht, Arme, Zähne und das zerwühlte Leichentuch zu sehen. Nach seiner Rückkehr habe Herzog Maximilian Freunde und Bekannte "zum Mumienauswickeln" eingeladen, berichtet die Führerin. Man hoffte dabei wertvolle Schmuckstücke zu finden. Die "Originaleinladungen zu diesen Events" seien noch erhalten. Auch eine Handvoll Sklaven hatte der Landesvater in der Ferne gekauft und mit nach Bayern gebracht.

Die Lacher, die die Führerin in ihren Vortrag eingebaut hat, beginnen spätestens von jenem Zeitpunkt an makaber zu wirken, in dem man bemerkt, dass aus einem Glasschrank hinter der Mumien-Vitrine zwei weitere vertrocknete Menschenköpfe mit gut erhaltenen Gesichtszügen heraus schauen. An einem dritten Kopf kleben nur noch braune Hautfetzen. Eine knappe Begleitzeile informiert: "Schädel eines Mannes (rechte Gesichtshälfte ist weggebrochen), Ägypten; 19. Jhdt." Arrangiert sind die drei Schädel zwischen Straußeneiern, Dolchen und vertrockneten Nüssen.

Zwei Buben laufen durch das Museum und sind hellauf begeistert, finden das vier Meter lange Krokodil, die verdorrte Mumie und die Schädel "geil". Hergekommen sind die beiden mit ihrer Tante, Katharina Schmidt aus Hassfurt, die weit weniger euphorisch klingt: "Das geht überhaupt nicht. Unglaublich, dass es heute sowas noch gibt. Das ist völlig daneben. So behandelt man keine Menschen", kritisiert die Sozialpädagogin.

Die Schädel so auszustellen, sei "extrem respektlos". Zwischen den ausgestopften Vögeln wirkten sie "wie Trophäen". Sie ärgert sich auch darüber, dass die Museumsmacher über dieses "verstaubte Sammelsurium" und seine Entstehung nicht reflektieren: "Die Beschriftung empfinde ich als unterirdisch. Es gibt keinerlei Einordnung, keine Reflektion über die ausgestellten Menschen, keinen wissenschaftlichen Zweck. Nur Herzog Max wird in höchsten Tönen gelobt."

Ausstellung im Kloster Banz: Der Leipziger Restaurator Karl Heinrich von Stülpnagel kritisiert die Zurschaustellung von Toten.

Der Leipziger Restaurator Karl Heinrich von Stülpnagel kritisiert die Zurschaustellung von Toten.

(Foto: Lutz Mükke)

Für 30 Euro kann man an der Museumskasse den 372 Seiten starken Ausstellungskatalog "Eine Zitherpartie auf dem Nil. Die Orientreise von Herzog Maximilian in Bayern und seine Orientalische Sammlung" kaufen. In dem wird die "weltweit einzigartige Ausstellung" ausführlich als "Kunst- und Wunderkammer" gewürdigt, sie erinnere "an die große Tradition bayerischer Sammlungsgeschichte und fürstlicher Sammlungstätigkeit in der Tradition der Wittelsbacher". Doch auch im Katalog ist über die drei zur Schau gestellten Köpfe nicht viel zu erfahren. Sie seien einst von den Schultern "eines Derwischs, welcher in der Wüste ermordet wurde", eines Mannes und eines jungen Ägypters abgetrennt worden.

Bei der Mumie soll es sich um eine Frau "aus den Katakomben des libyschen Gebirges" handeln, "6./7. Jh. v. Christus". Etwas mehr erfährt man im Katalog über die fünf Sklaven, die Herzog Max von seiner Reise mit nach Bayern zurück brachte. Am 30. März 1839 wurden die "heidnischen Mohren" in der Münchner Frauenkirche getauft. Einen von ihnen übereignete der Landesvater als Geschenk dem Grafen von Waldbott-Bassenheim.

"Die Banzer sind dreißig Jahre hinterher"

Vier der "nubischen Sklaven" verblieben "im Eigentum von Herzog Max". Sie erhielten zunächst Schulbildung. Die Spuren von zweien verliefen jedoch im Sande der Geschichte. Näheres über ihren Verbleib sei nicht bekannt, heißt es im Katalog. Von einem sei lediglich noch verzeichnet, dass der Herzog ihn gern einsetzte, "Bäuerlein zu erschrecken", indem "er den Mohren als Leibhaften Beelzebub mit drohenden Gebärden auftauchen ließ".

Die Hüterin des Banzer Kuriositätenkabinetts ist Brigitte Eichner-Grünbeck. Sie leitet das Museum. Was ihre Mitarbeiterin während der Führung von herzoglichen Einladungen zu nächtlichen Mumienauswickel-Events erzählt hat, will die Museumsleiterin nicht bestätigen. Davon sei ihr nichts bekannt und es stimme nicht. Herzog Max habe auch nur eine einzige Mumie mitgebracht, woher diese genau stamme, sei unklar. Der besondere Wert der Orient-Ausstellung liege darin, dass Besuchern im Kloster Banz bis heute ermöglicht werde, ein "typisches Kuriositäten-Kabinett" aus jener Zeit anzuschauen.

Dafür sei die Vollständigkeit der Ausstellung sehr wichtig. Die Ausstellung erhebe keinen wissenschaftlichen Anspruch. Aber wenn man die Mumie und die drei abgetrennten Schädel herausnähme, wäre sie nicht mehr komplett. "Wir würden unseren Status verlieren. Das würde es für mich nicht mehr bringen", erklärt Eichner-Grünbeck. Die Präsentation empfinde sie durchaus als pietätvoll. "Um Abstand und Würde zu wahren" habe man extra ein leichtes Tuch über die Mumie gelegt.

Karl Heinrich von Stülpnagel hält Vollständigkeit für ein "sehr schwaches Argument". Er ist Leitender Restaurator des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig, zuständig für 7000 Objekte, und als solcher permanent auch mit der Frage befasst, wie der würdige Umgang mit menschlichen Überresten aussehen könnte. In Leipzig werden diese nicht ausgestellt. Für von Stülpnagel wäre das die "museologische ultima ratio", sagt er. Damit ließe sich vielleicht ein gewisser Gruseleffekt erzeugen und ein wenig Publikum anlocken.

Aber das Sensationelle dürfe ethische und moralische Überlegungen nicht überlagern. Zumal bei dem komplexen Thema Tod, das sowieso schon viel zu wenig thematisiert, sondern verdrängt werde. Fotos von der Banzer Ausstellung kommentiert der Restaurator prompt: "Die Banzer sind dreißig Jahre hinterher." Kein Museum würde heute mehr Menschenköpfe auf Drahtgestelle stecken, sagt er. Kurios findet Stülpnagel, dass die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung gerade an einem Ort wie dem ehemaligen Benediktiner-Kloster Banz ein Museum mit so fragwürdigem Konzept betreibt. Fraglich sei, ob die Ausstellung von Menschenköpfen und einer gefledderten Mumie "christlich-soziale Werte" und die "Bildung des deutschen Volkes" fördert, wie es die Stiftungssatzung verlangt.

Der Restaurator fragt: "Haben wir das Recht, uns über religiöse, ethische und moralische Vorstellungen Verstorbener hinwegzusetzen?" Seine klare Antwort: Nein. Und das gelte auch für die alten Ägypter. Denn die wollten in ihrem Land bestattet sein und betrieben dafür einen immensen Aufwand. "Nach dem Glauben der alten Ägypter können die Seelen ihren Körper nicht mehr wiederfinden, wenn dieser nicht an seiner Stelle ist; die Seelen müssen folglich im Universum vergehen.

Diese Vorstellung kann auch von Christen als grausam und schrecklich nachempfunden werden." Die Chance für Museen könne darin bestehen, anhand ihrer Sammlungen solche Hintergründe zu erhellen und so auch den Respekt vor anderen Kulturen zu fördern. Dazu brauche es jedoch keine zur Schau gestellten gefledderten Mumien und schon gar keine verdorrten Menschenköpfe.

Stülpnagel untermauert mit seiner Einschätzung die 2013 vom Deutschen Museumsbund herausgegebenen "Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen". Dort wird betont, dass "die Nutzung des toten menschlichen Körpers ohne Zustimmung des Betroffenen oder seiner Angehörigen für Zwecke außerhalb der Bestattung gewöhnlich als schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen" wird.

Die Lebenden hätten die Würde von Toten "zu garantieren" und dürften sie "nicht wie sonstige Sachen" behandeln. "Inhalt, Kontext und Ziel der Präsentation von menschlichen Überresten sollten immer kritisch hinterfragt werden", da diese nicht dazu dienten, "die Schaulust von Betrachtern zu befriedigen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: