Klinikverbund ANregiomed:Lage am Ansbacher Klinikum ist "heillos verheddert"

Klinikum Ansbach Foto. Peter Roggenthin

Es steht schlecht um das Ansbacher Krankenhaus. Insgesamt drücken den Klinikverbund ANregiomed mehr als 100 Millionen Euro Schulden.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Der Klinikverbund ANregiomed in Ansbach schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen und steht kurz vor dem Zusammenbruch.
  • Die Klinikchefin hat jüngst ihren Job verloren, nun steht auch CSU-Landrat Jürgen Ludwig in der Kritik.
  • Eine Managementfirma aus dem Gesundheitswesen soll die Geschäftsführung von ANregiomed übernehmen und den Ruin abwenden.

Von Uwe Ritzer, Ansbach

Die Berater verwiesen auf ihre Erfahrung. Etwa 40 Zusammenschlüsse von Krankenhäusern hätten sie schon gemeinsam begleitet und fast alle hätten geklappt. Schief laufe es nur dort, wo nicht betriebswirtschaftlich oder medizinisch sinnvoll gehandelt, gesundheitspolitische Rahmenbedingungen ignoriert oder "notwendige Strukturentscheidungen" verpasst wurden.

Wenn diese Fehler aber vermieden würden, gehe alles gut, trugen Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young und Rechtsanwälte der Kanzlei Luther im April 2012 Kommunalpolitikern in Ansbach vor. Nicht einmal fünf Jahre später erfüllen sich ihre Warnungen auf fatale Weise.

Der 2013 von Stadt und Landkreis Ansbach gegründete Klinikverbund ANregiomed ist ein Lehrstück dafür geworden, wie man es nicht macht. Das kommunale Unternehmen mit Hospitälern in Ansbach, Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl und Feuchtwangen steht wirtschaftlich am Abgrund: Mehr als 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten, allein 2016 ein Defizit von mindestens 15 Millionen Euro und bis 2021 voraussichtlich weitere 46 Millionen Euro Miese. Wären Stadt und Landkreis nicht eingesprungen, hätten die 2500 Beschäftigten 2016 kein Weihnachtsgeld erhalten. Angesichts des Debakels wurde Alleinvorständin Claudia B. Conrad ihres Postens enthoben.

Nun soll eine Managementfirma aus dem Gesundheitswesen die Geschäftsführung von ANregiomed übernehmen und den Ruin abwenden. Darüber hinaus gibt es derzeit jedoch keinen Plan, wie der Klinikverbund längerfristig überleben soll. Dabei wirkt ausgerechnet der Mann besonders ratlos, der die größte Verantwortung trägt: Landrat Jürgen Ludwig, 46. Nach einigen fragwürdigen Manövern ist neuerdings auch seine Glaubwürdigkeit erschüttert; der CSU-Politiker ist angezählt.

Kraft Amtes ist Ludwig auch Verwaltungsratsvorsitzender von ANregiomed. Als solcher habe er strategisch und bei der Kontrolle des Klinik-Managements versagt, werfen ihm Kritiker vor. Jahrelang habe Ludwig den rosigen Prophezeiungen von Klinikchefin Conrad und deren Vorgänger Andreas Goepfert blind vertraut, obwohl sich so gut wie keine der Prognosen erfüllt hat. Kritiker und Warner meierte er nicht selten ab.

Seit einem Jahr fehlt der stellvertretende Vorstand

Bis zuletzt erweckte der Landrat öffentlich den Eindruck, ANregiomed habe gut 60 Millionen Euro Schulden. In Wirklichkeit beliefen sich die Gesamtverbindlichkeiten nach SZ-Informationen längst auf mehr als 100 Millionen Euro.

Nun, da sich die Hiobsbotschaften überschlagen und ANregiomed um seine Existenz ringt, rächen sich die Gutgläubigkeit, mangelnde Transparenz und haarsträubende handwerkliche Fehler. Ein Jahr ist es her, dass der damalige Vorstand Goepfert Ansbach Richtung Braunschweig verließ und seine Stellvertreterin Conrad zur ANregiomed-Chefin aufrückte. Obgleich in der Satzung des Klinikverbunds vorgeschrieben, wurde bis heute kein neuer stellvertretender Vorstand benannt.

Was seit Conrads Abberufung zu dem kuriosen Konstrukt führt, dass der Landrat auch für die operativen Geschäfte der Klinikfirma Verantwortung trägt - und sich als Verwaltungsratschef dabei selbst kontrolliert. Ein Jahr lang schaffte er es nicht, die wichtige Stellvertreter-Personalie zu lösen. Stattdessen ließ er sich vom ANregiomed-Management laufend vertrösten. Er habe Conrad "regelmäßig gebeten", doch "einen Vorschlag" für einen Vize zu machen, so Ludwig auf SZ-Anfrage. Anfang 2017 wäre es so weit gewesen, sagt er.

Zum Chaos kommt noch ein Interessenskonflikt

Stattdessen überschlagen sich nun die Ereignisse und Ludwig muss um sein politisches Überleben kämpfen. Der Landrat ist angezählt, seit die Fränkische Landeszeitung (FLZ) ihn einer Falschaussage überführte. Sie hängt mit der Frage zusammen, ob die ebenfalls im Landkreis Ansbach angesiedelte Diakonie Neuendettelsau ANregiomed beim Managen der Krise kurzfristig helfen könnte. Das sei unmöglich, hatte Ludwig mehrfach erklärt und sich dabei auf Gespräche mit Diakonie-Chef Mathias Hartmann berufen. Der wies dies empört zurück. Sehr wohl könnte man "sofort aktiv werden" und ANregiomed helfen, sagte Hartmann der FLZ. Es sei ihm schleierhaft, wie der Landrat anderes behaupten könne.

Zumal er es besser wissen müsste. Seit April 2013 sitzt Jürgen Ludwig im Kuratorium und damit im Aufsichtsrat der Diakonie Neuendettelsau. Was an sich ein klassischer Interessenskonflikt ist, denn der evangelische Sozialkonzern ist auch der größte Konkurrent von ANregiomed im Landkreis Ansbach. Er betreibt in Neuendettelsau ein Krankenhaus, dessen medizinisches Angebot sich mit jenem in ANregiomed-Häusern überlappt. In Strüth, vor den Toren Ansbachs, betreibt die Diakonie seit Jahrzehnten eine Fachklinik für Lungenerkrankungen. Was ANregiomed nicht daran hinderte, am Ansbacher Klinikum selbst eine Lungenabteilung aus dem Boden zu stampfen. Sie war von Anfang ein finanzielles Desaster.

Als Kuratoriumsmitglied der Diakonie und ANregiomed-Verwaltungsratschef ist Ludwig in beiden Klinikunternehmen maßgeblich involviert, wenn es um Strategie, Investitionen und die Kontrolle des jeweiligen Managements geht. Es ist, als wäre der BMW-Aufsichtsratschef zugleich auch Aufsichtsratsmitglied beim Konkurrenten Audi. Jürgen Ludwig findet daran nichts Verwerfliches. Es gäbe schließlich im Bereich Kindermedizin eine Kooperation von ANregiomed und Diakonie, lässt er mitteilen. Interessenkonflikt? "Die Arbeit in den Gremien orientiert sich an Sachthemen und mitunter habe ich mich angeboten, vermittelnd zu wirken", weicht er aus.

Inzwischen stößt das merkwürdige Krisenmanagement des Landrats und seiner ihm treu ergebenen Stellvertreter Kurt Unger (SPD) und Stefan Horndasch (CSU) auf immer heftigere Kritik. Von "offensichtlich begrenzt fähigen Politikern", deren Lösungen angesichts der "schon lange anbahnenden Katastrophe" bei ANregiomed an das "sprichwörtliche Herumstochern im Nebel" erinnerten, schrieb zuletzt die FLZ.

Damit einher wachsen auch in dessen eigenen politischen Reihen Zweifel an der Kompetenz des Landrats. Der Dinkelsbühler brachte keinerlei politische Erfahrung mit, als er 2012 zum Nachfolger des gesundheitsbedingt zurückgetretenen Rudolf Schwemmbauer gekürt wurde. Bis dahin war Ludwig bei der Stadt Crailsheim als Wirtschaftsförderer angestellt.

Die CSU tut sich schwer mit dem Landrat

Nun habe sich Ludwig "heillos verheddert", sei beim Thema ANregiomed "völlig überfordert" und agiere immer unglaubwürdiger, sagt ein vor Ort einflussreicher CSU-Mann. Der Partei fällt die Treue zu Ludwig immer schwerer. "Er ist ein ausgezeichneter Landrat, der strategisch denken kann, Impulse setzt, sich aber bei ANregiomed verschleißt", sagt der CSU-Kreisvorsitzende Jan Helmer pflichtschuldig. Zu sehr sei Ludwig in der Vergangenheit "auf Aussagen Dritter angewiesen gewesen, die sich nicht bewahrheitet haben".

Schuld an der Misere seien die Klinikmanager, deren "Verfehlungen und falsche strategische Weichenstellungen" der Landrat nun ausbade. Ob die CSU noch hinter Jürgen Ludwig stehe? Ja, sagt Helmer, "weil wir auf seine Aussagen und Einsatzbereitschaft vertrauen müssen". Die Betonung liegt auf dem Wort "müssen".

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