Klinikverbund ANregiomed:Klinikum Ansbach macht 30 000 Euro Verlust - jeden Tag

Klinikum Ansbach Foto. Peter Roggenthin

Das Klinikum Ansbach gehört zu Deutschlands drittgrößtem kommunalen Klinikverbund. Insgesamt addieren sich die Schulden von ANregiomed auf mittlerweile 120 Millionen Euro.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Der Klinikverbund der Stadt und des Landkreises Ansbach ist hoch verschuldet.
  • Der Plan, ein externes Unternehmen die Geschäfte führen zu lassen, steht allerdings vor dem Scheitern.
  • Jetzt gibt es eine europaweite Ausschreibung, das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate dauern.

Von Uwe Ritzer

Es war ein kühler Regentag Anfang Mai, doch die Gesichter auf den Fotos, die das Geschehen festhielten, strahlen Freude aus. Endlich mal ein freudiger Anlass in Sachen ANregiomed, nämlich Richtfest für den ersten Bauabschnitt des Bettentraktes am Ansbacher Klinikum. Selbiges ist seit Jahren eine Großbaustelle, auch im übertragenen Sinn. Das Hospital ist Teil von ANregiomed, dem größten Sanierungsfall unter Bayerns kommunalen Kliniken.

Der Krankenhausverbund von Stadt und Landkreis Ansbach ist ver-, manche Insider sagen sogar überschuldet und macht täglich 30 000 Euro Verlust. Die Situation ist verfahren. Die verantwortlichen Kommunalpolitiker mit Landrat Jürgen Ludwig (CSU) an der Spitze können sich seit Monaten nicht über das weitere Vorgehen einigen und blockieren sich gegenseitig. Derweil läuft ANregiomed die Zeit davon.

Schon wird darüber diskutiert, die etwa 2500 Beschäftigten von ANregiomed sollten zum Zwecke der Einsparung auf fünf Prozent ihrer Löhne und Gehälter verzichten. Die Begeisterung bei den Betroffenen hält sich in Grenzen. "Warum sollen wir für jahrelanges Missmanagement und Fehler büßen, an denen wir nicht schuld sind?", fragt sich eine Krankenschwester.

Tatsächlich ist die Geschichte von ANregiomed eine teure Kette von falschen Entscheidungen, politischem Kirchturmdenken, verschleppten Problemen, Fehlgriffen bei der Besetzung von Management-Positionen und haarsträubenden handwerklichen Fehlern.

2013 fassten Stadt und Landkreis Ansbach ihre Krankenhäuser in ANregiomed zusammen. Zu dem Verbund gehören die Hospitäler in Ansbach, Rothenburg und Dinkelsbühl, eine Tagesklinik in Feuchtwangen, fünf medizinische Versorgungszentren und sechs Pflegeschulen in Bayerns größtem Landkreis.

Die Defizitprognosen stiegen immer höher

Der zwischenzeitlich abgewanderte ANregiomed-Vorstandschef Andreas Goepfert versprach nach Ansicht seiner zahlreichen Kritiker viel und hielt wenig, was er allerdings ganz anders sieht. Manche sagen, der Verwaltungsrat von ANregiomed (und allen voran dessen Vorsitzender Landrat Ludwig) hätten sich zu lange blenden lassen und nicht kritisch genug hinterfragt. Unmittelbar nach dem Abgang des Managers spitzte sich die Lage dramatisch zu.

Mehrmals musste Goepferts frühere Vize und Nachfolgerin Claudia B. Conrad 2016 ihre Defizit-Prognosen nach oben korrigieren; am Jahresende lag der Verlust bei 15 Millionen Euro, mehr als doppelt so hoch wie ursprünglich kalkuliert. Dieses Jahr soll das Defizit bei 10,9 Millionen Euro liegen. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten von ANregiomed nach Angaben von Insidern auf mehr als 120 Millionen Euro, Tendenz steigend. Ohne eine Finanzspritze von Stadt und Landkreis hätten die Mitarbeiter 2016 nicht einmal mehr ihr Weihnachtsgeld mehr bekommen, denn die Gläubigerbanken stehen längst auf der Bremse.

Auch personell geht es drunter und drüber. Anfang Januar wurde Klinikchefin Conrad zunächst degradiert und kurz darauf außerordentlich und fristlos gekündigt. Nun steht eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung an, und die Chancen Conrads auf eine satte Abfindung sind nach Ansicht von Experten nicht schlecht. Ihr gut dotierter Vorstandsvertrag wäre regulär erst Ende 2020 ausgelaufen. An ihrer Stelle übernahm kurzzeitig Landrat Ludwig die ANregiomed-Geschäfte, ehe der von Conrad geschasste und vom Verwaltungsrat umgehend wieder zurückgeholte Finanzchef Jörg Reinhardt zum Interims-Klinikvorstand befördert wurde, befristet bis Ende Juli 2017.

Ein externer Geschäftsbesorger hätte Charme

Bis dahin soll eigentlich eine längerfristige Lösung gefunden sein, doch die Suche danach entwickelte sich zum Fiasko. Nach langem Hin und Her sollte nach dem Willen von Landrat Ludwig, der Ansbacher Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos) und der meisten Verwaltungsräte Deutschlands drittgrößter privater Klinikbetreiber, die Sana Kliniken AG, für einige Jahre mit der Geschäftsführung von ANregiomed betraut werden.

Die Lösung mit einem externen Geschäftsbesorger hat für viele Verantwortliche in Ansbach Charme. Jeder weiß, dass unpopuläre Eingriffe in die ANregiomed-Struktur unumgänglich sein werden, soll der Verbund gerettet werden. Ein privater Geschäftsbesorger unterläge dabei weniger Einflüssen und Zwängen und könnte dementsprechend freier agieren als Kommunalpolitiker, die wiedergewählt werden wollen.

Doch der Sana-Plan steht vor dem Aus. Im Verwaltungsrat stimmten zwar Ende April acht der zwölf Mitglieder für die Kooperation, doch verlangt die Satzung eine Dreiviertelmehrheit. "Die Chance wurde verpasst, schnell für die Mitarbeiter Klarheit zu schaffen und den Weg einer wirtschaftlichen Sanierung mit einem kompetenten Partner zu gehen", klagt Landrat Jürgen Ludwig.

Nun steckt ANregiomed in der Sackgasse. Kritiker halten eine Vergabe des Auftrages an Sana ohne vorherige europaweite Ausschreibung für gesetzeswidrig und juristisch anfechtbar. Gar von banenrepublikanischen Verhältnissen in Ansbach war die Rede. Die Juristen sind sich uneins; dennoch wird jetzt europaweit ausgeschrieben. "Dieses Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate bis zu einer Entscheidung erfordern", sagt Ludwig. Das ist viel Zeit, wenn man eigentlich keine mehr hat.

Für den Landrat ist die Entwicklung ein neuer, schwerer Schlag. Schon länger werfen ihm Kritiker auch in der eigenen Partei politisches Missmanagement und Führungsschwäche bei ANregiomed vor. Ludwig wirkt angezählt. Die Bürgerinitiative Ansbacher Parteiloser (BAP) traut ihm nicht mehr über den Weg. Sie zweifelt daran, dass der Landrat die Sana-Lösung tatsächlich wollte. "Mit allen Mitteln" solle auch verhindert werden, dass neutrale Wirtschaftsprüfer sich die ANregiomed-Bücher einmal genau vornehmen. Man müsse "endlich auch die Frage nach der politischen Verantwortung für die höchst bedrohliche finanzielle Situation stellen".

Unterstützer fahren dem OB in die Parade

Beim Thema Sana fuhren Landrat Ludwig sogar treue Unterstützer wie sein Stellvertreter Kurt Unger (SPD) in die Parade. Wortführer der Ausschreibungsbefürworter ist Dinkelsbühls OB Christoph Hammer (CSU). Er kritisiert, dass Hilfsangebote der Diakonie Neuendettelsau und der Bezirkskliniken Mittelfranken nicht ernsthaft behandelt worden seien - auch das ein Seitenhieb gegen Landrat Ludwig.

Pikanterweise schlagen sich die beiden CSU-Kreisvorsitzenden von Ansbach Stadt und Land, Andreas Schalk und Jan Helmer nun auf Hammers Seite. In einem Interview mit der Fränkischen Landeszeitung (FLZ) favorisieren auch sie eine regionale Kooperation. "Wir müssen uns so aufstellen, dass wir bei ANregiomed nicht nur über die aktuellen Untiefen kommen", so Schalk. Auch müsse man sich fragen, "ob es nicht sinnvoller wäre, vom Mantra der kommunalen Trägerschaft auch innerlich abzurücken und zumindest darüber nachzudenken, ob ein Wechsel in der Trägerschaft nicht sinnvoll wäre". Der Direktor der Bezirkskliniken hat bereits ein als "vertraulich" deklariertes Konzept entwickelt, wie ANregiomed geführt werden könnte.

OB Hammer räumt ein, dass die Situation auch für die CSU "belastend" sei. "Aber spätestens bei der Kommunalwahl 2020 werden wir alle daran gemessen, ob wir dieses für die Bevölkerung so eminent wichtige Problem gelöst haben oder nicht."

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