Klausurthema:Wider den Flächenfraß

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Die Grünen wollen verhindern, dass immer mehr Natur mit Gewerbegebieten und Straßen zubetoniert wird. Notfalls mit einem Volksentscheid

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Eigentlich sind sich alle einig: Bayerns Felder, Wiesen und Wälder sollen erhalten werden. Und doch müssen sie immer wieder Neubausiedlungen, Straßen und Gewerbegebieten weichen. Tag für Tag verschwindet ein Stück bayerische Natur - 2015 waren es täglich 19 Fußballfelder. Der Flächenverbrauch steigt dabei deutlich schneller als die Einwohnerzahl. Nun wollen die Grünen eine gesetzliche Obergrenze einführen. Falls nötig, soll sie mit einem Volksentscheid durchgesetzt werden, sagt der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann. Zunächst werden die Landtagsgrünen kommende Woche auf ihrer Klausur in Rothenburg ob der Tauber über die Initiative beraten und sie dann im Landtag einbringen.

Die Grünen wollen erreichen, dass täglich nur noch 4,7 statt derzeit 13 Hektar in Bauland und Straßen umgewandelt werden. Diese Deckelung soll im Landesplanungsgesetz festgeschrieben werden und vom Jahr 2020 an gelten. Die Landesplanung gibt den Rahmen vor, an dem sich die Bezirke und Kommunen mit ihren Regional- und Flächennutzungsplänen orientieren müssen.

Der zulässige Flächenverbrauch soll auf Städte und Gemeinden verteilt werden, die Kriterien dazu müssten noch entwickelt werden. Zusätzlich soll es einen Zertifikatehandel für Baurecht im Außenbereich geben. Gemeinden, die nicht stark wachsen, könnten Flächenverbrauchsrechte verkaufen, Boomregionen Zertifikate ankaufen. Gewollter Nebeneffekt: Geld fließt in strukturschwache Gegenden.

Die Zahl 4,7 Hektar pro Tag orientiert sich an der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Die hatte 2002 als Ziel ausgegeben, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 bundesweit auf 30 Hektar täglich zu verringern. Verbindlich ist dieses Ziel aber nicht.

Bisher konnte der Flächenfraß so nicht eingeschränkt werden. Das Umweltbundesamt beklagt: "Die Ansiedlung von Einkaufszentren, Gewerbegebieten oder Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese ist in den vergangenen 30 Jahren beachtlich gestiegen." Und das bayerische Landesamt für Umwelt stellt fest: Auf dem Land sei der Flächenverbrauch deutlich höher als in den Verdichtungsräumen. "Teilweise werden trotz Bevölkerungsrückgang zusätzliche Wohn- und Gewerbeflächen mit Straßen und Kanälen und anderen Infrastrukturen gebaut."

Die Staatsregierung betont schon lange, wie wichtig das Flächensparen ist, setzt dabei aber auf Freiwilligkeit. Neben Appellen bietet sie Kommunen zum Beispiel Instrumente zum Flächenmanagement an. Allerdings hat das Kabinett die Sparlinie kürzlich verlassen: Bisher durften Gewerbe- und Industriegebiete nicht frei in der Landschaft entstehen, sondern mussten an eine Siedlung angebunden sein. Die CSU will sie nun auch an Autobahnausfahrten und mehrspurigen Straßen ermöglichen. Für große Freizeit- und Tourismusprojekte sollen ebenfalls Ausnahmen gelten.

SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (Foto: e)

Die Grünen hoffen für ihre Obergrenze auch auf Verbündete aus dem CSU-nahen Lager, dem Bauernverband zum Beispiel. Denn der warnte zuletzt immer dringlicher davor, dass Ackerland weniger und teurer werde. Und auch in Gebieten, in denen immer mehr alte Menschen leben, wollen viele Bürger nicht hinnehmen, dass Geschäfte in Ortszentren schließen, weil an der Umgehungsstraßen ein neues Einkaufszentrum gebaut wird.

Doch die Grünen müssen sich auf Protest aus Städten und Gemeinden einstellen. Denn die Obergrenze wäre ein Eingriff in die kommunale Eigenständigkeit. Laut einem Gutachten, das die Fraktion bei einer Expertin für Umwelt- und Planungsrecht in Auftrag gegeben hat, wäre er aber rechtlich zulässig. Und durch den Flächenhandel, über den das Umweltbundesamt in einem Modellprojekt bereits positive Erfahrungen gesammelt hat, wollen die Grünen diese Einschränkung abmildern.

Hartmann weiß auch, dass der Flächenfraß wohl kein Thema ist, dass die Bayern von alleine in die Wahllokale treibt. Trotzdem denkt er, dass ein Volksbegehren Erfolg haben könnte. "Es ist ein Kraftakt, den man schaffen kann", sagt er. In jüngster Zeit habe es immer wieder Bürgerbegehren gegeben, durch die Projekte im Außenbereich verhindert wurden. Etwa am Schliersee, wo im Oktober ein Firmenneubau im Landschaftsschutzgebiet verhindert wurde. Oder in Augsburg, wo im Juni ein geplantes Gewerbegebiet an der B 300 am Widerstand der Bürger scheiterte.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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