Klausur in Kreuth:CSU im Nieselregen

Winterklausur CSU-Landtagsfraktion

Sie wollen die Energiewende: Demonstranten forderten in Wildbad Kreuth den weiteren Ausbau der Windenergie.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Schlechtes Wetter und die Diskussion um die Energiewende verderben auf der Klausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth die Stimmung. Demonstranten fordern den Ausbau der Windkraft, doch Ministerpräsident Horst Seehofer verteidigt seinen Kurswechsel.

Von Frank Müller, Kreuth

Das Klima, man weiß es, ist das eine. Und das Wetter das andere. Deswegen hat es natürlich gar nichts mit Klimawandel und Energiewende zu tun, dass Wildbad Kreuth auch zum Start der zweiten CSU-Klausur ein recht jämmerliches Bild abgibt. Nieselregen um den Gefrierpunkt, Horst Seehofer kommt und steht unterm Regenschirm, wo er früher an stolzen Schneewänden entlang gestapft wäre. Und dann wieder diese nervenden Fragen. Ob er den Atomausstieg rückgängig machen will, was er eigentlich gegen die Windkraft hat. "Ich verzweifle noch", sagt Seehofer in nur teilweise gespielter Hilflosigkeit.

Ein Verdrussthema ist die Energiewende geworden, die doch ursprünglich einen so großen, Seehoferschen Aufbruch in eine neue Industrialisierung des Freistaats markieren sollte. Jetzt steht Seehofer im Regen und seine Partei mit ihm. Fraktionschef Thomas Kreuzer, Hausherr bei dieser Klausur der Landtagsfraktion in Kreuth, ist eigens die paar Kilometer in die Ortsmitte Richtung Tegernsee gefahren.

Dort haben sich Demonstranten aufgebaut, so weit ist es gekommen. Ein gar nicht so kleiner Trupp hält Transparente hoch für den Ausbau der Windkraft. "Stromsperren für Windkraftgegner" werden darauf gefordert. Kreuzer kneift nicht, stellt sich mitten unter sie und lässt sich auspfeifen und anbrüllen. Auch ihn, der noch nie ein Kreuth ohne Schnee erlebte, beschäftigen Klima und Wetter. "Ich sehe wenig Wind und ich sehe wenig Sonne", sagt er. Das sei ja das Problem mit den erneuerbaren Energien.

Die Windbefürworter drehen den Spieß um. Jeder könne ja sehen, was der Klimawandel aus stolzen Wintersportorten macht, sagt einer und blickt auf grüne Wiesen und traurige Häufchen von Restschnee. Kurz: Alle Seiten haben Freude an tiefer Symbolik. Immerhin: Kreuzer wird dafür beklatscht, dass er überhaupt kam. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die zuvor im Gasthof "Zur Post" saß und dort ihre Wahrheiten zur Energiewende verkündete, wählt den Hinterausgang. und lässt die Demonstranten stehen.

"Und ich werde mein Wort nicht brechen"

Vor knapp drei Jahren, direkt nach der Atomkatastrophe von Fukushima, hatte die bayerische Energiewende ihren Anfang genommen. Das ist eine lange Zeit und gemessen daran präsentiert sich die Regierung in Kreuth dem Nullpunkt erstaunlich nahe. Der neuen Energieministerin Ilse Aigner gehen zwar viele Sorgen durch den Kopf. Öffentlich sagen will sie davon am liebsten nur ganz wenig. Der Zusammenprall mit Seehofer hat Spuren hinterlassen. Dem hatte es überhaupt nicht gefallen, dass Aigner kürzlich neue Schulden zur Finanzierung der Energiewende vorgeschlagen hatte.

Nun steht Horst Seehofer vor dem Tagungsgebäude und versucht, den Eindruck einer geordneten Energiewende zu vermitteln. Man sei mit dem Ausbau der regenerativen Energien sogar dem Plan voraus, sagt er. Aber der Ärger mit der Windkraft. Seitdem Seehofer sich von der Idee eines massiven Ausbaus verabschiedet hat, muss er sich Verrat an der Energiewende vorfhalten lassen.

Den Ministerpräsidentnen ärgert das sichtlich. In der Kabinettssitzung zum Wochenstart hatte die Staatskanzlei sogar die Bayernhymne bemüht, um Windräder als Bedrohung von "Bayerns Fluren" erscheinen zu lassen. In Kreuth macht Seehofer weiter. Er habe der Bevölkerung den Schutz der Landschaft versprochen. "Und ich werde mein Wort nicht brechen."

Kaum echte Probleme laut Umfrage

Er meint es ernst, auch als er spürt, dass die Fraktion nicht ganz mit demselben Elan unterwegs ist. Kreuzer bremst sichtlich: "Wir haben das Thema noch nicht ausführlich in der neuen Fraktion diskutiert", sagt er. Und dass auch Seehofers Wunschregel noch gar nicht beschlossen sei. Seehofer mahnt: "Vertrauen erarbeitet man sich in Jahren und man kann es in Stunden verspielen."

Der Abstand von einem Windrad zur Wohnbebauung müsse das Zehnfache von dessen Höhe betragen, so lautet Seehofers neue Linie seit dem Sommer. Doch nun geht es um die Details: Was ist, wenn die Bürger ein solches Projekt auch bei kürzeren Abständen wollen? Und was ist mit den schon beantragten, aber noch nicht genehmigten Vorhaben? Alle bis zum baldigen Stichtag vollständig beantragten Projekte würden nach altem Recht behandelt, sagt Staatskanzleichefin Christine Haderthauer.

Und Seehofer will auch selbst Ausnahmen von der strikten Regel zulassen: "Wenn alle Beteiligten vor Ort sich einig sind nach einem demokratischen Prinzip." Das soll bedeuten: Wenn eine Kommune mit Mehrheit beschließt, dass sie ein Windrad dennoch will, dann wäre dies in Ordnung. Er wolle das nicht von der Zustimmung des "letzten Einödhofs" abhängig machen, sagt Seehofer.

Die Abgeordneten lassen sich von der Aufregung ohnehin nicht anstecken. Auch weil Kreuzer ihnen eine neue Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen präsentiert. Derzufolge haben die Bayern kaum echte Probleme. Unter ihnen steht die Energiewende zwar auf Platz zwei, aber auch sie beschäftigt nur zwölf Prozent der Befragten. Die CSU ist sogar so selbstbewusst, dass sie noch nicht einmal die Sonntagsfrage stellen ließ. Und als es Abend wird, ändert sich noch etwas: Es schneit.

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