Kirchenrebell Helmut Schüller:Katholiken sollen ihre Untertanen-Mentalität ablegen

98. Katholikentag

Das Predigt-Verbot der Bischöfe von Bamberg und Eichstätt war die beste Werbung für den Auftritt von Schüller.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit seinen Forderungen, auch Frauen und Verheiratete zum Priesteramt zuzulassen, eckt Kirchenrebell Helmut Schüller bei der katholischen Kirche an. Doch trotz Predigt-Verbot der Bischöfe spricht er in Nürnberg - und hat 700 begeisterte Zuhörer.

Katja Auer

Er kommt ungefähr zur fünften Strophe von "Die Sache Jesu braucht Begeisterte". Da warten manche schon fast zwei Stunden auf Helmut Schüller, er hat sich verspätet. Das Glatteis. Trotzdem ist die moderne Kirche "Menschwerdung Christi" im Nürnberger Stadtteil Langwasser, deren Architektur auch für eine Turnhalle taugen würde, voll, und im Pfarrsaal nebenan sitzen noch mehr Leute. Um die 700 werden es sein. Die meiste Werbung für die Veranstaltung mit dem österreichischen Pfarrer, der mal Generalvikar von Wien war und heute meist als Kirchenrebell angekündigt wird, haben wohl die Bischöfe von Eichstätt und Bamberg gemacht - sie hatten vor Wochen die Veranstaltung verboten.

Eigentlich sollte Schüller eine Fastenpredigt in der Nürnberger Frauenkirche halten. Das hat dort Tradition, jedes Jahr findet die Reihe statt, und immer wieder wurde es auch politisch. Aber Schüller, den Gründer der Priester-Initiative Österreich, der einen "Aufruf zum Ungehorsam" veröffentlichte, der sich für die Zulassung von Wiederverheirateten zur Kommunion, für Frauen im Priesteramt und für mehr Verantwortung für Laien stark macht, den wollten die Bischöfe nicht reden lassen. Ein Wortgottesdienst sei der falsche Rahmen für einen solchen Auftritt, lautete die offizielle Begründung. Allenfalls eine Bildungsveranstaltung komme dafür in Frage. Und eine solche veranstaltete nun Pfarrer Thaddäus Posielek mit seinem Pfarrgemeinderat. Gegen den Willen von Bischof Gregor Maria Hanke von Eichstätt, aber er

habe die Entscheidung schließlich der Pfarrei überlassen, sagt Posielek. Ein zweites Verbot wollte offenbar niemand aussprechen. Schon das erste hatte unter den Nürnberger Katholiken Unverständnis hervorgerufen. Von Zensur sprach das oberste Laiengremium.

"Ich weiß, wie viel Unangenehmes dieser Veranstaltung vorausgegangen ist", sagt Schüller zur Begrüßung. Es habe ihn überrascht, "dass man schon von vornherein wusste, was der Prediger sagen wird." Das ist freilich nicht nur angenehm für die Kirchenoberen. Er und seine Initiative hätten zum Ungehorsam aufgerufen, sagt Schüller, weil sie es problematisch fänden, dass der Gehorsam von denjenigen eingefordert werde, die von niemandem kontrolliert werden. Folgenlos blieb der Aufruf nicht, Mitglieder der Initiative dürfen in Österreich nicht mehr Dekan werden und keine diözesanen Ämter übernehmen. Was Schüller nicht weiter stört, da das ohnehin nur mehr Verwaltungsaufgaben bedeute.

Schüller ist nicht laut, er poltert nicht. Er ist ironisch bisweilen, aber seine Argumentation baut er auf die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils und aus der Bibel auf. Wie aus dem Epheserbrief: "Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes." Schüller fordert Grundrechte für die Getauften, eine Art Kirchenverfassung. Die müssten die Gläubigen aber auch einfordern und dafür müssten sie ihre "Untertanen-Mentalität" ablegen. Es sei eine "schreckliche, ungesunde Schizophrenie", dass das Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre in der Kirche nicht gelte. "Wie will eigentlich die Kirche Transparenz, Mut des Einzelne und Verantwortung predigen, wenn sie es nicht in den eigenen Reihen praktiziert?"

Zwanzig Minuten spricht Schüller, dann sollen die Besucher mitreden dürfen. Engagierte Katholiken sind gekommen, Pfarrgemeinderäte, Dekanatsratsvorsitzende und einige Pfarrer. Leute, denen etwas liegt an ihrer Kirche, die sich aber der Resignation nur schwer erwehren können. "Wie weit ist es mit unserer Kirche", fragt eine Frau, "ist es noch fünf vor zwölf oder ist es schon zwölf." Jetzt ist es an Pfarrer Schüller, doch noch etwas Optimismus zu verbreiten. Es sei doch das Seltsame an der Kirche, dass es nie einen Grund zum Pessimismus gebe, weil der Geist Gottes immer wehe. Aufstehen und Klartext reden, auch mit den Bischöfen, dazu fordert er die Besucher auf. Mancher hätte sich gewünscht, gleich einen solchen anzutreffen bei der Veranstaltung, aber Abgesandte aus Eichstätt oder Bamberg sind nicht auszumachen.

Pfarrer Thaddäus Posielek sieht sich hinterher bestätigt, dass er den Prediger in seine Pfarrei geholt hat. Nichts, was der Kirche geschadet habe, sei da gesagt worden, findet er. Und auch Stadtdekan Hubertus Förster, der die Fastenpredigten auf Weisung der Ordinariate absagen musste, ist gekommen und findet, dass das Ganze "eine überraschend gute Wende genommen" habe. Nun sei die Frage, was von der Veranstaltung bleibt. "Ob die Menschen mutiger werden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: