Kinderwiesn:Wenn Väter zum Vulkan werden

Kinderwiesn! Wir hatten uns auf einen schönen Nachmittag bei tollem Wetter mit unseren süßen Kleinen gefreut. Doch es wurde, was es ist: ein Desaster.

Text: Lars Langenau

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Reportage Oktoberfest / Wiesn / Kinderwiesn / Kindernachmittag

Quelle: JOHANNES SIMON

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Wir hatten uns auf einen schönen Wiesn-Nachmittag bei tollem Wetter mit süßen Kindern gefreut. Alle in heller Vorfreude auf einen wunderbaren Tag. Die Kinder grinsten wie Honigkuchenpferde. Doch dann die Realität: Überall Jugendliche in Bauerntracht, die schon mittags volltrunken in den Fahrgeschäften rumlungern und den Besuch der Kinderwiesn mit kleinen Kindern zur Tortur machen, heillos überfüllte Fahrgeschäfte und überlaufene Kinderattraktionen - und nervende, heulende Kinder. Eigene Kinder. Unerträglich. Wir hoffen mit den nachfolgenden Zeilen nicht auf den Gefühlen von hundertausend begeisterten Besuchern herumzutrampeln. Unterlassen Sie also das Schreiben von Leserbriefen. Dies hier ist ein ganz persönlicher Bericht. Und ist nicht allgemeingültig. Vielleicht aber eine Anleitung, wie man es besser nicht machen sollte.

Reportage Oktoberfest / Wiesn / Kinderwiesn / Kindernachmittag

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Aufgestellt waren Aninan, 10 Jahre, Cecilia, 5, Charlotte, 5, Victoria, 6, Nicolas, 5, Louisa, 5, und Ella, 2. Anbei drei Väter. Gegen 14 Uhr begann es vielversprechend beim Treffen am Fuß der Bavaria und einer Beratschlagung darüber, was man alles machen wolle: Riesenrad, Teufelsrad, Autoscooter und das ein oder andere Karussell. Die Jungs wollten sich sogar an Achterbahn und in der Geisterbahn versuchen. Nicolas lobte die Lebkuchenherzl im Vorfeld schon mal fachmännisch: "Die sind besser als im letzten Jahr."

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Obwohl das niedlich aussieht, wie Cecilia die Pferde streichelt: Die "große" Wiesn endete im Desaster. Und wie soll man eigentlich je seine Kinder wiederfinden, wenn sie unter Hunderttausenden verlorengehen? Selbst Ausrufen, wie am Hauptbahnhof oder im Fußballstadion geht hier nicht. Doch die Kinder schauten sich ganz lieb das Ponyreiten an. Wir hatten sie da selbst hingeschickt. Nur vergessen in der Hektik mit sieben Kindern. Das war der erste Moment, wo sich die Väter die Mütter sofort herbeiwünschten.

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Louisa testet die Apfelschorle: Wir gehen zunächst die Biergasse runter, die auf keine große Begeisterung bei den Kleinen trifft. Machen Verschnaufpause ("Wir haben Durst") im Hofbräuzelt auf dem an diesem Tag für Kinder reservierten Balkon und betrachten von oben pikiert das Sodom und Gomorrha einer Herde wildgewordener Australier ...

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... dezent schicken wir die Kinder zur Gesichtsbemalung, die von extra dort Beschäftigten angeboten wird. Hin und wieder verirrt sich zu uns da oben auch noch eine Alkoholtesterin, die aber schnell merkt, dass wir mehr als nüchtern, um nicht zu sagen hellwach sind, um unsere Kinder vom Ungemach dieser Welt fernzuhalten.

Reportage Oktoberfest / Wiesn / Kinderwiesn / Kindernachmittag

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Süß sind sie ja, die Kleinen. Hier Charlotte und Victoria. Bei dem Anblick eines Menschen im "Borat"-Kostüm fragt Louisa: "Papa, ist hier ein Schwimmbad?". Die Kids bekommen noch einen Luftballon in die Hand gedrückt, trinken eine Apfelsaftschorle zum zivilen Preis von 2,50 Euro für 0,5 Liter und drängeln zu den Fahrgeschäften ...

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 ... doch zunächst geht es mit Umwegen ("Wir wollen gebrannte Mandeln") zu Fahrgeschäften für andere Lebewesen: Nagetiere. Im Mäuse-Circus. Mehr als ein "süß" und "oh, sind die weiß" angesichts des wie ein großer Käfig schnuppernden Wohnwagens kommt den Kids dabei aber nur wenig über die Lippen.

Dann die Vergewisserung: Sind noch alle Kinder da? Nein zwei fehlten, der dazugehörige Vater aber auch. Egal, natürlicher Verlust. Der ist schon weiter mit seinem zehnjährigen Sohn zur "Wilden Maus" gezogen. Das scheint interessanter. Die Fünfjährigen und Kleineren dürfen nicht mit rein - und harren mit der Geduld von Brauereipferden vor einer Plastikmaus und in der dröhnenden Dauerschleife von Stefan Raabs Hier kommt die Maus aus.

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Inzwischen ist es 15 Uhr, die Massen strömen auf das Oktoberfest und es ist bald kein Durchkommen mehr. Langsam artet das Erlebnis Kinderwiesn zur Folter aus. Und die Kiddies drängeln zum Autoscooter. Nachdem geklärt ist, wer jeweils auf die Kleinen aufpasst, kommen wir trotz Fahrkünsten wie ein Formel-1-Pilot nur knapp an einer Gehirnerschütterung vorbei.

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Langsam wird das Verlangen nach der Erlösung durch die Mutter übermächtig. Bei den Vätern. Dies hier war leider eine andere Mutter. Die konnte uns nicht aus der Patsche helfen.

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Tapfer ziehen wir weiter in das "Amazonas" auf dem Familien-Platzl. Dieses freudig lachende Kind ist die anscheinend mutigere Cecilia. Louisa hingegen lässt sich an der Kasse erst mal versichern, dass das keine Gruselbahn sei. Doch diese Beruhigung stört die Fünfjährige nicht. Nach zwei Minuten steht sie kurz vor einem Herzinfarkt ("Ich habe Angst, dass da echtes Feuer aus dem Vulkan kommt und echte Spinnen sind") und nur noch nach draußen will ...

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... geht aber nicht mehr: Von hinten drängt ein wilder Haufen betrunkener, sinnlos kreischender Jugendlicher, macht den Kindern Angst und stürzt fast auf sie. Die Kinder heulen. Der einzige Vulkan der nun ausbricht, ist der Vater.

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Wir schieben uns mit dem Buggy durch die Menschenmassen, versuchen Betrunkenen und Glasscherben auszuweichen, passieren das Riesenrad, die Wildwasserbahn, Schießbuden, den Silberturm, das Teufelsrad und (im sicheren Abstand) auch die Geisterbahn "Schocker" ...

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 ... sprich alles, was wir uns fest vorgenommen hatten. Aber dafür muss man direkt nach der Öffnung am Morgen um zehn Uhr kommen - und spätestens um 15:30 Uhr die "große Wiesn" verlassen haben.

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Flucht in die Oase der Ruhe: Die Historische Wiesn. Der Eintritt von vier Euro lässt die Wellen der Schrecklichen an der Absperrung scheitern. Es ist durchgehend gesitteter, ruhiger und schöner. Da findet die fünfjährige Louisa zwar das 100 Jahre alte Karussell "doof, langweilig und babysch", aber zuliebe ihrer kleinen Schwester fährt sie dann doch im sehr ausgebremsten Tempo im Kreis und geht durch die "rollenden" Tonnen. Das ist Entspannung pur. Zumal wir dann im schattigen Biergarten drei Würstchen, Brezen und eine Brause für sensationelle vier Euro bekommen.

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Bitte, bitte, liebe Stadtverordnete: Lass dieses Juwel im kommenden Jahr - und dann für immerdar - wiedererstehen. Aber macht die Pferderennen länger. Denn die Tochter fragte: "Papa, das war aber kurz. Vielleicht sind die Pferde schon müde?" Keine Ahnung. Der Papa war es jedenfalls.

© sueddeutsche.de
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