Kernkraftwerke in Bayern:Atommüll: Zwischenlösung wird zum Dauerzustand

Kernkraftwerk Gundremmingen

Strahlender Müll: 45 Castoren lagern momentan in der Betonhalle auf dem Gelände des schwäbischen Kernkraftwerks Gundremmingen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
  • Die bundesweite Suche nach einem Atommüll-Endlager geht äußerst langsam voran.
  • Bis dahin lagert der hoch radioaktive Atommüll in den bayerischen Kernkraftwerken.
  • Damit will sich eine Bürgerinitiative in Gundremmingen nicht abfinden und abermals vor Gericht ziehen.

Von Stefan Mayr und Christian Sebald, München/Augsburg

Rudolf Wahl wohnt in Gundelfingen, einem Nachbarort von Gundremmingen. Sein Haus liegt weniger als fünf Kilometer vom dortigen Atomkraftwerk entfernt. "Bei einem Störfall müsste ich sofort mein Haus verlassen, ohne zu wissen, ob ich jemals wieder zurückkehren darf", sagt Wahl.

Der 76-Jährige macht sich Sorgen um seine Zukunft und die seiner Kinder und Enkel. Der Grund: Er geht davon aus, dass im Gundremminger Zwischenlager bis zur Jahrhundertwende hoch radioaktiver Atommüll stehen wird. Damit will sich der ehemalige Dritte Bürgermeister nicht abfinden: Mit vier weiteren Anwohnern und einem Anwalt geht er gegen das Zwischenlager vor.

Unterstützt von der schwäbischen Bürgerinitiative "Forum gemeinsam gegen das Zwischenlager" hat Wahl beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragt, die Genehmigung des Zwischenlagers zu widerrufen. Derzeit werden auf dem Areal des Kraftwerks Gundremmingen 45 Castoren gelagert. "Jeder dieser Behälter beinhaltet so viel Radioaktivität, wie in Tschernobyl freigesetzt wurde", sagt Raimund Kamm von der Bürgerinitiative.

Wahl, Kamm und ihre Mitstreiter haben bereits vor Jahren gegen die Genehmigung des Zwischenlagers gekämpft - und sind letztlich vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. "Das hat uns 100 000 Euro gekostet", sagt Kamm. Dennoch wollen sie jetzt wieder gegen das Lager vorgehen. Sie begründen dies mit neuen Fakten, sowohl in juristischer als auch in entsorgungstechnischer Hinsicht.

Ihr Hauptargument ist die Tatsache, dass die bundesweite Suche nach einem Atommüll-Endlager bis heute nur äußerst langsam vorangeht. "Die aktuelle Zwischenlagerung ist provisorisch", sagt Rechtsanwalt Andreas Meisterernst, "aber die Castoren werden noch lange stehen bleiben, bis es irgendwann eine andere Lösung gibt." Das Bundesamt für Strahlenschutz hat das Gundremminger und die anderen bayerischen Zwischenlager am AKW Isar und in Grafenrheinfeld bis 2046/2047 genehmigt. Dabei war das Amt allerdings davon ausgegangen, dass spätestens 2031 feststeht, wo das Endlager für den Atommüll aus Deutschland eingerichtet wird.

Bis 2050 könnte ein Endlager gefunden sein

Dieser Termin gilt inzwischen als völlig überholt. Zwar sprach Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Montag davon, dass das neue Endlager womöglich 2050 in Betrieb gehen könnte. Aber noch steht der offizielle Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission für die Standort-Suche aus. Die meisten Experten gehen denn auch davon aus, dass sich die Suche um etliche Jahre mehr verzögern wird.

Und selbst wenn endlich der Endlager-Standort festgelegt ist, ist es damit nicht getan. Sein Bau und seine Beschickung werden viele weitere Jahre dauern. "Bis die Zwischenlager in Gundremmingen und anderswo definitiv geräumt werden können, sind wir im nächsten Jahrhundert", sagt deshalb Edo Günther, Vorsitzender des Arbeitskreises Atomkraft beim Umweltverband BUND.

Neue Bedrohungen machen den Atomgegnern Sorgen

Außerdem treibt die Kritiker der Zwischenlager die Furcht vor Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen um. "Wir haben heute Waffen und Szenarien, die vor wenigen Jahren noch unvorstellbar waren", sagt der Augsburger Atomkraft-Gegner Kamm. Das Zwischenlager in Gundremmingen, aber auch die beiden anderen bayerischen Zwischenlager, sehen aus wie ganz gewöhnliche Beton-Industriehallen. An ihrer Front befindet sich die sogenannte Verladehalle. Dahinter schließt sich das eigentliche Zwischenlager an.

Darin wird der Atommüll in besonderen Behältern, den Castoren, deponiert. Die Wände der Betonhallen sind 85 Zentimeter dick. Derzeit werden die Zwischenlager mit zusätzlichen Mauern aufgerüstet, damit sie besser gegen Terroranschläge geschützt sind. Die Mauern in Gundremmingen sind bereits fertiggestellt.

Nicht nur in Schwaben, sondern auch in der Umgebung der Kernkraftwerke Isar und Grafenrheinfeld ist die Unruhe groß. Die Zwischenlager dort haben ebenfalls noch reichlich Kapazität. In jenem im fränkischen Grafenrheinfeld, das 88 Behälter fasst, sind erst 21 Castoren eingelagert.

Und am niederbayerischen AKW Isar ist das Zwischenlager auf 152 Behälter ausgelegt, untergebracht sind bisher nur 35. Hier sollen aber nicht nur Atomabfälle aus den Reaktoren des AKW aufbewahrt werden, sondern auch sieben Castoren mit hoch radioaktivem Müll, den Deutschland aus der Wiederaufbereitungsanlage im britischen Sellafield zurücknehmen muss.

Paul Riederer, 86 und Atomkraft-Gegner der ersten Stunde aus Landshut, fordert auch schon seit langem, dass die Zwischenlager endlich sicherer werden müssten, sehr viel sicherer. "Die Mauern, die sie jetzt an ihnen entlang hochziehen, reichen bei weitem nicht aus", sagt er. "Die Hallen müssen massiv verstärkt werden - auch die Dächer, damit sie gegen einen Flugzeugabsturz gewappnet sind."

Forderung nach zentralem Zwischenlager für Bayern

Außerdem verlangt Riederer, ein jedes Zwischenlager mit einer sogenannten heißen Zelle auszustatten. Solche massiv abgeschirmten Räume sind Voraussetzung dafür, dass undichte oder anderweitig defekte Castoren ohne Gefahr repariert oder umgeladen werden können. Dem Augsburger Atomkraft-Gegner Kamm sind die Forderungen aus Landshut zu schwach. Er verlangt den Bau eines "neuen, zentralen Zwischenlagers für ganz Bayern", das dann auch besser gegen Terrorangriffe und andere Gefahren geschützt werden könne.

Das Bundesamt für Strahlenschutz bestätigt derweil, dass der Antrag aus Schwaben auf Widerruf der Genehmigung für das Zwischenlager in Gundremmingen eingegangen ist. "Er wird bearbeitet", sagt eine Sprecherin. Wann eine Entscheidung fällt, lässt sie offen. Für den Fall, dass der Antrag abgelehnt wird, kündigen Wahl und die anderen Anlieger eine Klage an.

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