Kernfusion:Fusionsforscher bangen um Zuschüsse

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Mitarbeiter warten im Garchinger Max-Planck-Institut die Röhre, in der das Plasma auf 100 Millionen Grad erhitzt wird. (Foto: IPP/Volker Rohde)

Kritische Äußerungen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schrecken das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching auf. Dort wird seit Jahren an einer Energiequelle der Zukunft gearbeitet, SPD und Grünen passt das nicht mehr ins politische Konzept

Von Martina Scherf, München

Es ist ein verlockender Traum: Würde den Physikern eines Tages gelingen, mit Kernfusion Strom zu erzeugen, wären womöglich alle Energieprobleme gelöst. Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching arbeiten Wissenschaftler an den Grundlagen dieser Technik. Sie sind Teil eines internationalen Forscherverbundes, der einen Versuchsreaktor in Südfrankreich baut. Doch je länger sich das Projekt hinzieht, desto lauter wird die Kritik: Die Fusionsforschung verschlinge Milliarden, ob sie jemals zur Energieversorgung beitragen werde, stehe in den Sternen. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich vor kurzem kritisch geäußert. Das hat die Garchinger Forscher aufgeschreckt.

Seit mehr als 60 Jahren versuchen Wissenschaftler, auf Erden nachzuvollziehen, was in der Sonne geschieht: In deren Innerem brennt ein beständiges Fusionsfeuer, das Wasserstoff-Atomkerne zu Helium verschmilzt und dabei so viel Energie freisetzt, dass selbst das Leben auf der Erde noch davon profitiert. 100 Millionen Grad heißes Plasma müssen die Forscher erzeugen, um diesen Prozess nachzuahmen - ein enormer Energieaufwand. Aber: Es entstehen keine schädlichen Klimagase, und der Reaktor kann nicht außer Kontrolle geraten, wie es in Tschernobyl und Fukushima passierte. Doch ein Fusionsreaktor hat eine begrenzte Lebenszeit, seine Wände, die von radioaktiven Teilchen beschossen werden, müssen regelmäßig ausgetauscht werden, es bleiben also verstrahlte Abfälle. Einen Teil seines Materials, das Tritium, muss er selbst erzeugen, und es gibt noch eine Vielzahl weiterer Probleme. Deshalb ist ein Reaktor, der ans Netz geht, noch lange nicht in Sicht.

Der Forschungsreaktor Iter, der nach vielen Verzögerungen jetzt in Cadarache in Südfrankreich gebaut wird, soll den Beweis liefern, dass die Technik funktioniert und die Fusion zehnmal mehr Energie produziert, als man vorher hineingesteckt hat - bis 2030 wird das wohl so weit sein, sagt Sibylle Günter, die wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), das zwei Anlagen in Garching und Greifswald betreibt. Danach müssen Politiker entscheiden, ob sie die Technik wirtschaftlich nutzen wollen. Den Bau eines markttauglichen Reaktors erwarten auch Experten nicht vor 2050. "Wir hätten uns auch früher Ergebnisse gewünscht. Aber wir erzielen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt Fortschritte in der Energiebilanz, darauf kommt es an. Das erste Flugzeug war schließlich auch noch kein Düsenjet", sagt Günter.

Mehr als 1000 Mitarbeiter arbeiten am IPP für diese Vision, fast 700 sind es in Garching. Der Haushalt des Instituts beläuft sich auf 137 Millionen Euro, 70 Prozent finanziert der Bund, 20 Prozent die EU, je vier Prozent Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, der Rest sind Drittmittel. Iter kostet ein Vielfaches: Anfangs waren 5,5 Milliarden geplant, inzwischen geht man von 17 Milliarden aus. Euratom, die europäische Atomgemeinschaft, hat daher ihren Anteil jüngst auf 6,6 Milliarden gedeckelt. Immer noch zuviel sagen Umweltverbände und Grüne, die die Fusionsforschung für ein Milliardengrab halten. Bei der Vorstellung des Energie-Berichts im Bundestag Anfang Mai hatte Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen, die Ausgaben kritisiert und Sigmar Gabriel gefragt, wie das zu seinem Bekenntnis zur Energiewende passe. Deutschland sei zwar noch durch völkerrechtliche Verträge gebunden, erwiderte Gabriel: "Meines Wissens haben wir erst 2017 die Möglichkeit, auszusteigen. Aber dass wir das tun sollten, dafür haben Sie gute Argumente geliefert".

Dieser Satz hat die Garchinger Wissenschaftler alarmiert. Deshalb will sich jetzt auch der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Marcel Huber (CSU), für den Erhalt der Kernfusionsforschung stark machen und sich persönlich an Gabriel wenden. "Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik braucht Planungssicherheit. Die Haltung des Bundeswirtschaftsministeriums, die weitere finanzielle Unterstützung der Fusionsforschung in Frage zu stellen, wäre ein energie- und forschungspolitisch falsches Signal". Ein Hochtechnologieland wie Deutschland könne es sich nicht leisten, dieses "Energiezukunftsthema" aufzugeben. Das IPP in Garching gehöre zu den herausragenden Forschungsstandorten Deutschlands. Die Ergebnisse aus der Fusionsforschung könnten eines Tages "eine sinnvolle Ergänzung zur dezentralen Stromerzeugung mit volatilen erneuerbaren Energien darstellen". Dazu brauche es aber einen "langen Atem und Planungssicherheit für die Grundlagenforschung".

Auch Günter sagt, die Energiefrage müsse man global sehen, da mache es keinen Sinn, einzelne Technologien gegeneinander auszuspielen. "Der weltweite Energiehunger wird so groß werden, da werden wir alles brauchen".

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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