Kempten:Mutmaßlicher Sexualmörder stellt Opfer als Täterin dar

Prozess wegen Vergewaltigung und Mord

Ein 35-Jähriger sitzt im Landgericht auf der Anklagebank.

(Foto: dpa)
  • Ein Mann soll seine frühere Nachbarin zusammengeschlagen, vergewaltigt und dann in der Badewanne ertränkt haben.
  • Der 35-Jährige räumte zwar ein, für den Tod der 22-Jährigen verantwortlich zu sein, aber er will sich nur gewehrt haben.
  • Dem Mann droht bei einer Verurteilung nicht nur eine lebenslange Haft, in dem Prozess soll auch eine mögliche Sicherungsverwahrung geprüft werden.

Der 35-Jährige soll seine frühere Nachbarin zusammengeschlagen, vergewaltigt und dann in der Badewanne ertränkt haben. Doch seine Version der Geschichte klingt ganz anders - bei ihm wird die junge Frau quasi zur Täterin und ihr Tod zu einem unglücklichen Unfall. Vor dem Landgericht in Kempten räumte der Mann am Donnerstag zu Beginn des Prozesses zwar ein, für den Tod der 22-Jährigen verantwortlich zu sein. Die Anklageverlesung quittierte er zuvor allerdings mit Kopfschütteln. Der brutale Sexualmörder, für den ihn die Staatsanwaltschaft hält, will der Auszubildende überhaupt nicht sein.

Nach den Ermittlungen war der Mann am 19. Juni 2017 nochmals zu dem Mehrfamilienhaus in Weißensberg bei Lindau gefahren, wo er bis kurz zuvor mit seiner ehemaligen Freundin gelebt hatte. Der in Bayern geborene Serbe hatte noch einen Schlüssel zu der Wohnung. Im Treppenhaus soll der Angeklagte auf die 22-Jährige getroffen sein, die Tür an Tür mit der Ex-Partnerin des Mannes lebte. Der Mann soll die 22-Jährige geschlagen, getreten und gewürgt haben, so dass sie möglicherweise bewusstlos wurde.

Nach Ansicht des Staatsanwaltes fasste der Mann den Entschluss, die Frau zu töten, nachdem er sie vergewaltigt hatte. Er soll die 22-Jährige in deren eigener Wohnung in die Badewanne gelegt haben, das Wasser aufgedreht und sie so umgebracht haben.

Der wegen Mordes und Vergewaltigung angeklagte 35-Jährige schilderte das Geschehen vor der Strafkammer aber gänzlich anders. Er habe drei Tage nicht geschlafen und sei zu der Wohnung seiner Ex-Freundin gefahren, um sich dort auszuschlafen und noch Sachen von ihm zu holen, während seine frühere Partnerin bei der Arbeit war. Die 22-Jährige sei plötzlich aufgetaucht und habe auf ihn eingeschlagen. Warum, wisse er nicht genau. Er habe sich gewehrt und es sei zu einem Gerangel gekommen. "Ich wollte nur, dass sie damit aufhört", sagte der Angeklagte.

Letztlich sei die Frau benommen gewesen und er habe sie in die Badewanne gelegt, damit sie durch das frische Wasser zu sich komme. Dann ist nach Darstellung des 35-Jährigen aus Versehen die Wanne vollgelaufen und die Nachbarin untergegangen, während er draußen war. Die Vergewaltigung der 22-Jährigen stritt er ab. Er lieferte auch keine Erklärung dafür, warum die Gerichtsmediziner in Ulm sein Sperma in der Leiche fanden.

Er räumte allerdings sein, dass er nach dem Tod der jungen Frau deren Badezimmer von außen abgeschlossen hat. Die Staatsanwaltschaft sieht darin den Versuch, das Kapitalverbrechen als häuslichen Unfall zu tarnen. Tatsächlich schloss die Kripo auch einen Suizid zunächst nicht aus, doch die bei der Obduktion festgestellten eindeutigen Gewaltspuren brachten die Ermittler schnell auf die Fährte des Ex-Nachbarn der Frau.

Als die Polizei hinter ihm her war, setzte sich der Verdächtige nach Serbien ab. Doch einen Monat später kehrte er nach Deutschland zurück und stellte sich am Flughafen Memmingen der Kripo. Das Gericht hat drei Verhandlungstage eingeplant, um zu prüfen, welche Darstellung richtig ist. Dem Mann droht bei einer Verurteilung nicht nur eine lebenslange Haft, in dem Prozess soll auch eine mögliche Sicherungsverwahrung geprüft werden. Denn die Staatsanwaltschaft hält den Angeklagten für dauerhaft gefährlich. Das Urteil wird voraussichtlich am 5. Juni verkündet.

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