Katholikentag in Regensburg:Regen, Segen, Regen

Katholikentag in Regensburg

Beten mit Regencape: Auch Kardinal Reinhard Marx muss sich in Regensburg vor den Elementen schützen.

(Foto: dpa)

Bischöfe in Plastikplanen, frierende Christen: Von dem nasskalten Wetter an den ersten beiden Tagen lassen sich die Besucher des Katholikentages die Stimmung nicht verderben. Denn die Kirchen sind so voll wie selten.

Von Jakob Wetzel

Der Tag beginnt mit einem Bibeltanz. Es ist ein bisschen wie Morgengymnastik: Die Arme öffnen und schließen, in die Hocke gehen, aufstehen und die Hände nach oben reißen, und dann geht es in Wellenbewegungen durch den Raum. Etwa 80 Besucher des Katholikentags tanzen am Donnerstagmittag durch die Turnhalle der Realschule am Judenstein in Regensburg. Frauen wie Männer, Jugendliche und Ordensschwestern. Sie üben eine Choreografie, angeleitet von einer evangelischen Theologin und Tanztheaterpädagogin aus Berlin. Am Ende sollen sie eine Vision von Hildegard von Bingen zusammentanzen, die Geschichte einer neuen Schöpfung: mit klagenden und "Kyrie" schreienden Elementen, mit einem grimmigen Gottesgericht - da werden sie kreuz und quer durch die Halle marschieren - und schließlich mit Ruhe und Stille nach der Reinigung.

Bibeltanz - für die Tanzenden ist es eine Anregung, sich später auch in ihren Gemeinden zu Bibeltexten zu bewegen, vielleicht in eigenen Tanzgottesdiensten. Aber es geht auch ein bisschen darum, die klammen Glieder zu rühren und sich beim Tanzen aufzuwärmen. Denn draußen vor der Turnhalle regnet es in Strömen. Und alle haben bereits einen verregneten Eröffnungsabend in den Knochen.

Der 99. Katholikentag in Regensburg hat ungemütlich begonnen: maximal 18 Grad am Mittwoch, nur bis zu 16 Grad am Donnerstag, dazu ständiger Regen. Nässe und Kälte ziehen durch Regencapes, Jacken und Schuhe. Über der Stadt wehen die himmelblauen Fahnen des Katholikentags, aber sie bleiben das einzige Blau am grauen Himmel - allem Optimismus zum Trotz, den Gastgeber Rudolf Voderholzer, der Bischof von Regensburg, noch bei der Eröffnungsfeier am Mittwoch versprüht hat. Der Regen höre gleich auf, hat er versprochen. Und weil das nicht half, hat er es mit Bauernweisheiten versucht: "Ist der Mai kühl und nass, füllt's den Bauern Scheun' und Fass!" Und, natürlich: Es gebe kein schlechtes Wetter, es gebe nur unangepasste Kleidung.

Bischöfe mit Plastikplanen

Die Bischöfe, die am Mittwoch auf den Ehrenplätzen sitzen, tragen angepasste Kleidung: Sie haben Plastikplanen übergezogen. Die übrigen Besucher behelfen sich mit Regenschirmen. Und so dauert es nicht lange, und der Blick zur Bühne ist hoffnungslos versperrt von vielen bunten Schirmen. Bischöfe und Gäste wie Bundespräsident Joachim Gauck sind zu hören, kaum zu sehen. Erst als der Regen vorübergehend nachlässt, werden einzelne Schirme zusammengeklappt; so öffnet sich der Blick mal auf Voderholzer, mal auf Gauck, der einfühlsam über die Ökumene spricht, und mal auf Ministerpräsident Horst Seehofer, der sich offenbar unwohl fühlt, bemühte Witze reißt und schließlich versichert, in Bayern blieben die Kreuze in den Klassenzimmern und auf den Berggipfeln. Wenigstens dafür erntet er Applaus.

Katholikentag in Regensburg

Mehr als matschig: Die Katholikentagsmeile in Regensburg.

(Foto: dpa)

Wenig später ist der Regen zurück. Beim "Abend der Begegnung" sind Stände mit Essen aufgebaut, sie verkaufen Gerichte aus den verschiedenen Regionen im Bistum Regensburg. Und die Besucher? Sie drängen sich unter Pavillons und Vordächer, im Freien aufgestellte Bierbänke bleiben leer, es verläuft sich. Entmutigen aber lässt sich niemand. An der Donau werden Kerzen angezündet; damit ihre Lichter nicht verlöschen, drängen sich die Menschen eben pärchenweise unter Regenschirme. Nebenan werden Knackwürste verkauft; die Kunden müssen zehn Minuten im Nieselregen anstehen, aber keiner drängelt. Und auf dem Regensburger Haidplatz ist "Schnippel-Disco": Jugendliche zerkleinern Gemüse, das sonst weggeworfen worden wäre; später soll es Eintopf geben. Trotz des Regens ist viel Betrieb. Freilich: Die Jugendlichen beugen sich konzentriert unter die Pavillons und arbeiten. Zur Disco tanzen will niemand.

Die Stimmung leidet nicht

Und es bleibt nass - vor allem zum Leidwesen der Betreiber der etwa 250 Stände auf der Katholikentagsmeile. "Der Regen verleitet einen ein bisschen zum Motzen", sagt Christoph Lentz, Pfarrer und Präses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend in Augsburg. "Schade" sei das Wetter. Aber einige Besucher kämen trotzdem, und der Stimmung tue der Regen keinen Abbruch. Lentz steht im BDKJ-Zelt auf einer der Donauinseln; im Inneren ist es warm und gemütlich, an den Wänden hängen Plakate, die strahlend blauen Himmel zeigen. In einer Ecke verteilt der BDKJ Zuckerwatte, giftgrün wie das Verbands-Logo. Wegen des Regens muss man die Watte eben drinnen essen. Ein paar Stände weiter verschenkt die "Aktion Mensch" Wassereis. Ein paar Stück sind sie bereits losgeworden. Aber drei große Kühltruhen sind noch randvoll, mit insgesamt 7000 Stück.

Katholikentag in Regensburg

Simpler Schutz für wertvolle Gewänder: Die Plastikplanen sind überall zu sehen.

(Foto: dpa)

Auf der Nebeninsel haben Ordensgemeinschaften ihre Stände aufgebaut. Auch sie wollen sich nicht entmutigen lassen. "Kommen Sie rein, hier ist es trocken und Sie bekommen warmen Kaffee", ruft eine Ordensschwester den wenigen Besuchern zu, die durch den Schlamm zwischen den Pavillons waten. Nebenan stehen zwei Barmherzige Brüder verloren im Regen; sie haben einen großen Kickerkasten mitgebracht, er stammt aus einer Behindertenwerkstatt in Kremsdorf bei Erlangen und ist ein besonderes Stück: Auf jeder Seite ist Platz für drei Spieler. Mehr Griffe, mehr Fußballer-Figuren, mehr Spaß - einstweilen aber haben die Brüder eine Plastikplane über ihren Kasten gebreitet. Sie warten auf besseres Wetter.

Wo sind die Besucher? Am Donnerstagmorgen treibt es sie in die Kirchen. Nicht nur, um zu beten: Innen ist es trocken. In den Kirchenbänken werden Programmbücher gewälzt und Karten ausgebreitet. 17 000 von ihnen werden trotz des Regens zum Eröffnungsgottesdienst ins Stadion an der Universität ziehen.

Die übrigen wärmen sich auf, zum Beispiel beim Bibeltanzen. Da bücken sie sich zum Boden, springen und schreien, formen Wellen oder Flammen mit den Händen. Sie schwingen sich durch den Raum, entrückt und versunken. Bis die Leiterin plötzlich die Musik ausschaltet. Da wachen sie auf, bleiben stehen und klatschen.

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