Karlheinz Schreiber vor Gericht:"Damals war Schmiergeld absetzbar"

Schreibers Anwälte stellen den Lobbyisten als kleines Rad im Getriebe dar: Er habe nichts Böses getan - und wenn doch, dann nicht alleine.

Birgit Kruse, Augsburg

Es ist exakt eine Minute nach neun Uhr, als sich die Tür an der Rückwand des Verhandlungssaales öffnet. Mit kleinen und langsamen Schritten betritt Karlheinz Schreiber den Sitzungssaal 101 im Landgericht Augsburg. Er schmatzt einen Kaugummi und lässt sich Zeit, die wenigen Meter bis zur Anklagebank zurückzulegen. Als das Blitzlichtgewitter der Fotografen auf ihn niedergeht, bleibt er einen Augenblick stehen und strahlt in die Kameras sein aufgeräumtes Lächeln.

Karlheinz Schreiber, Prozessauftakt in Augsburg; AP

Karlheinz Schreiber beim Prozessauftakt vor dem Augsburger Landgericht.

(Foto: Foto: AP)

Schreiber scheint diesen Moment zu genießen. Er liebt die Öffentlichkeit und es ist sein erster öffentlicher Auftritt seit seiner Auslieferung aus dem kanadischen Exil im Sommer 2009. Seit jenem 3. August sitzt er nun in Untersuchungshaft.

"Undurchschaubares Lügengebäude"

Mit seiner Auslieferung endete für den 75 Jahre alten Kaufmann aus Kaufering bei Landsberg eine zehnjährige Flucht. Und für die Ermittler eine fast fünfzehnjährige Odyssee mit unzähligen juristischen Scharmützeln.

Obwohl Schreiber mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen muss, wirkt er am ersten Verhandlungstag aufgeräumt. Der Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft folgt er konzentriert, macht sich Notizen, tauscht Blicke mit seinen Anwälten aus.

Etwas mehr als eine Stunde dauert es, bis sich Staatsanwalt Marcus Paintinger durch unendliche Zahlenkolonnen geredet hat, bis er konkret wird und von einem für die Finanzbehörden "undurchschaubaren Lügengebäude" spricht, das Schreiber mit seinen Briefkastenfirmen in Panama und Luxemburg errichtet habe.

64 Millionen Mark Provision

Am Ende des 27-seitigen Dokuments, das aus dem Jahr 2000 stammt, stehen fünf Anklagepunkte: Einkommensteuerhinterziehung sowie die Hinterziehung von Gewerbesteuer, Bestechung, Beihilfe zur Untreue und Beihilfe zum gemeinschaftlichen Betrug.

Schreiber soll in den Jahren zwischen 1988 und 1993 für die Vermittlung von Flugzeug- und Panzergeschäften mit Kanada und Saudi-Arabien etwa 64 Millionen Mark (32,7 Millionen Euro) Provision erhalten und diese nicht versteuert haben. Den deutschen Finanzbehörden sind damit mehr als 20 Millionen Mark (10,2 Millionen Euro) Steuergelder vorenthalten worden.

Seine Anwälte Jens Bosbach und Jan Olaf Leisner sehen das anders. Vor allem Leisner macht in einer Erklärung von Schreiber deutlich, dass dieser nicht allein gehandelt habe. Die wesentlichen Weichenstellungen seien von Politikern getroffen worden, sagt er. Jetzt geht es um die CSU, um Franz Josef Strauß, um das alte Amigo-System. "Wo man hinschaut, waren Politiker involviert", sagt er.

"Es ist doch nicht so, dass ein Einzelunternehmer aus Bayern zwischen Regierungen verschiedener Staaten hin und her spazieren und solche Großprojekte zustande bringen konnte", lässt er erklären. "Ohne politische Unterstützung wäre ich von den maßgeblichen Leuten noch nicht einmal empfangen worden."

"Großer Unsinn"

Und auch das Argument, der ehemalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß habe nichts mehr mit den Geschäften zu tun gehabt, da er 1988 verstorben ist, sei "großer Unsinn". All die Geschäfte hätten einen großen zeitlichen Vorlauf gehabt, sagt Leisner - und Strauß sei der wichtigste Partner auf deutscher Seite gewesen.

Er habe nicht zuletzt über "erstklassige Kontakte" nach Saudi-Arabien verfügt. An dieses Land verkaufte die Waffenschmiede Thyssen 36 Fuchs-Spürpanzer. Schreiber bedaure, dass Strauß den Abschluss des Airbusgeschäftes mit Kanada und Thailand nicht mehr miterleben konnte.

"Seine Möglichkeiten genutzt"

Jens Bosbach, dessen Erklärung ebenso allgemein ist wie die seines Kollegen, bezieht sich auf die Punkte der Anklage. Die Bestechungsvorwürfe seien verjährt. Die letztgenannten Vorwürfe - also Beihilfe zur Untreue und gemeinschaftlicher Betrug - seien "einstellungsreif". Bei den anderen Anklagepunkten, vornehmlich bei dem Vorwurf der Steuerhinterziehung, werde es "eine besondere Aufgabe der Hauptverhandlung sein", die Umstände in ihren zeitlichen Zusammenhängen und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenumstände zu beleuchten.

Zu Zeiten des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß seien Schmiergelder nämlich "sogar steuerlich absetzbar" gewesen, betont der Anwalt. Ob und in welchem Umfang "Schmiergeldzahlungen überhaupt notwendig waren und gezahlt wurden, wird zu klären sein." Erst Ende der 1990er Jahre sei es zu einem Bewusstseinswandel in Wirtschaft und Gesellschaft gekommen. "Zuvor war es rechtmäßig, für einen erfolgreichen Geschäftsabschluss 'nützliche Aufwendungen' zu bezahlen beziehungsweise zu erhalten."

Angeblich alles falsch

Herr Schreiber habe unter diesen Rahmenbedingungen "seine Möglichkeiten und Kontakte genutzt und damit Geld verdient." Dabei habe auch seine "persönliche freundschaftliche Beziehung zu Franz Josef Strauß" auch als Mitglied des Aufsichtsrates von Airbus "eine wichtige Rolle gespielt".

Außerdem wies Bosbach den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, Schreiber hätte Provisionszahlungen nicht versteuert. Seine deutsche Firma "Bayerische Bitumen Chemie GmbH" habe Einnahmen und Vermittlungsprovisionen in Höhe von mehr als 18 Millionen Mark versteuert. Keiner der von der Staatsanwaltschaft genannten Steuerbeträge sei korrekt.

Bosbach, ein Münchner Anwalt für Strafrecht, spricht leise und langsam. Jede Betonung sitzt. Immer wieder blickt er in Richtung der Staatsanwaltschaft. Er spricht von dem festgefahrenen Bild, das in den letzten 20 Jahren von Karlheinz Schreiber gezeichnet wurde - und davon, dass es die "besondere Aufgabe der Hauptverhandlung" sein wird, eben diese Bild zu "hinterfragen". Denn das Gericht solle sich "ein eigenes freies Urteil" von dem Angeklagten bilden können.

Er spricht davon, dass es Schreibers gutes Recht war, Rechtsmittel gegen seine Auslieferung nach Deutschland in Kanada einzulegen. Er sagt, dass es nur verständlich sei, wenn Schreiber öffentlich seine Sorge äußere, "in Augsburg kein faires rechtsstaatlichen Verfahren zu erwarten". Ein Sprecher des Landgerichts Augsburg habe bereits 2006 erklärt, dass Schreiber nach seiner Auslieferung nach Deutschland "mit der vollen Härte des Gesetzes" rechnen müsse.

Bosbach weist auch darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft es versäumt habe, wichtige Zeugen zu laden. "Gerade die wohl entscheidenden Zeugen konnte Herr Schreiber im Ermittlungsverfahren noch nie direkt befragen lassen", kritisiert Bosbach und denkt dabei an Frank D. Moores, einen kanadischen Politiker. Er soll 1992 als "wesentlicher Gesellschafter und Geldempfänger der liechtensteinischen Gesellschaft IAL von Herrn Schreiber gegenüber den Finanzbehörden genannt worden sein." Moores ist 2005 gestorben.

Schreiber redet nur zu Beginn

Die ganze Zeit über beobachtet Schreiber das Geschehen im Gerichtssaal genau - und schweigt. Zumindest heute werde er keine weiteren Angaben machen oder Fragen beantworten.

Nur zu Beginn der Verhandlung hatte Schreiber den Journalisten noch "einen guten Morgen und ein gutes Neues Jahr" gewünscht. Wie gut es für ihn wird, wird sich zeigen. Zunächst sind Verhandlungstermine bis Mitte Mai eingeplant. Doch dabei wird es wahrscheinlich nicht bleiben.

Seine Verteidiger haben schon angekündigt, "weitere Beweismittel und Zeugen zu benennen". Und ob Schreiber bis dahin schweigen wird, bleibt offen. Er habe sich in Schweigen gehüllt, sagte er zu Beginn des Prozesses: "Heute."

Im Video: In Augsburg hat der Steuerprozess gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber begonnen. Er gilt auch als Schlüsselfigur in der CDU-Spendenaffäre.

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