Kabinetts-Umbau in Bayern:"Alles stehen lassen, das Mobiliar übernehmen wir"

Ilse Aigner: Ihr Ministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr in München wird gerade umgebaut.

Noch wird in Ilse Aigners künftigen Büro am Franz-Josef-Strauß-Ring nicht regiert, sondern gebohrt und gehämmert.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Auf dem Papier steht die Regierungsmannschaft des neuen Ministerpräsidenten Markus Söder längst.
  • Doch in der Praxis ist die Umbesetzung und Neuordnung noch in vollem Gange.
  • In vielen Ministerien werden Aufgaben und Schreibtische neu verteilt.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Als Ilse Aigner vor ihrem künftigen Büro angekommen ist, geht es tatsächlich auch um ihre Schuhe. Ihr dunkles, zum Hosenanzug passendes Paar ist nach dem Weg über vier provisorische Bautreppen, vorbei an Farbeimern, herabhängenden Kabeln und laufenden Handwerker-Radios von einer feinen Staubschicht bedeckt. Sie benötige künftig als Bauministerin sowieso ein Sicherheitsmodell mit Stahlkappen, sagt Aigner. Und nicht nur das fällt ihr ein, wenn sie an die kommenden Spatenstiche im Nieselregen denkt. "Ich werde künftig die schönen Schühchen vom Filmfest austauschen gegen Gummistiefel."

Erst einmal muss sie allerdings nach der Kabinettsumbildung in der vergangenen Woche ihre eigene Baustelle managen. Und das in doppeltem Sinne. Zum einen steht sie vor der Aufgabe, ein neues Ministerium aufzubauen. Zum anderen wird das Gebäude, in das sie einziehen wird, gerade gründlich saniert. Am Dienstag besuchte Aigner die Oberste Baubehörde am Franz-Josef-Strauß-Ring, die das Rückgrat ihres neuen Ministeriums bilden wird. Es galt, Mitarbeiter kennenzulernen, aber auch ein Büro zu suchen.

Im vierten Stock wurde Aigner zwischen Staffeleien und Teilen eines Malergerüsts fündig, ein Raum mit direktem Blick auf die Staatskanzlei, quasi auf einer Höhe mit dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder, dessen Konkurrentin sie einmal war. Doch der Grund für ihre Wahl sei ein anderer gewesen, sagt sie. "Schlicht und ergreifend: die Sonne. Die Alternative wäre gewesen Richtung Nordost, ich wollte lieber Südwest."

Wie Ilse Aigner ergeht es derzeit vielen Kabinettskollegen, Ministerialdirigenten, Abteilungsleitern, persönlichen Referenten oder Pressestellen. Sie erforschen gerade ihre neue Heimat oder haben sich im besten Fall bereits installiert. Politisch natürlich, aber auch ganz konkret mit Schreibtisch, Telefon und Computer.

Markus Söder hat nämlich nicht nur viele Minister und Staatssekretäre ausgetauscht, sondern auch viele Themengebiete neu zugeordnet. In vielen Ministerien läuft gerade die Reise nach Jerusalem, von oben nach unten werden Plätze und Büros neu besetzt. Ständig tagen Runden, die versuchen, Menschen und Verantwortlichkeiten an die richtigen Stellen zu schieben. Nach den Osterferien sollten die meisten wissen, wo sie künftig arbeiten.

Manches Büro ist mal hier - und dann wieder dort

Zum Beispiel Mechthilde Wittmann. Die Münchner Abgeordnete rochierte Söder auf die Stelle der Integrationsbeauftragten. Der Posten wiederum wanderte ins Innenministerium, bisher war die Integrationsbeauftragte im Sozialministerium an der Winzererstraße angesiedelt. Dort sollen, zumindest nach den bisherigen Planungen, auch die entsprechenden Fachabteilungen verbleiben, aus der Perspektive des Innenministeriums also quasi exterritorial. Chefin Wittmann soll offenbar trotzdem in die Zentrale im Prachtbau am Odeonsplatz, in die Nähe des Ministers. Noch könne man das aber nicht abschließend sagen, erklärt die CSU-Politikerin.

Denn im Innenministerium geht es umzugstechnisch gerade rund. Neu einziehen sollen die Mitarbeiter, die sich mit dem Thema Asyl beschäftigen. Diese wechseln nun vom Sozialen ins Innere. Dafür verliert das Haus von Minister Joachim Herrmann die Oberste Baubehörde an Aigners neues Ministerium. Und damit auch die Verkehrsabteilung, die dort angesiedelt war.

Wenige Jahre übrigens, nachdem die Schienen-Profis aus dem einst zuständigen Wirtschaftsministerium in der Prinzregentenstraße ausgezogen und zu den Kollegen im Innenministerium gezogen sind. Dort gerieten sie mit in den Sanierungsstress der Obersten Baubehörde am Franz-Josef-Strauß-Ring, deren Domizil nun zum Bauministerium wird. Sie wurden ausgelagert. Am Odeonsplatz, in der Zentrale, war die Verkehrsabteilung nie untergebracht - weshalb sie jetzt dort auch nicht ausziehen muss. So eine Landesregierung ist ein Verschiebebahnhof erster Güte.

Einige Ministerien können dem Treiben entspannt zuschauen

Auch an der Salvatorstraße stehen Änderungen an. Zwar muss nach jetzigem Stand niemand ausziehen, das einstige Spaenle-Ministerium wird aber in zwei Teile zerlegt, die beide an alter Adresse verbleiben sollen. Räumlich halten sich die Umbrüche in Grenzen. Bisher habe es einen Minister und zwei Staatssekretäre gebeben, nun sind es zwei Minister und ein Staatssekretär, berichtet ein Sprecher. Alles locker also an der Bürofront. Die neue Wissenschafts- und Kunstministerin Marion Kiechle zieht in den sogenannten alten Ministergang, der neue Kultusminister Bernd Sibler in den neuen Ministergang. Im Grunde wird an der Salvatorstraße nur eine Situation wiederhergestellt, die es schon einmal gab. Als Ludwig Spaenle Minister wurde, war das Haus auch zweigeteilt.

An der Salvatorstraße sitzen also künftig wieder zwei Minister, eine höhere Dichte in einem Gebäude weist weiterhin lediglich die Staatskanzlei auf. Von dort aus regiert künftig nicht nur Ministerpräsident Söder. Ihm arbeitet weiterhin der Chef der Staatskanzlei zu, nur dass diese Position nun neuerdings Florian Herrmann einnimmt. Die Aufgaben seien mit der Kabinettsumbildung größer geworden, weswegen auch mehr Personal nötig sei, sagt er. Das will er "in der Staatskanzlei unterbringen und organisatorisch eingliedern".

Kabinetts-Umbau in Bayern: Ilse Aigners Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr nimmt gerade erst Formen an.

Ilse Aigners Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr nimmt gerade erst Formen an.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wird es künftig eng zugehen in der Staatskanzlei? So genau weiß man es noch nicht. "Die Planungen dazu laufen auf Hochtouren." Das Raum-Puzzle wird noch kniffeliger, weil der ebenfalls in der Staatskanzlei angesiedelte neue Minister für Europa, Georg Eisenreich, künftig auch die Bereiche Medien und Digitales verantwortet. Die Regierungsmitarbeiter, die sich bisher mit Medien beschäftigt haben, gehörten zum Wirtschaftsministerium. Ob sie in die Staatskanzlei ziehen oder ob für sie ein anderes Gebäude gefunden werden muss, darüber wird gerade nachgedacht.

Nicht viel weiter sind die Pläne fürs Digitale, dieses "Megathema" will Eisenreich megamodern angehen, sagt er. "Das wird sich räumlich und organisatorisch auswirken. Und vor allen Dingen werden wir neben erfahrenen Mitarbeitern auch kreative Experten von außen zuziehen."

Natürlich gibt es auch Ministerien, an denen Wind und Wellen der Söderschen Kabinettsumbildung nicht einmal als leichtes Plätschern ankommen. Das Justizministerium zum Beispiel. Und dann gibt es noch das eine Haus, in dem die hektischen Umzugstelefonate und -runden eher milde belächelt werden dürften. Das Gesundheitsministerium weiß schon länger, dass es umziehen soll. Und nicht etwa vom Haidenau- an den Odeonsplatz, sondern an den Gewerbemuseumsplatz. In Nürnberg. Dafür müssen schon große Worte herhalten. "Der Umzug unseres Ministeriums ist ein starkes Signal für Franken und eine historische Entscheidung für ganz Bayern", erklärt die Ministerin tapfer.

Ein ganzes Ministerium in Nürnberg

Etwa 30 Mitarbeiter seien schon in Nürnberg angekommen, dazu "erhalten wir laufend neue Bewerbungen", sagt Melanie Huml. Verstärkt aus Franken, die Münchner sollen weniger Begeisterung über diese Form der Strukturpolitik zeigen, ist von Mitarbeitern zu hören. Niemand müsse aber umziehen, sagt Huml. Auch in München werde eine Dienststelle verbleiben. Zehn Jahre solle der Umzug dauern. Dann soll jeder an seinem Platz sitzen.

Im neuen Haus von Ministerin Aigner soll das in gut zehn Tagen erledigt sein. "Ich gehe davon aus, dass ich ab 9. April hier ein Büro haben werde", sagt sie. Das wird allerdings ein Provisorium sein, das Hauptgebäude soll im August bezugsfertig sein. Die nächsten Monate wird die Ministerin deshalb von ihrem Schreibtisch doch Richtung Norden zum Haus der Kunst hinüberblicken. Momentan sitzt hier noch Ministerialdirektor Helmut Schütz, der Leiter der Obersten Baubehörde. Der wird in den kommenden Tagen nicht nur ein paar Räume weiter ziehen, sondern auch den logistischen Aufbau des neuen Ministeriums umsetzen. Was sich gut anlässt, wie er sagt. "Wir haben eine bescheidene politische Spitze, die sagt: Alles stehen lassen, das Mobiliar übernehmen wir."

Der Platz reicht vielerorts nicht

Etwa 30 neue Mitarbeiter ziehen nun ins Provisorium im Nebengebäude ein, am Ende wird die Chefetage des Ministeriums etwa 50 Mitarbeiter umfassen. Da an der Spitze der Hierarchie-Pyramiden neue Büros benötigt werden, muss Schütz beim Belegungsplan seines im Sommer sanierten Hauses nochmal bei Null anfangen. Wenn alle derzeit auch noch in andere Gebäude ausgelagerten Beschäftigten im August zurückkommen, wird der Platz für die 450 Personen nicht reichen. "Wir werden noch etwas anmieten müssen", sagt Schütz.

Im Auge hat er ein direkt benachbartes Gebäude, in dem momentan Abteilungen des Innenministeriums sitzen. In ein paar Wochen wird er mehr wissen. Bis dahin wird die Ministerin auch im sanierten Nebengebäude Spuren im leicht staubigen Fußboden hinterlassen. Und oben erst mal die Schuhe putzen, wie sie es nach der Bürobesichtigung für die Medien ankündigt.

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