Kabinett:Fußfessel und Burkaverbot

Burka

Den Vollschleier tragen in Bayern fast nur Touristinnen aus arabischen Ländern. Die Staatsregierung will Burka und Nikab zum Teil verbieten.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Bayern will die Vollverschleierung weitgehend untersagen und Gefährder elektronisch überwachen. Die Grünen sehen darin Symbolpolitik, die SPD hält die Initiative für richtig.

Von Lisa Schnell

Lehrerinnen und Richterinnen dürfen in Zukunft ihr Gesicht nicht mehr aus religiösen Gründen verhüllen. Am Dienstag beschloss das Kabinett einen Gesetzentwurf, der das Tragen von Nikab und Burka im öffentlichen Dienst, an Hochschulen, Schulen und Kindergärten verbietet. Auch im Wahllokal soll das Burkaverbot gelten. Eine Kultur der offenen Kommunikation gehöre zum freiheitlich demokratischen Werteverständnis, sagte Innenminister Joachim Herrmann nach der Kabinettssitzung. Eine Verhüllung des Gesichts widerspreche dieser Kultur "diametral".

Gerade Beamte repräsentierten das Gemeinwesen und seien zur Neutralität gegenüber dem Bürger verpflichtet. Kindergärten und Schulen hätten den Erziehungsauftrag, kommunikative Fähigkeiten zu vermitteln. Mit einem Schleier vorm Gesicht sei das nicht möglich, so Herrmann. Kinder könnten die Reaktion ihrer Lehrerin nicht einschätzen und diese die Aufmerksamkeit der Kinder nicht richtig bewerten. Das Burkaverbot gilt deshalb auch für Schüler und Studenten. Derzeit gebe es im öffentlichen Dienst keine Burka-Trägerinnen, sagte Herrmann. Mit dem Verbot wolle man dafür sorgen, dass das auch so bleibe.

Die verfassungsrechtliche Diskussion um ein generelles Burkaverbot im öffentlichen Raum sei noch nicht abgeschlossen. Bei ihrem Parteitag 2015 hatte die CSU ein allgemeines Burkaverbot für ganz Deutschland gefordert. Das müsste allerdings der Bund regeln. Kanzlerin Angela Merkel hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie von einem allgemeinen Burkaverbot nichts hält und auf die verfassungsrechtlichen Probleme verwiesen. Auch Innenminister Herrmann ist persönlich der Ansicht, dass ein grundsätzliches Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kaum bestehen könne. Ministerpräsident Horst Seehofer soll es aber ein Anliegen gewesen sein, die Tür für eine mögliche Verschärfung nicht vollends zuzuschlagen, heißt es aus dem Kabinett.

Gegen eine Vollverschleierung im gesamten öffentlichen Raum sprechen aber nicht nur juristische, sondern, gerade für Bayern, auch wirtschaftliche Gründe: 824 000 Übernachtungen gingen 2016 in Bayern auf Touristen aus den arabischen Golfstaaten zurück.

Burka-Trägerinnen, die ihr Geld in der Maximilianstraße in München lassen, seien in Bayern gerne gesehen, vom allgemeinen Burkaverbot wolle man aber nicht vollends ablassen - aus Sicht der Grünen-Landtagsabgeordneten Ulrike Gote macht das keinen Sinn. Auch dem eingeschränkten Burkaverbot im öffentlichen Dienst steht sie kritisch gegenüber. "Wir lösen damit Probleme, die wir nicht haben", sagte sie. Das Verbot betreffe niemanden und sei nur "Symbolpolitik". Es sende außerdem das falsche Signal aus, dass der Islam unsere Gesellschaft bedrohe. Von der Burka hält Gote auch nichts, ihr müsse man aber eher Aufklärungsprogramme für Frauen als ein Verbot entgegenhalten. Peter Paul Gantzer von der SPD hält den Gesetzentwurf der Staatsregierung dagegen für richtig. "Wer hier eine Burka trägt, der negiert das deutsche Gesellschaftsmodell", sagte er. Auch an dem zweiten Gesetzentwurf, den das Kabinett am Dienstag beschloss, hat er nichts auszusetzen: Danach sollen Gefährder präventiv mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden können. Wo sie sich aufhalten, kann damit jederzeit nachverfolgt werden. Schon jetzt werden elektronische Fußfesseln verurteilten Straftätern angelegt, bei denen so das Risiko einer Wiederholungstat verringert werden soll. Auch der Bund bleibt bei dieser Regelung. In Bayern aber sollen künftig auch Personen eine Fußfessel bekommen können, die keine Straftat begangen haben und nicht vorbestraft sind, von den Behörden jedoch als gefährlich eingestuft werden. Ob eine elektronische Fußfessel angeordnet wird, entscheidet ein Richter. Sie kann maximal für drei Monate angelegt werden, dann ist eine erneute Richterentscheidung notwendig. Betroffen sind Personen, die schwere Taten wie Mord und Totschlag oder einen terroristischen Anschlag begehen könnten, gegen die aber noch keine so konkreten Beweise vorliegen, dass sie in Gewahrsam genommen werden können. "Konkrete Dinge" müssten aber trotzdem gegen sie vorliegen, denn allein der Verdacht, dass jemand vielleicht etwas Böses im Schilde führen könnte, reiche nicht aus, sagte Herrmann. Es handle sich bestimmt nicht um ein "Massenphänomen". Weniger als ein Dutzend Gefährder dürften nach seinen Schätzungen in Bayern für eine elektronische Fußfessel in Frage kommen. Derzeit leben in Bayern etwa 16 islamistische Gefährder.

Anders als die SPD sind die Grünen auch hier skeptisch. Bei präventiven Maßnahmen müsse man genau hinsehen, sagte Gote. Eine so weitgehende Einschränkung der persönlichen Freiheit müsse absolut verfassungsfest sein.

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