Niederbayern:Wie eine Mutter aus Landau für ihren inhaftierten Sohn kämpft

  • Ein Informatiker aus Niederbayern sitzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Gefängnis.
  • Er wisse nicht, was ihm vorgeworfen werde, berichtet die Mutter. Sie kämpft um die Freilassung des 39-Jährigen.
  • Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, es gebe Erkenntnisse, wonach das zur Last gelegte Verhalten auch nach deutschem Recht einen schwerwiegenden Strafvorwurf beinhalte.

Von Jasmin Siebert

"Ich bin mir sicher, dass ich die nächsten zwei Wochen kaum noch durchstehe!" Das habe ihr Sohn vergangene Woche am Telefon gesagt, erzählt Christine W. Seit dem 9. Oktober 2017 sitzt Christian W., ein 39-jähriger IT-Dozent aus Landau an der Isar, 6000 Kilometer entfernt in der Oasenstadt al-Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Haft. Unter menschenunwürdigen Bedingungen, wie seine Mutter sagt. Und ohne zu wissen, was ihm überhaupt vorgeworfen werde.

Sie erhebt schwere Anschuldigungen gegen die Behörden des Golfstaats: Ihr Sohn habe 21 Kilogramm abgenommen, das Essen sei voller Ungeziefer und die Hygiene mangelhaft. Er sei gefoltert worden, werde schikaniert und psychisch unter Druck gesetzt. "Halt durch, ich hole dich da raus", das hat W. ihrem Sohn versprochen. Sie ist 57 Jahre alt und verrentet. Nun kämpft sie mit einer Online-Petition für die Freilassung ihres Sohnes. Fast 95 000 Menschen haben auf change.org bereits unterzeichnet.

Die meisten Aussagen von Christine W. lassen sich nicht überprüfen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigt aber, dass Christian W. in den Vereinigten Arabischen Emiraten inhaftiert ist und konsularisch betreut wird. Was ihm genau vorgeworfen wird, ist unklar. Aus dem Auswärtigen Amts heißt es dazu nur, dass Erkenntnisse vorlägen, wonach das W. zur Last gelegte Verhalten auch nach deutschem Recht einen schwerwiegenden Strafvorwurf beinhalte.

Jedoch sei es der Wunsch des Inhaftierten, dass keine weiteren Angaben zu den Vorwürfen öffentlich gemacht werden sollten. Seine Mutter widerspricht dieser Darstellung und kündigt juristische Schritte gegen das Auswärtige Amt an. Sie sagt, ihr Sohn dränge selbst darauf, zu erfahren, was er getan haben soll. Er wisse lediglich, dass es um eine "elektronische Beleidigung" gehe.

Wie seine Mutter erzählt, zog Christian W. nach seinem Studium in England im Sommer 2016 in die Vereinigten Arabischen Emirate, um in al-Ain Informatik zu unterrichten. Nebenbei schrieb er an seiner Doktorarbeit. W. war nach Angaben seiner Mutter früher Zeitsoldat und in Kriegsgebieten im Einsatz. Über das Internet blieb er stets in Kontakt mit seiner Familie in Landau. Er habe sich in dem Golfstaat wohlgefühlt, sagt Christine W.. "Und dann war er plötzlich nicht mehr online."

Todesangst im Gefängnis

Das war im Oktober 2017. Sie hakte beim Arbeitgeber nach und erfuhr schließlich, dass ihr Sohn inhaftiert worden sei. An Weihnachten kam dann endlich das erste Lebenszeichen von W. selbst: Er habe am Telefon geweint und gesagt, dass es ihm sehr schlecht gehe. Von da an rief er in unregelmäßigen Abständen an. Auch ein Mitarbeiter des deutschen Konsulats habe W. inzwischen mehrmals besucht.

Die Umstände der Haft sind nach Darstellung seiner Mutter hart: Tagelang sei er in einem sehr kalten Raum eingesperrt worden, den die Gefangenen "Kühlschrank" nennen. Als W. zuhause anrief, habe er vor Todesangst gezittert. W. erfuhr, dass in die Wohnung ihres Sohns angeblich eingebrochen worden sei, kurz bevor er festgenommen wurde. Ihr Verdacht: Die Einbrecher könnten in seinem Namen etwas Beleidigendes gepostet haben.

Die Mutter sorgt sich um ihren Sohn

Im Gefängnis sei er wochenlang hellem Licht ausgesetzt gewesen, mit Schlafentzug gefoltert und angeschrien worden. Schließlich habe man ihn angekettet und "mit Gewalt genötigt, seinen Daumen auf ein Papier zu drücken". Das arabische Schriftstück sei sein erzwungenes Geständnis gewesen. Vor einem Scharia-Gericht wurde W. danach zu einer einjährigen Haftstrafe und 12 500 Euro Geldstrafe verurteilt. In der Verhandlung durfte er laut Christine W. nur mit "Ja" und "Nein" antworten. Sein arabischer Anwalt ging in Berufung, die Haftstrafe wurde daraufhin auf sechs Monate reduziert.

Damit wäre W. in einigen Wochen wieder auf freiem Fuß. Doch seine Mutter gibt sich damit nicht zufrieden. Sie sorgt sich, dass ihr Sohn neben den körperlichen Strapazen dem psychischen Druck bis dahin nicht mehr standhält. Er sei von anderen Ausländern isoliert worden und werde nun ständig von Wärtern beobachtet. Eine "Riesenschweinerei" sei es, dass sie bis heute keine genaueren Informationen, "kein Fitzelchen Papier" habe, sagt W. Sie ist fest überzeugt, dass ihr Sohn unschuldig ist. "Christian hat nichts getan", sagt sie immer wieder am Telefon und widerspricht damit der Darstellung des Auswärtigen Amtes.

Ihre Forderung: Ein deutscher Politiker solle endlich das Gespräch mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Zayid, suchen, der einem Gnadengesuch stattgeben und ihrem Sohn somit vorzeitig zur Freiheit verhelfen könnte. "Außenminister Sigmar Gabriel soll Christian dort rausholen", sagt sie.

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