Jurist widerspricht Rechnungshof:Konflikt um Ehegatten-Gehälter spitzt sich zu

Durften bayerische Abgeordnete enge Verwandte seit dem Jahr 2004 noch beschäftigen? Landtagspräsidentin Stamm hat nun ein Gutachten vorgelegt, das die betroffenen Politiker entlastet. Der Rechnungshof will die Replik prüfen, die Reaktion fiel allerdings kühl aus: Es handele sich um ein Parteigutachten.

Von Frank Müller

Durften bayerische Abgeordnete enge Verwandte seit dem Jahr 2004 überhaupt noch beschäftigen? Jenseits aller Moraldebatten spitzt sich dazu auch der juristische Streit in der Politik zu. Am Donnerstag stellte Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) ein Gutachten vor, das die betroffenen Abgeordneten entlastet. Die Beschäftigung von Ehefrauen und Kindern sei bis Mitte dieses Jahres legal gewesen, heißt es in dem von Stamm selbst angeforderten Gutachten des Münchner Rechtsprofessors Martin Burgi. Stamm zeigte sich erleichtert darüber, dass damit auch die Unsicherheit beseitigt sei, ob auf Abgeordnete Rückzahlungen zukommen.

Der Streit war entstanden, als der Oberste Rechnungshof in seiner Aufarbeitung der Abgeordnetenaffäre eine komplett andere Meinung vertrat. Ihm zufolge ist die umstrittene Altfallregelung, wonach vor dem Jahr 2000 geschlossene Mitarbeiterverträge zwischen Parlamentariern und ihren Angehörigen erlaubt blieben, im Jahr 2004 ausgelaufen. Damals war das Abgeordnetengesetz neu gefasst worden, der Altfallpassus rutschte aus dem Gesetz. Nur versehentlich, meinen Stamm und Burgi, weswegen die Regelung nach wie vor in Kraft sei. Darauf komme es nicht an, meint dagegen der ORH und empfiehlt, die Rückforderung der Staatsgelder zu prüfen.

Burgi fand für das Vorgehen des ORH deutliche Worte. Die Rechnungsprüfer hätten sich "auf ein Terrain begeben, das außerhalb dessen liegt, womit er sich üblicherweise beschäftigt". Damit betrete der ORH "vollkommenes Neuland", sagte Burgi. "Es ist eine Auffassung, die bisher noch niemand so vertreten hat." Unter Experten sei es unstrittig, dass ein Gesetz solange gilt, bis es explizit aufgehoben sei. Das sei in diesem Fall nicht passiert.

Der Rechnungshof will die Replik nun prüfen, die Reaktion fiel kühl aus. Es handele sich um ein Parteigutachten. Dass es so ausfalle sei also nicht überraschend, hieß es. Stamms Gutachter sei jedenfalls nicht der Schiedsrichter in diesem Streit. Auch der als Kritiker der Abgeordnetenfinanzierung bekannte Professor Hans Herbert von Arnim bescheinigte Stamm, sie sei kein "wirklich an objektiver Klärung interessierter Auftraggeber". Stamm lehnte inzwischen eine Anfrage der SZ erneut ab, die Namen zu den vom ORH entdeckten Missständen zu nennen. Zu einer von der Abendzeitung angekündigten Klage auf Veröffentlichung wollte sie sich auch nicht äußern: "Wir sind heute beieinander zur Altfallregelung."

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