Jugendliche und Alkohol:Mit der Temperatur steigt der Pegel

Jugendliche und junge Erwachsene feiern immer öfter mitten in den Innenstädten, sie hören Musik, trinken Alkohol und haben Spaß. Sind sie nur harmlose Partygänger - oder Säufer, Schmierer und Zerstörer? Bayerische Städte und Gemeinden lassen sich ganz unterschiedliche Strategien einfallen, um dem Problem zu begegnen.

Frederik Obermaier

Wenn die Woche sich dem Ende und der Tag dem Abend nähert, tauchen sie auf. In kleinen Grüppchen sitzen sie dann auf Treppen, Brunnen und Parkbänken in Bayerns Innenstädten, sie hören Musik, trinken Alkohol und haben Spaß. Es sind Jugendliche und junge Erwachsene, die sich ihre Freizeit vertreiben, finden die einen. Für die anderen sind sie Säufer, Schmierer und Zerstörer. Für Bayerns Kommunen sind sie vor allem ein Problem. "Der öffentliche Raum wird immer mehr als Raum zum Feiern genutzt", klagt der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl. "Alkoholmissbrauch sowie das Randalieren und Belästigen von Anwohnern werden zunehmend zum Problem", sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetag, Reiner Knäusl.

Grillen an der Isar, 2005

Auch junge Menschen haben das Recht, den öffentlichen Raum zu nutzen, betont der Städtetag. Einige Anwohner fühlen sich trotzdem gestört.

(Foto: CATH)

Der Umgang mit den Open-Air-Treffpunkten ist für die Kommunen eine Gratwanderung. Denn auf der einen Seite haben junge Menschen ein "Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Raum", wie die kommunalen Spitzenverbände jüngst in einer gemeinsamen Erklärung betonten. Gleichzeitig stören sich viele Bürger am abendlichen Lärm, Schlägereien in der Nacht und dem Müll am Morgen danach. Wer als Bürgermeister nichts dagegen unternimmt, riskiert seine Wiederwahl.

Denn ob auf dem Bahnhofsvorplatz in Ebersberg oder dem Gärtnerplatz in München, dem Regensburger Neupfarrplatz oder der Nürnberger Weißgerbergasse - in ganz Bayern steigt mit der Temperatur auch der Lärmpegel. Wenn es gut geht, ploppen nur Kronkorken und brummeln Gespräche, im schlimmsten Fall jedoch klirren Glasflaschen und wummern die Bässe der mitgebrachten Musikanlagen. Während junge Ruhestörer und jugendliche Schmutzfinken früher oft noch persönlich angesprochen und zur Ordnung ermahnt wurden, greifen viele Anwohner und Passanten mittlerweile lieber zum Hörer und wählen die 110. Immer häufiger muss die ohnehin schon überlastete Polizei als Streitschlichter herhalten.

Nachrichten von Jugendlichen, die sich Wochenende für Wochenende regelrecht ins Koma saufen, nur um dann prügelnd durch die Stadt zu streifen, bestimmen mittlerweile auch die Debatte um Bayerns Jugend. Straßen und Plätze, S- und U-Bahnen scheinen unsicher, der Aufenthalt dort gefährlich geworden zu sein. Nicht wenige haben die stumpfen Bilder von pöbelnden Jugendlichen, aufgenommen von Überwachungskameras, vor Augen, wenn sie nachts in Bayerns Städten und Dörfern unterwegs sind. Vergangenes Jahr wurde rund jede zweite Gewalttat eines alkoholisierten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen zwischen ein und sechs Uhr früh verübt.

Nicht überall, wo sich Jugendliche in der Öffentlichkeit treffen, ist jedoch Gefahr im Verzug, mahnt der Bayerische Jugendring (BJR). "Es entsteht der Eindruck, dass die Jugendlichen nur saufen und schlägern, das ist aber nicht so", sagt BJR-Präsident Matthias Fack. Tatsächlich ist laut dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung der Alkoholkonsum bei Jugendlichen rückläufig. Gestiegen ist allerdings die Zahl der Alkoholvergiftungen. Wenn getrunken wird, dann oft bis zum Umfallen.

Tonnenweise Müll

Die Gewaltkriminalität von Unter-21-Jährigen geht im Freistaat bereits seit 2007 zurück. 2010 registrierte das Innenministerium 8182 Tatverdächtige, rund jeder Dritte war alkoholisiert. Die große Masse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hinterlässt jedoch keine blaue Flecken, sondern lediglich Müll. Mehrere Tonnen haben Münchens Stadtreiniger nach einem sonnigen Wochenende zusätzlich einzusammeln. Allein an den beliebten Party- und Grillplätzen an der Isar sind es rund 100 Tonnen pro Jahr.

Jugendliche und Alkohol: Was nach Feiern auf öffentlichen Plätzen bleibt, ist vor allem eines: Müll.

Was nach Feiern auf öffentlichen Plätzen bleibt, ist vor allem eines: Müll.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Hinzu kommt der Lärm. Er ist durch das strenge bayerische Nichtraucherschutzgesetz noch weiter angestiegen. Waren es zuvor großteils junge Menschen, die draußen feierten, weil sie in Bars und Clubs noch nicht hinein durften, sind es nun auch Raucher, die ihrer Sucht im Freien frönen - zum Ärger der Nachbarn, wie Gemeindetags-Präsident Brandl sagt: "Wer aus einem Lokal kommt, unterhält sich draußen schließlich nicht immer nur in Zimmerlautstärke." Der Städtetag fordert inzwischen neben einem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot an Tankstellen auch eine Verlängerung der Sperrzeit. Diese wurde 2005 auf die Stunden zwischen fünf und sechs Uhr früh - die sogenannte Putzstunde - reduziert.

Bayerns Kommunen stehen derweil vor einem Problem: Was tun gegen nächtliche Ruhestörer und Randalierer, ohne junge Partygänger und ältere Nachtschwärmer aus den Innenstädten und von den Dorfplätzen zu vertreiben? Reicht bereits sanfter Druck oder müssen harte Strafen her? Die Strategien jedenfalls könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Aschaffenburg Schüler und Studenten bezahlt, um Gleichaltrige zu rügen, setzte die Stadt Augsburg auf ein nächtliches Speise- und Getränkeverbot. Die Stadt Ingolstadt schmeißt für ihre jungen Bürger gleich selbst eine Party.

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