Jubiläum:Gefahr von oben

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Das Schild warnt vor Lawinen. Noch genauer sind die Berichte des Lawinenwarndienstes. Jeden Tag stehen sie aktuell im Internet. (Foto: imago)

Bayerns Lawinenwarndienst wird 50 Jahre alt. Seitdem er arbeitet, gab es in den überwachten Gebieten keine Toten mehr

Von Christian Sebald, München

Wer dieser Tage in den Schnee will, muss hoch hinauf. Zum Beispiel auf die 2523 Meter hohe Hocheisspitze im Berchtesgadener Land. Dort liegt auch nach diesem milden Winter noch so viel Schnee, dass sich eine Frühjahrs-Skitour lohnt. Zumal das Lawinenrisiko denkbar klein ist. Der aktuelle Lawinenlagebericht mit seiner fünfstufigen Skala meldet geringe Gefahr. Das ist die unterste Warnstufe. Einzig oberhalb von 2300 Metern Höhe sind in extremen nordseitigen Steillagen kleinere Schneebretter möglich, sagt Warndienst-Chef Hans Konetschny, durch sie sei allerdings die Absturzgefahr größer als das Risiko, verschüttet zu werden.

Die täglichen Lageberichte des Lawinenwarndienstes sind ein Muss für jeden, der im Winter und im Frühjahr in die bayerischen Alpen will - sei es klassisch auf Tourenski oder neumodisch zum Schneeschuhgehen oder Freeriden. Vom ersten Tag der neuen Wintersaison an, an dem in den Bergen eine tragfähige Schneedecke liegt, stellen Konetschny und sein Team jeden Morgen um 7.30 Uhr den neuesten Bericht ins Internet - auf dass sich die Bergsportler möglichst wenig Risiken aussetzen. Erst Anfang Mai, wenn der Winter auch im Hochgebirge ein Ende hat, ist wieder Schluss mit den Lageberichten.

Dieses Jahr ist für Konetschny und seine Leute ein besonderes Jahr. 2017 ist es genau 50 Jahre her, dass der Freistaat den Lawinenwarndienst eingerichtet hat. Genauso lange gibt es die Lawinenlageberichte - ihre Zahl dürfte sich inzwischen auf etliche Tausend belaufen. Die Gründung des Warndienstes geht auf das schrecklichste Lawinenunglück in der Geschichte des Freistaats zurück. Es war am Mittag des 15. Mai 1965, als sich oben an der Zugspitze ein gigantisches Schneebrett löste und über das Schneefernerhaus hinwegdonnerte. Auf der Sonnenterrasse des damaligen Hotels starben sieben Gäste, zwei Tote wurden in den Trümmern der Seilbahn am Steilhang entdeckt, einer der vielen Schwerverletzten starb in einer Klinik. So ein Lawinenunglück sollte sich möglichst nie mehr wiederholen, erklärte die Staatsregierung und beschloss, den Warndienst einzurichten. Zwei Jahre später ging er an den Start.

Seine wichtigste Aufgabe hat der Lawinenwarndienst bisher erfüllt. "In den 50 Jahren seit dem Unglück auf der Zugspitze hat es in allen Gebieten, die von uns überwacht werden, keine Lawine mehr mit Toten gegeben", sagt Konetschny. Im freien Gelände ist das etwas anders. Zwar sterben in den bayerischen Alpen sehr viel weniger Bergsteiger und Wintersportler durch Lawinen als etwa in Tirol. Der Grund ist, dass die Berge hier sehr viel niedriger sind als dort und damit die Lawinengefahr automatisch geringer ist. Aber auch in Bayern sind jede Wintersaison ungefähr zwei Lawinentote zu beklagen, wie Konetschny sagt. Diese Saison ist - zumindest bislang - eine der wenigen ohne Opfer.

Damit möglichst wenige Menschen zu Schaden kommen, gibt der Warndienst hoch professionelle und detaillierte Informationen heraus. Die Wichtigste ist die aktuelle Warnstufe. Standard sind auch Hinweise auf die Beschaffenheit des Schnees, besonders gefährliche Lagen, Wind und Wetter und anderes mehr. So vielfältig sind die Informationen, dass selbst Profis und Spezialisten bestens bedient werden. Seit den Neunzigerjahren kann man den Lagebericht via Internet abrufen. Die Basisdaten stammten ursprünglich ausschließlich von Wirten in Berghütten und anderen Beobachtern in den Bergen. Inzwischen stehen Konetschny auch 20 vollautomatische Messstationen zur Verfügung.

Freilich kann selbst der beste Lawinenbericht keine hundertprozentige Sicherheit liefern. Das zeigt ein Unglück im April vor zwei Jahren am Steinköpfle in der Allgäuer Nagelfluhkette. Ein 58-jähriger Tourengeher löste bei der Abfahrt plötzlich ein Schneebrett aus. Es riss ihn über Felsen hinweg 100 Meter in die Tiefe. Der Mann erlitt tödliche Verletzungen. Laut Lawinenlagebericht herrschte an dem Tag nur mäßige Lawinengefahr. Das ist die zweitunterste Warnstufe.

Mehr Infos: www.lawinenwarndienst-bayern.de

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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