Japanische Einflüsse:Aus Weißwurst wird Grünwurst

Japanische Einflüsse: Das passiert, wenn eine bayerische Weißwurst mit japanischem Grünteepulver versetzt wird.

Das passiert, wenn eine bayerische Weißwurst mit japanischem Grünteepulver versetzt wird.

Die einen sehen in ihnen die Zerstörer des Abendlandes, andere loben ihren Innovationsgeist: Zwei Oberbayern haben es gewagt, Weißwürste grün zu machen. Ist das nur eine g'spinnerte Idee?

Von Wolfgang Wittl, Altötting

Die japanische Begeisterung für bayerische Kultur ist allgemein bekannt, weniger jedoch eine Anekdote aus der Kulinarik: Es begab sich vor Jahren in einem Hallertauer Hopfenbetrieb, dass eine japanische Delegation zur Brotzeit eingeladen wurde. Unglücklicherweise grenzte der Tisch mit den Nachspeisen an jenen mit den Hauptgängen, genauer: Ein Krug Vanillesoße stand direkt neben der Schüssel mit Weißwürsten. Und ehe sich die Gastgeber versahen, kippten die Freunde aus Fernost, naja. Angeblich soll es ihnen gemundet haben, zumindest haben sie die Teller mit eisernem Lächeln geleert.

Werner Gropp kann herzhaft lachen über diese Geschichte, vielleicht auch deshalb, weil er sich in ihr ein bisschen wiederentdeckt. Der 55-Jährige versetzt im Moment halb Oberbayern in Wallung: Die einen sehen in ihm den Zerstörer des christlichen Abendlandes, andere loben seinen Innovationsgeist. Denn Gropp hat es gewagt, grüne Weißwürste zu kreieren.

Herbe Substanz

Gropp wohnt in Unterholzhausen, einem Ortsteil von Altötting, doch im Grunde ist er in der ganzen Welt zu Hause. Etwa 80 000 Flugmeilen legt der Manager im Jahr zurück. Von einer seiner Reisen aus Japan brachte der passionierte Teetrinker Matcha mit, einen zu Pulver vermahlenen Grüntee, der ausgerechnet bei Veganern und Vegetarierern besonders beliebt ist.

Japanische Einflüsse: Seit der Alt-Neuöttinger Anzeiger über die grasgrünen Weißwürste berichtet hat, ist das Leben der Erfinder Werner Gropp (links) und Markus Hinterberger nicht mehr dasselbe.

Seit der Alt-Neuöttinger Anzeiger über die grasgrünen Weißwürste berichtet hat, ist das Leben der Erfinder Werner Gropp (links) und Markus Hinterberger nicht mehr dasselbe.

(Foto: Werner Gropp/oh)

Die "g'spinnerte Idee", die leicht herbe Substanz mit der Wurst zu kombinieren, kam ihm während eines Übungseinsatzes mit der Feuerwehr. Gropp saß neben seinem Freund Markus Hinterberger, einem Metzger, und fragte ihn, ob es denn möglich sei, Matcha mit einem Brät zu vermengen. Dessen Antwort: "Was ist Matcha?" Ein paar Versuche später hatten Hinterberger und Gropp die richtige Mischung gefunden.

Seit der Alt-Neuöttinger Anzeiger über die grasgrünen Weißwürste berichtete, ist Gropps Leben nicht mehr dasselbe. Zeitungen, Radiosender und Fernsehteams interessieren sich für die Geschichte, es gibt Anfragen aus aller Welt: aus Großbritannien, Tschechien, der Schweiz, Frankreich, den USA und natürlich auch aus Japan.

Das Patent hat er bereits angemeldet

Auch Wursthersteller haben sich schon gemeldet, aus Tokio, den Niederlanden und Bayern. Er wolle jetzt kein Wurstproduzent werden, sagt Gropp, doch aufhalten lässt sich die grüne Wurst wohl nicht mehr. Das Patent hat er bereits angemeldet, am liebsten wäre es ihm, wenn eine Großmetzgerei aus dem Freistaat damit in Serie geht.

Im Moment sind die Kapazitäten begrenzt. Hinterberger stellt die Würste in der Küche des eigenen Wirtshauses her, bei 140 Stück ist Schluss. Jeden ersten Sonntag im Monat werden im Landgasthof von Oberholzhausen kesselfrische Weißwürste serviert, dieses Wochenende wird wegen der großen Nachfrage eine Ausnahme gemacht - auch das Fernsehen schaut vor dem Zwölf-Uhr-Läuten vorbei. Seniorchef Xaver Hinterberger, ein gestandener Bayer mit aufgezwirbeltem Schnauzbart, begegnete den Würsten offen: "Probier ma's halt", meinte er. Seine fachkundige Expertise: Ein bisschen bitterer vielleicht im Abgang, aber durchaus schmackhaft.

So gehe es den meisten, sagt Gropp. Man erkenne den Grundgeschmack des Tees wieder, aber er dominiere nicht. Die gewöhnungsbedürftige Farbe ist für den Marketing- und Vertriebsprofi eher ein ungeplanter Nebeneffekt. Im Grunde gehe es um "die Fusion zwischen zwei traditionellen Lebensmitteln aus Japan und Bayern". Es steht also nicht zu befürchten, dass demnächst rote, blaue oder schwarze Weißwürste auf den Markt kommen, zumindest nicht aus Unterholzhausen.

Traditionalisten wird Gropp trotzdem überzeugen müssen. "Pfui Deifi", "greislich", "irgendwie giftig", ekeln sich Kritiker. Wer die Würste probiert habe, sei aber angenehm überrascht, sagt ihr Erfinder. Xaver Hinterberger ist ohnehin der Ansicht: "A Weißwurst is halt a Weißwurst" - ob weiß oder grün. Und weil zu viele Experimente dann auch wieder nichts bringen, wird auch zur Matcha-Weißwurst ganz normal süßer Senf und Breze gereicht.

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