Jahrhundertflut:Ottfried Fischer eröffnet Hochwassermuseum in Passau

Hochwasser in Passau

Bei der Jahrhundertflut im Juni 2013 stand die Altstadt von Passau unter Wasser. Tausende Freiwillige zeigten Solidarität und halfen beim Aufräumen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Schauspieler will damit Opfern und Helfern der Jahrhundertflut 2013 ein Denkmal setzen. Die Botschaft: Die Not bringt auch viel Positives.

Von Andreas Glas, Passau

Das Auffälligste ist hier das, was fehlt: keine braune Brühe, kein brauner Schlamm. Oder wie der Niederbayer sagt: kein Baaz. Ottfried Fischer ist also in Sandalen gekommen statt in Gummistiefeln, um sein neues Museum vorzustellen. Das Museum wirkt so unfertig, dass man meinen könnte, es seien noch ein paar Monate hin bis zur Eröffnung. Aber natürlich gehört das zum Konzept: der abblätternde Putz an den Wänden, die frei liegenden Ziegel und Rohre. Die Kulisse hat kein Künstler geschaffen, sondern die Flutwelle, die vor drei Jahren über Passau herfiel. Daran soll hier erinnert werden: in Ottfried Fischers Hochwassermuseum.

Die Idee dahinter: Aus dem Verlust etwas Positives machen

Passau, Unterer Sand 2. Hier, ein paar Schritte vom Ufer des Inns entfernt, hat Kabarettist Fischer seine halbe Kindheit verbracht. Im Haus seiner Großeltern, das inzwischen ihm gehört, im vierten Stock. Als das Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 auch Fischers Haus traf, reifte die Idee, im Erdgeschoss ein Museum einzurichten, auf 80 Quadratmetern, die Ladenfläche stand eh leer. "Da hab ich gefragt: Wie willst du das denn machen? Den Raum fluten?", erzählt Kurator Peter Syr. Das wollte Fischer natürlich nicht. Er wollte nicht der Flut ein Denkmal setzen, sondern den Menschen, die nach der Flut weitermachen, immer weiter, auch wenn in Passau alle paar Jahre die Flüsse überlaufen. Und den Nachbarn, den Rettungskräften, den wildfremden Leuten, die plötzlich da waren und beim Schöpfen und beim Schaufeln halfen, die Trost gespendet haben.

Als die Flut nach Passau kam, war Ottfried Fischer auf Kabarett-Tournee im Norden. Doch was er im Fernsehen sah, hat ihn tief bewegt. "Wie toll hier reagiert worden ist. Mit dieser Solidarität habe ich nicht gerechnet. Das muss man in Erinnerung halten." Und dafür, sagt Kurator Syr, brauche es nicht mal Exponate: "Jeder weiß, wie ein Schubkarren ausschaut, eine Schaufel und Gummistiefel". Daher besteht die Dauerausstellung "Wasser bis zum Hals" fast ausnahmslos aus meterhohen Bannern, die oben an Deckenschienen fixiert sind und unten von kiloschweren Sandsäcken gestrafft werden. Die Texte und Fotos auf den Bannern erzählen protokollartig die Schicksalsgeschichten der Flutopfer.

Zum Beispiel die Geschichte von Regina Reber, deren Theatercafé damals abgesoffen ist und die nur deshalb die Kraft zum Weitermachen fand, weil in Passau plötzlich "so viel Leben da" war und "ein warmes Gefühl". Nur den Namen ihres Cafés, es hieß "Aquarium", den hat sie nach der Flut geändert. "Mir hat das nicht mehr gefallen", erzählt Reber auf einem der Fotobanner. Ein anderes Banner schildert das Schicksal von Elisabeth Gleißner, in deren Haus die Brühe so hoch stand, dass in ihrer Küche ein Schwan paddelte, als sie nach der Flut ins Haus zurückkehrte. Unter dem Text ist ein Foto von damals zu sehen: Ein Schwanenjunges, das draußen vor dem Küchenfenster schwimmt und nach drinnen zur Mutter schaut. Statt zu Verzweifeln, hat Elisabeth Gleißner das Positive in der Katastrophe gesehen: "Mit 88 Jahren neue Möbel zu bekommen, wo hat man das schon?", fragt sie auf dem Banner.

Auch die Helfer kommen im Hochwassermuseum zu Wort. Damals kamen ja Tausende spontan nach Passau, um aufzuräumen. Darunter waren auch zahlreiche Studenten wie Maximilian Fitzi, dessen Protokoll davon erzählt, "dass die Studenten mit dem dreckigen Schlamm ihren Ruf etwas reinwaschen konnten" bei den alteingesessenen Passauern. Unterlegt ist der Text mit einem Foto, das Kurator Peter Syr besonders mag: Ein junger Mann mit Fünftagebart und Studentenbrille steht mit Halbschuhen im Baaz und hantiert ungelenk mit einer Schaufel. "Der hat mit Sicherheit noch nie eine Schaufel in der Hand gehabt", sagt Syr, "aber er arbeitet mit Inbrunst und versucht zu helfen".

Die besondere Hilfsbereitschaft zeigte sich auch bei den Flüchtlingen

Ottfried Fischer und Peter Syr zeigen in ihrem Museum aber nicht nur das Bedrohliche der drei Flüsse, die durch Passau fließen. Im Nebenraum erfährt der Besucher auch etwas über den "Lebensraum Donau" und darüber, dass die Stadt heute nicht die selbe wäre, wenn Donau, Ilz und Inn sie früher nicht zum Handelszentrum gemacht hätten. Doch im Wesentlichen geht es in Ottfried Fischers Museum um die Spuren, die in einer Stadt zurückbleiben, wenn das Hochwasser erst mal abgeflossen ist. Und damit meint Fischer eben nicht die Schäden an den Häusern, sondern das Solidaritätsgefühl bei den Menschen.

"Etwas ganz Großes" nennt Lara Fischer diese Passauer Hilfsbereitschaft. Der Drang, zu helfen, sei nicht nur nach der Flut 2013 da gewesen, sondern auch im Herbst 2015, als die Flüchtlinge zu Hunderttausenden über Passau nach Deutschland kamen. "Das macht Passau aus", sagt die Tochter von Ottfried Fischer, die hier Kulturwirtschaft studiert und von nun an den Museumsbetrieb managen wird. Da wundert es schon ein bisschen, dass sich die Stadt Passau nicht recht beteiligen will an der Finanzierung des Museums. Zwar wollte das Kulturreferat 30 000 Euro zuschießen, doch Ende Juni beschloss der Stadtrat, die Entscheidung über den Zuschuss noch mal zu vertagen. Seitdem ruht die Angelegenheit. Und auch in der Stadtbevölkerung gab es einige, die das Museum gar nicht wollten. Weil sie fürchten, dass nun lauter Krisentouristen kommen, die ihre Stadt auf die Überschwemmungen reduzieren und auf die sogenannte Flüchtlingskrise. Doch selbst wenn das so komme, sagt Ottfried Fischer, "dann heißt das auch, dass Passau auf das Helfen reduziert wird. Das ist doch prima, das ist toll."

Sollte die Flut übrigens das nächste Mal über Passau herfallen, dann ist das Hochwassermuseum gewappnet. An den Innenwänden ist eh kein Putz mehr, die Steckdosen wurden extra hoch gesetzt und die Banner sind aus einem Kunststoff, den man leicht abwaschen kann. "Da muss man dann nur mit dem Kärcher drüber", sagt Kurator Peter Syr, "und die Ausstellung kann weitergehen."

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