100 Jahre Justizpalast:Nürnberger Prozesse: Saal wird Museum

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Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Als König Ludwig III. am 11. September 1916 den Justizpalast in Nürnberg eröffnete, konnte er bereits auf einen Superlativ hinweisen. Ein Gebäude von 350 Metern Länge und mit Giebelfassaden, die 35 Meter in die Höhe ragten, das gab es sonst nirgends im Königreich. Heute würde die Justiz keine Paläste mehr bauen, das entspricht nicht ihrem Selbstverständnis. Aber der historische Begriff hat sich spätestens seit 1945 durchgesetzt, 100 Jahre nach der Eröffnung werden Touristen in Nürnberg mit dem Schriftzug "Justizpalast" in die Fürther Straße gelockt. Es gibt Richter und Staatsanwälte, die das ungern lesen. Aber es ist eben der eingeführte Begriff fürs größte Justizgebäude in Bayern.

Dass Touristen überhaupt in ein Justizgebäude gelotst werden, ist eher selten. Gelegentlich macht auch das Wort vom "berühmtesten Gerichtssaal Deutschlands" die Runde, den der Palast beherberge. Was schwer messbar ist, aber hinkommen könnte, seit die Welt den NS-Verbrechern im Saal 600 den Prozess machte. Dessen Bekanntheitsgrad wollen Stadt und Freistaat noch steigern. Am Montag, ein Tag also nach dem 100. Geburtstag des Palastes, wollen Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, Justizminister Winfried Bausback und Finanzminister Markus Söder eine Nutzungsvereinbarung unterzeichnen. Der Saal, in dem bislang große Schwurgerichtsprozesse verhandelt werden, soll künftig ausschließlich als Museum genutzt werden.

Geplant ist, die Geschichte des Saals, in dem viele Rechtshistoriker die Wiege des modernen Völkerstrafrechts verortet sehen, so zu präsentieren, dass es "den Erwartungen des internationalen Publikums entspricht". Ein wichtiger Hinweis, denn das Memorium Nürnberger Prozesse lockt zwar längst Touristen in den Palast. Diese aber können ihre Reiseroute nicht auf die Terminpläne der Justiz abstimmen. Wird ein Kapitalprozess verhandelt, dann ist zumindest das Fotografieren im Saal 600 nicht gestattet. Was immer wieder für Enttäuschung sorgt.

Das Wort vom "Justizpalast" soll weiter bestehen bleiben. Den Begriff führe das Haus zu Recht, urteilt der ehemalige Richter am Oberlandesgericht, Ulrich Grimm, in der Festschrift zum 100. Jubiläum des Hauses. "Denn diesen hat ihm die Weltgeschichte gegeben." In den Texten, die über die Nürnberger Prozesse berichteten, war immer wieder vom "Justizpalast" die Rede.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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