100 Jahre ORH:Lautsprecherhörstellen und Urviecher

Seit 100 Jahren moniert der Bayerische Oberste Rechnungshof Millionenausgaben für die absonderlichsten Anschaffungen. Ein Überblick in Bildern.

Katja Auer und Florian Fuchs

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Bayerischer Oberster Rechnungshof in München, 2010

Quelle: Catherina Hess

Sie machen es jedes Jahr spannend: Kein Wort kommt Heinz Fischer-Heidlberger und seinen Mitstreitern vom Bayerischen Obersten Rechnungshof über die Lippen. Bis zu dem Tag, jedes Jahr so um Nikolaus, an dem sie ihren Prüfbericht dem Landtag vorstellen. Da ist dann nachzulesen, ob und wofür in Bayern Steuergeld verschwendet wird. Seit 100 Jahren legt der ORH seinen Bericht vor. Gefunden hat er eigentlich immer was. Eine Auswahl.

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100 Jahre ORH:Knastmusik

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Quelle: AP

Bis hinter die Gefängnismauern schauen die Prüfer des Rechnungshofs. Und fanden 2004 dort erhebliches Einsparpotential - bei der Rundfunkgebühr. 8210 sogenannte Lautsprecherhörstellen gab es 2003 in den bayerischen Gefängniszellen und dafür zahlte der Freistaat 548.000 Euro Rundfunkgebühr. Das muss nicht sein, meinte der ORH, immerhin nutze die Dinger ohnehin kaum einer, die meisten Gefangenen hätten ihre eigenen Radios und Fernsehgeräte. Dafür sollten sie auch selber zahlen, befand der ORH - weil sie nämlich gar nicht zahlen müssten. Wegen ihrer wirtschaftlichen Situation könnten die allermeisten Gefangenen von der Gebührenpflicht befreit werden

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100 Jahre ORH:Luxustram

Straßenbahn in München, 2010

Quelle: Robert Haas

Straßenbahnfahren kann teuer werden. Besonders für den Freistaat. 6,1 Millionen Euro steckte der 2008 in eine Haltestelle. Dabei hätte es die gar nicht gebraucht, kritisierte der Rechnungshof: Nur 100 Meter weiter gab es bereits zwei Haltestellen.

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100 Jahre ORH:Rattenjagd

Bisamratte im Schnee

Quelle: dapd

Kleinvieh macht auch Mist, dachte man sich im Rechnungshof 1962 und schaute sich einmal den Amtlichen Bekämpfungsdienst für Bisamratten an. Die Einrichtung war eine Abteilung der Landesanstalt für Bodenkultur, Pflanzenbau und Pflanzenschutz und verschlang jährlich 270.000 Mark. Für das viele Geld waren die Bisamrattenjäger eher mäßig erfolgreich: 1961 fingen sie 18.848 Tiere. Umgerechnet, rügte der Rechnungshof, koste es also 14,30 Mark, so ein Vieh zu erlegen. Dies bedeutete das Ende für den Bisamrattenbekämpfungsdienst: 1964 wurde die Abteilung eingestellt, fortan jagten nur noch private Fänger nach den Ratten - deren Erfolg wiederum wird vom Rechnungshof nicht dokumentiert.

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100 Jahre ORH:Fluss ohne Fracht

Blick über die Donau auf die Alpen

Quelle: dpa

Großen Auftrieb brachte der Rechnungshof 1993 dem Bund Naturschutz und allen Kritikern, die einen Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen ablehnen. Der Stand 1993 war: Bund, Freistaat und die Rhein-Main-Donau AG wollen den Fluss für eine Transportkapazität von 30 bis 35 Millionen Tonnen im Jahr herrichten und dafür unter anderem den natürlichen Flusslauf begradigen - für 1,3 Milliarden Mark. Dabei hatte sich der Güterverkehr auf der bayerischen Donau von 1989 bis 1992 von 2,9 Millionen auf 2,3 Millionen Tonnen verringert. Das Wirtschaftsministerium prognostizierte aber Steigerungen in der Auslastung - der Rechnungshof rügte die Prognose als unsicher. Das Projekt ist noch heute ein Steckenpferd der CSU, entschieden ist immer noch nichts. (Donau nahe Straubing)

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100 Jahre ORH:Kohle im Bad

Bad Steben

Quelle: Staatsbad Bad Steben / oh

Das Jahr 1923 war turbulent, die Inflation erreichte ihren Höhepunkt. Der Rechnungshof hatte dennoch die Muße, sich mit den kleinen Dingen zu beschäftigen, mit der Badverwaltung Steben zum Beispiel. Beim höchstgelegenen Staatsbad Bayerns standen damals 1102,10 Reichsmark Einnahmen 2642,76 Reichsmark Ausgaben gegenüber. Insgesamt also ein Verlust von 1540,66 Reichsmark.

Die Badverwaltung teilte als Rechtfertigung mit, dass sie "ein größeres Kohlenquantum" geordert habe, um dem Währungsverfall zu begegnen. Weil die Verwaltung die Ausgaben für die Kohle nicht gemeldet hatte, vermerkte der Rechnungshof dennoch einen Verstoß gegen die Budgetvorschriften. Die fünf Staatsbäder missfallen dem Rechnungshof noch heute. Seit 1997 hätten sie den Steuerzahler fast 200 Millionen Euro gekostet. Regelmäßig fordert der OHR, das staatliche Baden aufzugeben.

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100 Jahre ORH:Bank ohne Bares

Untersuchungsausschuss BayernLB Zeugenvernehmungen

Quelle: dpa

Das Milliardengrab Landesbank war 2009 auch dem Rechnungshof ein paar Zeilen wert. Zehn Milliarden Euro musste der Freistaat zuschießen, um das Kreditinstitut zu retten und erhöhte damit seine Staatsschulden um fast die Hälfte. "Strikte Haushaltsdisziplin" forderte der Rechnungshof deswegen und vor allem einen Tilgungsplan, wie der Milliarden-Kredit zurückgezahlt werden soll. Bisher gibt es keinen.

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100 Jahre ORH:Wild gegen Wald

Reh im Schnee

Quelle: dpa

Gegen die Jäger kommt der Rechnungshof einfach nicht an. Seit Jahrzehnten schon rügt der ORH in schöner Regelmäßigkeit, dass Rehe, Hirsche und in den Bergen auch Gämsen vor allem junge Bäume so zusammenfressen, dass der Wald nicht natürlich nachwachsen kann. Das geht gegen den Grundsatz "Wald vor Wild" und kostet den Steuerzahler Millionen, denn der Wald muss aufgeforstet werden. Drei Millionen Euro im Jahr zahlt Bayern allein für die Sanierung der Schutzwälder im Gebirge. "Das Landwirtschaftsministerium muss endlich eingreifen", forderte der ORH 2009.

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100 Jahre ORH:Fahnder im Minus

Steuererklärung

Quelle: dpa

Mehr Steuerfahnder braucht das Land, das verkündet die Opposition im Landtag regelmäßig. Der Rechnungshof belegte das 2007. 34 Millionen Euro gingen dem Freistaat jährlich verloren, weil die Finanzämter unterbesetzt seien. Vor allem in München sei noch was zu holen: 24 Millionen Euro pro Jahr.

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100 Jahre ORH:Pleite mit Dinos

Komplettes Dinosaurier-Skelett gefunden

Quelle: dapd

1996 wollte auch die Prähistorische Staatssammlung teilhaben an dem damaligen Dinosaurier-Hype und konzipierte mit einem Privatunternehmer eine Ausstellung über die Urviecher. Ein großer Erfolg, mehr als 200.000 Besucher kamen. Dumm nur, dass das Museum erst ein halbes Jahr später seine Erfolgsbeteiligung von 170.000 Euro einforderte - der Unternehmer hatte da schon Insolvenz angemeldet. (Archiv)

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100 Jahre ORH:Olympische Spiele

München, Olympia, Garmisch

Quelle: ddp

Es ist ja nicht so, dass Olympische Spiele immer nur Befürworter gehabt hätten. Der Rechnungshof zumindest übte schon an den Spielen in München von 1972 einige Kritik. Zum Beispiel, was die Reinlichkeit betraf. Das Organisationskomitee hatte zwei Millionen Putztücher geordert - für 370.000 Mark. Am Ende wurde nur ein Bruchteil benötigt, der Schaden belief sich auf 270.000 Mark. Insgesamt gab das Organisationskomitee 523,3 Millionen Mark für die Spiele aus. Zu viel, fand der Rechnungshof. Das Komitee rechtfertigte sich: Das Personal sei mit der Organisation überlastet gewesen.

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100 Jahre ORH:Teurer Tanz

Krone der Freiheitsstatue wieder geöffnet

Quelle: ag.dpa

Für die Steuerzahler hatte das Gastspiel des bayerischen Staatsballetts in New York ein teures Nachspiel: Insgesamt musste der Freistaat 2,27 Millionen Mark zuschießen, damit das Ballett 1993 in New York innerhalb eines knappen Monats 15 Aufführungen geben konnte. Die Staatsoper veranschlagte vor der Reise Kosten von 2,82 Millionen Mark, die Ticketerlöse sollten eine Million bringen, den Rest sollte der Staat decken.

Dann aber blieben im State Theater 40 Prozent der Plätze frei, die Auftritte brachten 300.000 Mark weniger als kalkuliert. Die Organisatoren warfen trotzdem mit dem Geld um sich: Allein ein in New York engagierter Technischer Direktor erhielt wöchentlich knapp 8000 Mark.

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100 Jahre ORH:Pechsträhne

Roulette in der Spielbank in Stuttgart

Quelle: dapd

Von wegen Glück. Mit dem Glücksspiel hat der Staat eher Pech. Von 2008 an verzeichnen die neun staatlichen Spielbanken massive Einbrüche. In Bad Steben und Bad Kötzting hat der Staat sogar noch gar nichts verdient. Im Gegenteil: Mehr als sechs Millionen Defizit machten allein die beiden Spielbanken. Zusperren, forderte deshalb der ORH im Jahr 2008.

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100 Jahre ORH:Kassenpatient

A general view shows hospital 'Klinikum Grosshadern' where U2 lead singer Bono is believed to be receiving treatment in Munich

Quelle: Michaela Rehle/Reuters

Das Mammutprojekt Klinikum Großhadern überprüfte der Rechnungshof mehrmals. 1968 waren dabei vor allem die Verzögerungen bei den Planungen im Fokus: 1954 hatte sich die Staatsregierung für den Bau entschieden, 1961 beschloss der Landtag das 266 Millionen Mark teure Projekt, das wegen zahlreicher Erweiterungswünsche schon 1962 plötzlich 360 Millionen Mark kostete. Allein die häufigen Umplanungen machten den Bau laut Prüfern um mehrere Millionen Mark teurer. 1974 sah sich der Rechnungshof die Zahlen des inzwischen fertigen Klinikums an. Die Prüfer erkannten den Hang zur Verschwendung an Details: Zum Beispiel war alleine die Verwaltung schon kurz nach der Eröffnung so aufgebläht, dass der Personalanteil je Patient eine Belastung von 161 Mark darstellte. In anderen Kliniken betrug der entsprechende Anteil 18 bis 40 Mark.

© SZ vom 7.12.2010/bica
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