Interview über die Welt der Dinosaurier:"Unser Leben ist relativ irrelevant"

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Ikone aller fleischfressenden Dinosaurier: der T.rex

(Foto: imago/Science Photo Library)

Raimund Albersdörfer sucht seit seiner Kindheit nach Fossilien und handelt auch mit den Stücken. Ein Gespräch über spektakuläre Funde und eine ernüchternde Erkenntnis für unser Leben auf der Erde.

Interview von Birgit Kruse

Fossilien können eine ganze Menge Geschichten aus der Urzeit erzählen. Raimund Albersdörfer beschäftigt sich schon lange damit. Der 52-Jährige ist gemeinsam mit Michael Völker Gesellschafter des Dinosaurier-Museums Altmühltal.

SZ: Wenn man an Dinosaurier denkt, fällt den meisten sofort Tyrannosaurus rex ein. Was macht T. rex so populär?

Raimund Albersdörfer: T. rex war einfach das größte Raubtier aller Zeiten, die Ikone aller fleischfressenden Dinosaurier. Damit ist er der Inbegriff des Bösen und all dessen, was man sich unter groß, stark und Urzeit vorstellt. Die kräftigen Beine weisen darauf hin, dass er sehr schnell rennen konnte - und er konnte jagen.

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Er ist über 66 Millionen Jahre alt, sein Skelett ist eines der am besten erhaltenen und er ist der einzige bislang gefundene T. rex im Teenager-Alter. Das Dinosaurier Museum Altmühltal und die Süddeutsche Zeitung zeigen ihn jetzt erstmals in München. Weitere Informationen zur Dinosaurier-Ausstellung.

Hatte T. rex überhaupt noch Feinde?

Der hatte keine Feinde mehr, den hat keiner gefressen. T. rex stand definitiv am Ende der Nahrungskette.

Wie muss man sich den Lebensraum dieses Urzeitgiganten vorstellen?

Das heutige Nordamerika war durchzogen von Flüssen, es gab zahlreiche Feuchtgebiete. Vor allem in diesen Bereichen hat T. rex gejagt und nach Nahrung gesucht. Aber es gab auch sehr trockene Regionen, die mit dem heutigen Nordafrika vergleichbar sind.

In welchem Zustand findet man heute noch Überreste eines T. rex?

Derzeit gibt es 50 gelistete Funde. Davon sind von etwa 40 Exemplaren weniger als fünf Prozent erhalten. Wenn ein Paläontologe also nur schon ein paar Knochen ausgräbt, spricht man bereits vom Fund eines T. rex. Es gibt nur ganz wenige Exemplare, die besser erhalten sind. Die fehlenden Knochen werden dann fachmännisch und unter wissenschaftlicher Begleitung ergänzt.

Wieso sind die Dinosaurier überhaupt ausgestorben? Was weiß man wirklich darüber?

Der letzte Grund ist meiner Meinung nach wissenschaftlich noch immer nicht offenbar. Es gibt aber klare Hinweise darauf, dass es gegen Ende der Kreidezeit einen großen Meteoriteneinschlag im Golf von Mexiko gab, der das ganze Ökosystem radikal verändert hat und nur noch die letzte auslöschende Komponente war. Daraufhin sind ganz viele Land- und Meeresbewohner ausgestorben, nicht nur die Dinosaurier. Es gibt jedoch auch Hinweise, dass sich lange vor dem Meteoriteneinschlag das Ökosystem verändert hat.

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die man aus der Urzeitforschung in die heutige Zeit übertragen kann?

Unser Leben ist relativ irrelevant. Das ist meine Haupterkenntnis. Millionen Arten sind gekommen und gegangen. Natürlich versucht jede Tierart, ihre eigene Art am Leben zu erhalten. Das ist das Normalste der Welt. Auch der Mensch wird eines Tages aussterben.

Von Ästethik und Todeskämpfen

Was fasziniert Sie am Graben?

Zum einen treibt mich natürlich das wissenschaftliche Interesse an. Es ist einfach spannend zu erforschen, wer und was vor Millionen Jahren auf unserer Erde gelebt hat. Zum anderen ist meine Arbeit eine Form der Schatzgräberei. Wir Paläontologen verbringen vielleicht fünf Prozent unserer Zeit mit Funden, die sich wirklich lohnen. Und die Zeit, in der man nach einem Stück gräbt, das man selbst entdeckt hat, ist die schönste Zeit des Lebens.

Wo haben Sie angefangen zu graben?

In einem kleinen Bachbett bei Freiburg. Damals war ich drei Jahre alt und habe Ammoniten gesammelt. Die Faszination für Fossilien ist geblieben.

Woher wissen Sie, wo was liegt?

Erst mal gibt es nicht viele Spezialisten auf dem Gebiet. Wir arbeiten weltweit mit Museen zusammen, die uns auf Fundstellen aufmerksam machen. Da Museen oft aus zeitlichen, finanziellen oder personellen Gründen nicht selbst graben können, beauftragen sie Externe mit den Arbeiten. Meist sichern sich die Institutionen ein Vorkaufsrecht. Eine andere Möglichkeit ist, dass Grundbesitzer auf uns zukommen und uns um Hilfe bitten.

Und wo sind Sie zurzeit unterwegs?

Momentan graben wir sehr intensiv in Bayern. Hier gibt es interessante Sachen zu entdecken. Auch wenn die Fossilien nicht annähernd die Größe eines T. rex haben, aus wissenschaftlicher Perspektive sind sie mindestens genauso spannend.

Was war Ihr spektakulärster Fund?

Emotional am meisten bewegt hat mich der Fund eines kleinen Raubdinosauriers, keine 30 Kilometer von Regensburg entfernt. Er hatte noch Haut, Haare, kleine Schuppen und wunderhübsche kleine Zähne. Das ist der bedeutendste europäische Dinosaurierfund überhaupt. Deswegen haben wir auch darauf hingewirkt, dass er in die Liste schützenswerten Kulturgutes eingetragen wird. Somit darf er zum Beispiel nicht mehr exportiert werden.

Wo befinden sich heute die größten Dinosaurier-Vorkommen?

Eigentlich ist es auf fast allen Kontinenten wert zu graben. Aber in den Regionen der Welt, in denen Vegetation den Boden bedeckt, finden wir nichts. So gäbe es in Portugal und Spanien tolle Fundstellen. Doch die Dinosaurierschichten sind nur in den ariden Gebieten zugänglich. Es gibt fantastische Fundstellen in Afrika, in Südafrika, in Nord- und Südamerika, in Asien. Am spannendesten finde ich die Mongolei. Das ist der Spot für mich. Doch die Gesetze dort verbieten kommerzielles Graben.

Warum ist die Mongolei so besonders?

Weil es dort auf Tausenden Quadratkilometern keine Vegetation gibt. Man kann quasi mit dem Geländewagen durch die Wüste fahren und gucken, wo Knochen aus dem Boden ragen.

Sie handeln auch mit Fundstücken. Wie lassen sich Forschung und Fossilienhandel vereinbaren?

Damit habe ich kein Problem. Wir finanzieren quasi alle unsere Ausgrabungen mit Verkäufen. Wissenschaftlich bedeutende Funde gehen ausschließlich an Museen, Universitäten oder öffentliche Institutionen. Und weniger wissenschaftlich bedeutende Funde verkaufen wir auch an Privatpersonen, schon auch mal einen Dinosaurier. Erst vor ein paar Jahren haben wir ein 25 Meter großes Exemplar an die Dubai Mall verkauft. Jeden Tag konnten etwa 25 000 Menschen das Tier sehen.

Warum stellen sich Privatleute einen Dinosaurier ins Wohnzimmer?

Weil sie von der Vorstellung fasziniert sind, dass wir noch heute Überreste von Lebewesen finden, die vor vielleicht hundert Millionen Jahren gelebt haben. Es handelt sich ja um ein Individuum, das gelebt und gejagt hat, das irgendwann einen Todeskampf verloren hat. Außerdem gibt es noch den ästhetischen Faktor. So ein Dinosaurierschädel ist einfach was Schönes.

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