Interview: OB von Regensburg:"Meiner Aufsichtspflicht gewachsen"

Last man standing: Hans Schaidinger ist der letzte seit dem desaströsen Österreich-Deal verbliebene BayernLB-Aufsichtsrat. Der CSU-Mann ist sich keiner Schuld bewusst.

Interview von Christine Burtscheidt und Max Hägler

Hans Schaidinger, CDU, dpa

Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) verwehrt sich des Dilettantismus-Vorwurfs: "Ich habe Volkswirtschaft studiert."

(Foto: Foto: dpa)

Ruinöse Geschäfte der Bayerischen Landesbank (BayernLB) aus den vergangenen Jahren belasten den Freistaat mit zehn Milliarden Euro. Allein durch den Kauf der Hypo Alpe Adria (HGAA) im Jahr 2007 verlor der Staat 3,7 Milliarden. Den Deal billigte der Verwaltungsrat der BayernLB. Der Letzte, der aus dieser Zeit noch dem Aufsichtsgremium angehört, ist Regensburgs OB Hans Schaidinger (CSU). Der Chef des bayerischen Städtetags denkt auch nicht daran, sich aus dem Amt zurückzuziehen.

SZ: Hat Sie einst der BayernLB-Vorstand vor dem Kauf der Hypo Alpe Adria über die Bank korrekt aufgeklärt?

Schaidinger: (Holt fünf Leitz-Ordner aus dem Nebenzimmer und legt sie auf den Boden) Das sind die Protokolle und die Unterlagen. Wenn Sie mir jemanden bringen, der mit diesen Unterlagen im Jahr 2007 gesagt hat: Das ist falsch, dann muss ich mir überlegen, wieso ich das nicht auch gesagt habe. Aber den gibt es nicht. Natürlich ärgert es mich maßlos, dass wir damals diese Kaufentscheidung getroffen haben. Ich bedauere das zutiefst. Sie ist jedoch unter den damals zur Verfügung stehenden Unterlagen sorgfältig getroffen worden und hat sich erst im Nachhinein als falsch herausgestellt.

SZ: Wollen Sie sich entschuldigen?

Schaidinger: Entschuldigen kann man sich nur für ein Fehlverhalten. Für eine im Nachhinein falsche Entscheidung geht das nicht, außer man hätte sie vorsätzlich oder fahrlässig getroffen. So war es aber nicht. Ich habe gewusst, was ich entscheide, und ich habe es verstanden.

SZ: Die vom Freistaat eingesetzte Prüferin, Frau Linner, sagte in der Verwaltungsratssitzung vom 21. Juli 2009, sie habe "einen klaren Plan zur Abarbeitung der identifizierten Probleme und Risiken" des Vorstands vermisst.

Schaidinger: Das stimmt nicht. Wir haben uns damit befasst. Davon abgesehen haben Sie bei jeder Bank, die Sie kaufen, gewisse Risiken in den Portfolios.

SZ: Hier aber waren sie sehr groß.

Schaidinger: Nochmals, wir haben uns mit den Risiken befasst, diese bewertet und dann einen Kaufpreisabzug gemacht.

SZ: Gegen den Vermögensverwalter Thilo Berlin, der mit einer Investorengruppe an der Übernahme der HGAA gut verdient hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Macht das nicht nachdenklich?

Schaidinger: Thilo Berlin ist bejubelt worden, als er auf dem Sparkassentag in Garmisch vor eineinhalb Jahren sprach. Ich selbst bin nicht so begeisterungsfähig. Ich war skeptisch, und ich bin mir bis heute keiner Verletzung meiner Sorgfaltspflicht bewusst. Ich habe sechs Wochen nach dem Kauf der Hypo Alpe Adria einen Hinweis bekommen, dass die Bank in Kroatien auf einer Anzahl überfinanzierter und nicht verwendungsfähiger Grundstücke sitzen würde. Ich habe daraufhin den Vorstand damit konfrontiert. Die Antwort war negativ.

SZ: Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass Sie der Vorstand gelinkt hat?

Schaidinger: Aufgabe des Verwaltungsrates ist es, kluge, sachgerechte Fragen zu stellen und nicht, jede Aussage des Vorstands für eine Lüge zu halten. Ob er log, muss die Staatsanwaltschaft herausfinden. Aufgrund der Akten hatte ich keinen Grund, das anzunehmen.

SZ: Frau Linner sagt, dass Informationen nicht rechtzeitig vor dem Kauf bereitgestellt worden seien. Auch sei die Prüfung zu schnell erfolgt, sodass nicht alle Risiken erkannt werden konnten.

Schaidinger: Wir haben die Daten damals rechtzeitig vorgelegt bekommen, auch der Prozess der Preisfindung wurde uns nachvollziehbar erläutert. So wie sich für mich die Dinge dargestellt haben, wurde sorgfältig gearbeitet. Dennoch ist es zu einer Fehlentscheidung gekommen. Das kommt leider vor.

SZ: Warum musste der Kauf binnen 15 Tagen stattfinden?

Schaidinger: Das lag an der Exklusivität, die wir hatten. Sie verschaffte uns einen enormen Vorteil. Aber man kann sie nicht für ein Dreivierteljahr haben. Unsere Frage, ob in dieser Zeit genügend Informationen beschafft werden konnten, hat der Vorstand mit Ja beantwortet.

SZ: Hat die Hypo Alpe die BayernLB unter Zeitdruck gesetzt, weil sie nicht wollte, dass genau recherchiert wird?

Schaidinger: Wenn der Vorstand eine Vorlage macht und darin begründet, wieso es schnell gehen muss, und die ganzen Prüfungsinstitutionen zu einem positiven Ergebnis kommen, kann ich nicht hergehen und sagen: Leute, ihr habt völlig falsch gearbeitet. Die meisten Dinge in einer Bank passieren unter viel größerem Zeitdruck, etwa Kreditvergaben.

"Ich bleibe"

SZ: Warum haben Sie in der Sitzung vom Juli 2009 Druck auf Frau Linner ausgeübt, ihre Meinung zu ändern?

Schaidinger: Ich habe nicht Druck ausgeübt, sondern nachgefragt, ob es zutrifft, dass sie den Vorwurf der unsorgfältigen Arbeit zurückgezogen hat. Das hatte ich wegen der nicht einfachen Akustik im Saal nicht richtig mitbekommen. Den Vorwurf unsorgfältiger Arbeit lasse ich mir nicht gerne machen. Daraufhin bestätigte sie, dass sie diesen zurückzieht.

SZ: Kann man als Nichtbanker überhaupt beurteilen, ob eine Bank gesund dasteht? Ist die Politik nicht überfordert?

Schaidinger: Es wird immer gesagt, die Politik versteht von all den Finanzsachen nichts. Das klingt, als säßen da lauter Vollidioten, die nichts gelernt haben außer ihrer politischen Rankünespiele. Ich habe Volkswirtschaft studiert. Ich bin nicht nur Verwaltungsbeamter gewesen, sondern auch leitender Mitarbeiter in einem Unternehmen. Ich habe mit Immobilienfinanzierungen zu tun gehabt. Ich habe nach meinem Amtsantritt 1996 als OB in der Funktion als Verwaltungsratsmitglied geholfen, die Sparkasse Regensburg wieder auf sichere Füße zu stellen. Heute ist sie die Nummer vier oder fünf in Bayern, da schneide ich mir eine Scheibe ab. Ich bin meiner Aufsichtspflicht bei der BayernLB gewachsen.

SZ: Haben Sie selbst recherchiert vor dem Kauf der Hypo Alpe Adria?

Schaidinger: Als Verwaltungsrat recherchiert man nicht selbst. Es wäre sogar schädlich, wenn ich etwa als Mitglied des Sparkassenverwaltungsrats hinter dem Rücken der Mitarbeiter Kreditprüfungen anstelle.

SZ: Bei schlichter Zeitungslektüre hätte man 2006 sehen können, dass die Hypo Alpe Adria eine vogelwilde Skandalbank war.

Schaidinger: Als Verwaltungsrat befasst man sich mehr mit Fakten als mit Journalistenmeinungen. Ein entscheidendes Faktum war die positive Bewertung der österreichischen Bankenaufsicht.

SZ: Es gab Geldwäsche-Vorwürfe und verdeckte Währungsspekulationsverluste. Hypo-Alpe-Adria-Chef Wolfgang Kulterer musste 2006 seinen Hut nehmen und wechselte dann in den Aufsichtsrat. Kommen da keine Zweifel auf?

Schaidinger: Entschuldigung, wir wollten die Bank kaufen und keinen Vorstandschef oder Aufsichtsrat. Standard and Poors hat nach dem Kauf sogar das Rating der BayernLB heraufgesetzt. Wir haben uns mit dem Wert der Bank und ihren Risiken beschäftigt - und zwar sorgfältig. Das sind die Fakten.

SZ: Wieso haben Sie die vielen faulen Kredite nicht bemerkt?

Schaidinger: In jeder Bank gibt es faule Kredite. Wegen der Risiken haben wir ja dann den Kaufpreis um einen dreistelligen Millionenbetrag herabgesetzt.

SZ: War es vielleicht so, dass die BayernLB die Hypo Alpe Adria unbedingt kaufen wollte und Ihnen die Papiere und Zahlen vorlegte, die den Deal in einem guten Licht erscheinen ließen.

Schaidinger: Die BayernLB stand damals deutlich unter Druck. Sie konnte sich seit 2005 nicht mehr billig Geld besorgen, da der Staat nicht mehr unbegrenzt für seine Bank haften musste. Das billige Geld konnten die Landesbanken früher zu normalen Konditionen weiter verleihen und daran verdienen. Was blieb danach? Nur gute Mitarbeiter sind noch kein Alleinstellungmerkmal. Also suchten sich die Landesbanken Besonderheiten. Die HSH Nordbank spezialisierte sich auf Schiffsfinanzierungen, die LBBW in Baden-Württemberg auf das Mittelstandsgeschäft. Ich habe mit allen anderen Sparkassenvertretern gesagt: Unsere Chance ist die Hebung von Synergieeffekten durch eine Fusion mit der LBBW. Beim Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Günther Beckstein redeten wir im Herbst 2007 eine Stunde darüber. Ich versuchte, ihn von der Fusion zu überzeugen. Wir sind regelrecht ein bisschen lauter geworden. Er hat gesagt: Niemals.

SZ: Warum?

Schaidinger: Beckstein fürchtete, dass die bayerischen Sparkassen eine Konkurrenz bei der Mittelstandsfinanzierung bekommen könnten. Ich konnte ihm nicht beibringen, dass das sowieso schon der Fall war, weil die BW-Bank ohnehin in Bayern aktiv ist. Wir haben den Freistaat auch in weiteren Gesprächen nicht dazu gebracht, in Richtung eines anderen Modells zu denken, das sich im Nachhinein als das bessere herausgestellt hätte.

SZ: Hat sich die Staatsregierung sinnvollen Optionen entgegengestellt?

Schaidinger: Sie hat sich quergestellt. Und dann haben wir überlegt, was unsere Spezialität sein könnte. Das sind natürlich die emerging markets im Südosten Europas. Da waren bayerische Unternehmen stark tätig. Da war die Hypo Alpe Adria genau das, was wir gesucht hatten. Die bayerischen Sparkassen haben das ja dann auch unterstützt und gesagt: Wir brauchen einen Bankpartner, der unsere Kunden in diese Märkte begleitet.

SZ: Sie sind als Verwaltungsratsmitglied verantwortlich für eine der verhängnisvollsten Entscheidungen der BayernLB. Wieso ziehen Sie nicht die Konsequenz und treten zurück?

Schaidinger: Ich bleibe aus zwei Gründen. Ich wurde in das Amt vom Eigentümer auf Vorschlag der bayerischen Sparkassen berufen und nicht, weil ich Politiker bin. Und ich stelle mich meiner Verantwortung. Ich bin ein Fan von Gerhard Polt, der gesagt hat, in Bayern heißt Verantwortung übernehmen immer nur, dass einer in Pension geht. Ich denke auch, es kann nicht sein, dass ich jedes Mal davonlaufe, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Auch die Ablösung von Kemmer im BayernLB-Vorstand halte ich für einen Fehler. Finanzminister Fahrenschon und Kemmer haben jetzt beim Verkauf der HGAA einen cleveren Job gemacht. Immerhin sind von 6,7 Milliarden Euro noch knapp drei Milliarden abgesichert worden. Dazu musste Österreich massiv gedrängt werden.

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